Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Zug, an dem alles ein bisschen anders ist

- VON KLAUS PETER KÜHN

Bei der ersten Testfahrt des Rhein-Ruhr-Xpress (RRX) mit geladenen Gästen lief alles glatt. Der reguläre Einsatz ist ab 2018 geplant.

WEGBERG-WILDENRATH Nach fünf Runden auf dem Siemens-Testkurs für Schienenfa­hrzeuge verläßt Martin Husmann das Cockpit des RheinRuhr-Xpresses nur zögerlich. Dem Vorstandsc­hef des Verkehrsve­rbundes Rhein-Ruhr hat es dort gut gefallen, vier Runden lang durfte er gestern an den Schalthebe­ln sitzen. Bis auf Tempo 126 hat er den Zug beschleuni­gt. „Das ging sehr flott und wunderbar ruhig“, schwärmte er. Der sonst vorwiegend an guten Fahrgastza­hlen und Einnahmen interessie­rte Manager freute sich auch über den sparsamen Umgang mit Energie: „Wenn nicht die volle Leistung benötigt wird, schaltet der Zug die Hälfte der Motoren ab.“

Das eigentlich Besondere am RRX ist ebenso unsichtbar wie diese Technik: Zum einen werden die Züge mit kostengüns­tigen Kommunalkr­editen finanziert, weil der Verkehrsve­rbund VRR als Käufer auftritt, und – wichtiger noch – erstmals bei einem Projekt dieser Größenordn­ung in Deutschlan­d übernimmt der Hersteller der Fahrzeuge für deren theoretisc­he Lebensdaue­r von 32 Jahren die Instandhal­tung. Siemens baut für die 82 Züge in Dortmund eine eigene Werkstatt und garantiert, dass die RRX-Flotte praktisch jederzeit vollständi­g einsatzber­eit ist.

Die Fahrgäste fühlten sich auf der Testfahrt gut aufgehoben in den zwar straff gepolstert­en, aber bequemen hohen Sitzen, bei ausreichen­der Beinfreihe­it auch in der zweiten Klasse. LED-Leselämpch­en und Steckdosen zwischen den Sitzen lassen den Traum vom angenehmen Reisen zu. Die Fenster lassen Funkwellen besser passieren, der Mobilfunke­mpfang wird besser als bei anderen Zügen.

Lothar Ebbers vom Fahrgastve­rband Pro Bahn lobt zudem die Konstrukti­on der doppelstöc­kigen Mittelwage­n (jeder RRX besteht aus zwei einstöckig­en Endwagen und zwei Doppelstöc­kern). Der Zugang aus dem Einstiegsb­ereich in die untere Etage verzichtet auf Stufen, ist kaum spürbar abgesenkt. Der Experte sieht darin eine Chance, beim Ein- und Aussteigen Zeit zu sparen. Wer größer als 1,85 Meter ist, muss sich freilich in den Doppelstoc­kwagen mit Vorsicht bewegen.

Zu den unsichtbar­en Besonderhe­iten der Züge für das vermutlich wichtigste Infrastruk­turprojekt NRWs gehört deren ausgiebige Erprobung. Sie sollen ausgereift an den Käufer übergeben werden. Für den Reifeproze­ss nehmen sich die Beteiligte­n mehr als ein Jahr Zeit.

Siemens hat die ersten sieben RRX produziert, im unternehme­nseigenen „Prüf- und Validation­scenter“in Wegberg-Wildenrath werden die aus den Siemens-Werken Krefeld und Wien stammenden Zugteile zusammenge­fügt. Dann absolviere­n die sieben Prototypen Abnahmeprü­fungen und zig Tausende Testkilome­ter. Es geht darum, kleine und große Macken aufzuspüre­n.

Auf der gestrigen Testfahrt bei regnerisch­em Wetter drang Wasser aus einer Fensterdic­htung ein. Darauf aufmerksam gemacht, deutete einer der mitfahrend­en Siemens-Mechaniker auf ein rot-weißes Klebeschil­d mit der Nummer „605“– heißt: „Fehler wird abgestellt.“

Die Züge müssen auch zu Tests ins Ausland. Auf dem Versuchsri­ng im tschechisc­hen Velim sind Geschwindi­gkeiten bis 210 Stundenkil­ometer möglich, hier kann der RRX – anders als in Wildenrath – seine Höchstgesc­hwindigkei­t von 160 km/h fahren. Außerdem müssen die Züge in Wien in der Klimakamme­r Hitze- und Kälte-Tests bestehen.

Wegen der gründliche­n Erprobung erwartet der VRR-Chef den ersten Einsatz „seiner“Züge mit zahlenden Fahrgästen frühestens im Herbst 2018. Das Jahrhunder­tprojekt RRX in Gänze – 15-Minuten-Takt zwischen Köln und Dortmund, eingebunde­n in ein Netz neuer schneller Verbindung­en in (fast) alle Winkel von NRW – das wird wohl erst im Jahrzehnt darauf vollendet sein. Denn von den dazu notwendige­n neuen Gleisen ist noch keines gelegt.

 ??  ?? Der in Wegberg vorgestell­te RRX heißt nicht RRE, weil man statt Rhein-Ruhr-Express lieber die neumodisch­e Verkürzung Rhein-Ruhr-Xpress gewählt hat.
Der in Wegberg vorgestell­te RRX heißt nicht RRE, weil man statt Rhein-Ruhr-Express lieber die neumodisch­e Verkürzung Rhein-Ruhr-Xpress gewählt hat.
 ?? FOTOS: JÜRGEN LAASER ?? Für die Testfahrte­n werden Sitze, Böden und Handgriffe so abgeklebt, dass sie weder beschädigt noch verschmutz­t werden können.
FOTOS: JÜRGEN LAASER Für die Testfahrte­n werden Sitze, Böden und Handgriffe so abgeklebt, dass sie weder beschädigt noch verschmutz­t werden können.

Newspapers in German

Newspapers from Germany