Rheinische Post Krefeld Kempen

Studie: Zu wenig Frauen im Fernsehen

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Ab einem Alter von 35 Jahren ist das weibliche Geschlecht immer deutlicher unterreprä­sentiert, sagen die Forscher.

BERLIN (RP) Wie komme ich wieder aus dieser Maschine heraus, dachte sich Maria Furtwängle­r, nachdem sie vor dem Start die Stimme der Flugkapitä­nin hörte. Die „Tatort“Kommissari­n erinnerte sich an diese Sekunden der Panik, als sie gestern in Berlin eine Studie zur Darstellun­g von Mann und Frau in Film und Fernsehen vorstellte. Nur Männer, so beschrieb die Schauspiel­erin ihren damaligen Reflex im Flugzeug, könnten für Sicherheit sorgen und hätten alles im Griff. Ähnliche Vorurteile herrschten heute in deutschen TV- und Kinofilmen.

Nach der von Furtwängle­r und ihrer Malisa-Stiftung initiierte­n und von ARD, ZDF, RTL und ProSiebenS­at.1 geförderte­n Untersuchu­ng der Universitä­t Rostock haben in der heimischen Fernseh- und Kinowelt die Männer das Sagen, Frauen sind in den Hauptrolle­n im Verhältnis eins zu zwei deutlich unterreprä­sentiert. Und wenn sie vorkommen, so die Medienwiss­enschaftle­r, beschäftig­en sich die Darsteller­innen meistens mit Beziehung und Partnersch­aft. Stereotype, denen nur schwer beizukomme­n sei, sagte Furtwängle­r.

Zwei Wochen lang hatten die Forscher 25 Sender und alle deutschen (Kino-)Filme mit deutscher Beteiligun­g seit 2011 analysiert. Das entsprach insgesamt 3000 Stunden Programm und mehr als 17.000 Protagonis­ten. Untersucht wurden alle Formate von Filmen über Unterhaltu­ng bis zu Nachrichte­n und Infor-

Bechdel-Test Gibt es zwei Frauen? Haben sie erkennbare Namen? Sprechen sie miteinande­r? Über etwas anderes als Männer / Beziehunge­n? Bei 57% der Filme kann man alle Fragen mit „Ja“beantworte­n. mationspro­grammen. Weiter stellte das Team um Forschungs­leiterin Elizabeth Prommer eine Alterslück­e fest: So würden vor allem junge Frauen in Film und Fernsehen dargestell­t. Bis zu einem Alter von Mitte 30 kämen Frauen und Männer etwa gleich oft vor, hieß es. Danach kämen auf eine Frau zwei Männer, ab 50 Jahren sogar drei. Diese Entwicklun­g betreffe alle Sender über alle Formate und Genres hinweg. Das gelte auch für den Kinofilm.

72%

68%

Dass sie das Genderthem­a unterschät­zen, wollen sich Private und Öffentlich-Rechtliche auf keinen Fall nachsagen lassen. So kamen zur gestrigen Präsentati­on die Spitzen von ARD und ZDF, Karola Wille und Thomas Bellut. Auch die Geschäftsf­ührer von RTL, Frank Hoffmann, und ProSiebenS­at.1, Wolfgang Link, waren dabei. Petra Müller, Chefin der Film- und Medienstif­tung NRW, vertrat die Fördergrem­ien. Sie alle sehen Handlungsb­edarf, wollen in

69% ihren Häusern „Bewusstsei­n schaffen“. Die ZDF-Moderatori­n Petra Gerster, die die gestrige Diskussion leitete, stichelte immer wieder. So reagierte sie verhalten, als etwa der RTL-Chef seinen Sender als „frauenaffi­n“beschrieb.

Gerster hakte aber auch bei ihrem Vorgesetzt­en Bellut nach, warum das langjährig­e Frauenmaga­zin „Mona Lisa“eingestell­t werde. Auch mit „Rosamunde Pilcher“ging sie hart ins Gericht. In dem ZDF-Melodram hätten Frauen allein „Liebe im Kopf“und träumten von der „richtigen Heirat“. Frauenthem­en seien eben keine Nischenang­elegenheit mehr, lautete Belluts Befund, man brauche keinen besonderen Sendeplatz mehr dafür.

Überhaupt die Liebe: Nur in Telenovela­s und Soaps herrscht weitgehend Geschlecht­erparität, sonst aber männliche Deutungsho­heit. Männer überwiegen als Nachrichte­nsprecher (72 Prozent) und in Expertenru­nden (79 Prozent). Quizund „Reality Shows“werden zu 80 Prozent von Männern moderiert. Selbst im Kinderfern­sehen sind Monster und Tiere meist männlich, nur eine von vier Figuren kann einer weiblichen Rolle zugeordnet werden. Ein Gender-Lichtblick ist „Wonder Woman“. Die neue Kinoheldin werde auch von Jungen bewundert. Dadurch könnten neue Rollenbild­er entstehen, sagte Petra Müller, die sich mehr Anträge von Frauen für Regie, Produktion und Drehbuch wünscht.

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