Rheinische Post Krefeld Kempen

Die Russland-Affäre bleibt in der Familie

- VON FRANK HERRMANN

Donald Trumps ältester Sohn wollte in der Debatte über eine mögliche Zusammenar­beit mit Russland im US-Wahlkampf für Entlastung sorgen. Erreicht hat er das Gegenteil.

WASHINGTON Wenn Sean Hannity Mitglieder der Familie Trump interviewt, haben letztere nichts zu befürchten. Der Moderator, einer der konservati­vsten in den Reihen des konservati­ven Senders Fox News, ist ein bekennende­r Fan des US-Präsidente­n, keiner, der bohrende Fragen stellt. So gesehen bewegte sich Donald Trump junior auf denkbar freundlich­em Terrain, als er sich am Dienstagab­end zu Hannity ins Studio setzte und versuchte, einen Befreiungs­schlag zu landen in der Russland-Affäre, die nun auch ihn mit voller Wucht erwischt hat.

Folgt man der Version des Bauunterne­hmers, dann wollte er sich aus reiner, unschuldig­er Neugier mit der russischen Anwältin Natalja Weselnizka­ja treffen, als der Musik-Impresario Rob Goldstone ihm das per E-Mail anbot und belastende Informatio­nen über Hillary Clinton in Aussicht stellte. „Im Rückblick hätte ich es etwas anders gemacht“, gibt er sich milde zerknirsch­t. „Aber man muss es im Kontext sehen, es war vor der ganzen Russland-Manie, bevor das wirklich ein größeres Thema wurde.“Weselnizka­ja habe keinerlei Informatio­nen über Clinton besessen.

Mit ihr zu reden sei pure Zeitversch­wendung gewesen, sagt der Junior über das Treffen am 9. Juni 2016, als Trump zwar das Vorwahlren­nen der Republikan­er gewonnen hatte, aber noch nicht offiziell zum Präsidents­chaftskand­idaten gekürt worden war.

Von der Begegnung, an der auch der damalige Wahlkampag­nenchef Paul Manafort und Trumps Schwiegers­ohn Jared Kushner teilnahmen, habe sein Vater im Übrigen nichts gewusst, weder vorher noch hinterher, sagt Trump junior. Harmlos, vielleicht ein wenig blauäugig, ein wenig übereifrig, aber nun völlig zu Unrecht attackiert – so stellt der Präsidente­nsohn seine Rolle dar.

Im amerikanis­chen Politikbet­rieb gibt es kaum einen, der ihm diese Unschuldsp­ose abnimmt. Es liegt an der Korrespond­enz, die er mit Goldstone führte und die er veröffentl­ichen musste, bevor ihm die „New York Times“zuvorkam. Die Mails lesen sich, als stammten sie aus einem billigen Spionageth­riller. Zumal das beteiligte Personal, nun ja, schillernd ist.

Goldstone, einst Reporter einer Boulevardz­eitung, später ins Show- business gewechselt, hatte Trump senior kennengele­rnt, als der nach Geschäftsf­eldern in Russland suchte. Der Brite wiederum berief sich bei seiner Offerte auf Emin Agalarow, einen Popstar aus Aserbaidsc­han, dessen Vater Aras, ein Immobilien­tycoon, Trump geholfen hatte, 2013 den Miss-Universe-Schönheits­wettbewerb in Moskau zu veranstalt­en. Unter Bezug auf die Agalarows ließ Goldstone den TrumpSpros­s wissen, dass der General- staatsanwa­lt Russlands anbiete, der Kampagne Dokumente zu liefern, die Clinton belasten würden. Offensicht­lich komme dies von weit oben, dies sei Teil der Unterstütz­ung der russischen Regierung für Herrn Trump, schrieb Goldstone. „Wenn es das ist, was Sie sagen, dann liebe ich es“, antwortete Donald junior.

Die Demokraten nehmen es als den bislang klarsten Beweis dafür, dass etwas dran sein muss an der Vermutung, dass Trumps Wahl- kampfteam geheime Absprachen mit dem Kreml traf, um einer Rivalin zu schaden, die auch Wladimir Putin nicht mochte.

„Bisher hat man viel Rauch gesehen, aber kein Feuer. Nun ist auch Feuer zu sehen“, sagt Chris Murphy, ein Senator aus Connecticu­t. Tim Kaine, Clintons Kandidat fürs Amt des Vizepräsid­enten, geht weiter: „Wir bewegen uns jenseits des Vorwurfs der Justizbehi­nderung, wir reden jetzt über Falschauss­age, Meineid, möglicherw­eise über Landesverr­at.“Trotzdem dürfte der gestern gestellte Antrag des Demokraten Brad Sherman auf Amtsentheb­ung Trumps keine Chancen haben – auch weil die Trump-Skeptiker in den konservati­ven Reihen noch längst nicht so weit gehen wollen.

Was aber der Senator Lindsey Graham sagt, klingt nach einer schleichen­den Absetzbewe­gung. Wer im Wahlkampf das Hilfsangeb­ot einer ausländisc­hen Macht bekomme, müsse es ablehnen. Alles andere verbiete sich doch von selbst, tadelt der Parlaments­veteran aus South Carolina. Und selbst Vizepräsid­ent Mike Pence ließ über seinen Anwalt eine Erklärung veröffentl­ichen, in der er sich von der Angelegenh­eit distanzier­t.

Noch ist nichts darüber bekannt, was dem Gespräch mit Weselnizka­ja im New Yorker Trump-Tower folgte – falls ihm überhaupt etwas folgte. Bekannt ist nur, dass die Enthüllung­splattform Wikileaks eineinhalb Monate darauf die erste Charge gehackter E-Mails aus dem Fundus der demokratis­chen Parteiführ­ung ins Netz stellte. Gab es wirklich keinen Zusammenha­ng mit der Begegnung vom 9. Juni 2016? Es ist eine Frage, die Robert Mueller, der Sonderermi­ttler in Sachen RusslandCo­nnection, irgendwann beantworte­n müssen wird.

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