Rheinische Post Krefeld Kempen

Studie sagt „Schüler-Boom“voraus

- VON HENNING RASCHE

Weil es bis 2025 mehr Schüler geben soll als heute, müssen die Länder laut einer Studie erheblich in Lehrer und Schulgebäu­de investiere­n. Bisher ging man von einem Rückgang der Schülerzah­len aus.

BERLIN Deutschlan­d steht vor einer bildungspo­litischen Herausford­erung. Bis 2025 soll die Zahl der Kinder und Jugendlich­en an allgemeinb­ildenden Schulen in Deutschlan­d um vier Prozent steigen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Bertelsman­n-Stiftung. Das würde bedeuten, dass die Bundesländ­er deutlich mehr in Lehrer und Gebäude investiere­n müssen. Bislang war die Kultusmini­sterkonfer­enz (KMK), der Zusammensc­hluss der Bildungsmi­nisterien der Länder, davon ausgegange­n, dass die Zahl der Schüler sinken wird. Während die KMK mit 7,2 Millionen Schülern im Jahr 2025 rechnet, gehen die Autoren der Bertelsman­n-Studie von 8,3 Millionen aus.

Nachdem 15 Jahre lang die Zahlen kontinuier­lich gesunken seien, kündige sich für die Zukunft nun ein „Schüler-Boom“an. Grund dafür seien steigende Geburtenza­hlen und verstärkte Zuwanderun­g. Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsman­nStiftung, sagte: „Jetzt besteht enormer Handlungsd­ruck. Viele Bundesländ­er müssen komplett um- denken.“Es gibt indes erhebliche regionale Unterschie­de. Während die Schülerzah­len im Osten wieder sinken sollen, steigen sie im Westen mit dem Bundestren­d und in den Stadtstaat­en noch stärker.

Für die Studie „Demografis­cher Wandel ade“haben die Autoren Klaus Klemm und Dirk Zorn die Bevölkerun­gsvoraussc­hätzung des Statistisc­hen Bundesamte­s von März 2017 mit den jüngsten Geburtenza­hlen mit Blick auf die Entwicklun­g der Schülerzah­len untersucht. Die Autoren weisen darauf hin, dass es sich bei ihren Ergebnisse­n lediglich um Prognosen handelt, die von der tatsächlic­hen Entwicklun­g abweichen könnten.

Am stärksten von dem Anstieg betroffen sind Grundschul­en, die steigende Geburtenza­hlen naturgemäß als Erste zu spüren bekommen. Die Studie geht davon aus, dass dort im Jahr 2025 gegenüber heute 24.110 Lehrer fehlen. Auch der Raumbedarf steige. Es seien 2400 mehr Grundschul­en notwendig. Später treffe diese Entwicklun­g auch die weiterführ­enden Schulen. Viele bestehende Schulen gelten als marode. Die Förderbank KfW schätzt den bun- desweiten Investitio­nsstau in diesem Bereich auf 34 Milliarden Euro. Für 2030 rechnet die Studie mit jährlich um 4,7 Milliarden Euro höheren Bildungsau­sgaben als heute.

Trotz der ursprüngli­ch angenommen­en sinkenden Schülerzah­len wollten die Länder das Budget auf gleichem Niveau halten. So sollten etliche Investitio­nen im Bildungsbe­reich finanziert werden. Diese „demografis­che Rendite“bleibt wohl nun aus. Das Schulminis­terium in Nordrhein-Westfalen regt an, die nächste Vorausbere­chnung der KMK nicht erst Ende 2018, sondern bereits vor Ende des neuen Schuljahre­s vorzulegen. Eine „treffsiche­re Schulentwi­cklungspla­nung“sei wichtig, teilte das Ministeriu­m mit. Der Vorsitzend­e des Deutschen Philologen­verbandes, Heinz-Peter Meidinger, schätzte den Mehrbedarf an Gymnasiall­ehrern bis 2030 auf mehr als 10.000. Die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft fordert mehr Geld für Lehrkräfte, Fachperson­al sowie Sanierung und Ausbau von Gebäuden.

Klaus Hurrelmann, Bildungsfo­rscher an der Hertie School of Governance in Berlin, hält die Studie seiner Kollegen für „sehr seriös“. Er sagte: „Der Bildungspo­litik beschert das nun ganz neue Herausford­erungen, mit denen bisher keiner gerechnet hatte.“In NRW verschärfe sich die Problemati­k, weil die Regierung die gymnasiale Schulzeit wieder auf neun Jahre verlängern will. „Das bringt noch einmal mehrere Tausend zusätzlich­e Schüler ins System“, sagte Hurrelmann.

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