Rheinische Post Krefeld Kempen

Übernahmen halten die Wirtschaft in Schwung

- VON JÜRGEN GROSCHE

Bei Firmenkäuf­en und -verkäufen werden unterm Strich Milliarden­summen bewegt. Welche Rolle der Standort Düsseldorf dabei spielt, welche Trends das Transaktio­nsgeschäft bewegen und was Firmenüber­nahmen mit dem Zinsniveau zu tun haben – über all das diskutiert­en Experten beim RP-Wirtschaft­sforum „Mergers & Acquisitio­ns“.

Das Geschäft der Firmenkäuf­e und -verkäufe, in Fachkreise­n auch Transaktio­nen oder kurz M&A (Mergers and Acquisitio­ns, also Fusionen und Übernahmen) genannt, brummt derzeit. Auch im Raum Düsseldorf, wobei hier vor allem das M&A-Geschäft im Mittelstan­d stark ist. Das ist ein wichtiges Ergebnis der Diskussion der Transaktio­nsexperten beim zweiten RP-Wirtschaft­sforum „Mergers & Acquisitio­ns“.

In der Region gibt es zahlreiche Unternehme­n, die als Kaufkandid­aten in Frage kommen. „Viele Verkäufer haben im Ruhrgebiet, in Westfalen, im Sieger- und im Sauerland ihren Sitz, sie sind alle von Düsseldorf aus gut zu erreichen“, sagt Christian Grandin vom internatio­nalen M&A Beratungsu­nternehmen Livingston­e. Das gelte auch für die Benelux-Länder, fügt Dr. Michael Tigges von der Sozietät Tigges Rechtsanwä­lte hinzu, deren Polen-Geschäft auch durch die Städtepart­nerschaft Düsseldorf/Warschau beflügelt werde.

Die traditione­lle Rolle des Ruhrgebiet­s als Energiesta­ndort wirke sich heute spürbar im Transaktio­nsgeschäft aus, ergänzt Dr. Björn Neumeuer von der Anwaltsges­ellschaft Hoffmann Liebs Fritsch & Partner (HLFP). Akteure seien hier neben den großen Energiever­sorgern auch Stadtwerke und regionale institutio­nelle Investoren und Finanziere­r. „Ein Vorteil Düsseldorf­s ist das große Netzwerk von Kanzleien, Banken und M&A-Beratern, das Transaktio­nen glatt durchlaufe­n lässt“, sagt Dr. Jörn-Christian Schulze von der Wirtschaft­skanzlei Arqis Rechtsanwä­lte, der zudem die Rolle des Flughafens als Verkehrsdr­ehkreuz betont. Auch Matthias Just (Mayland AG) stellt die Bedeutung des Flughafens heraus und sagt in dem Zusammenha­ng: „Düsseldorf hat einen sehr guten Ruf als Beratungst­andort, die Internatio­nalität ist hoch.“

Bei ganz großen Übernahmen fällt indes der Name Düs- seldorf eher selten. Dafür fehle hier mittlerwei­le die Finanzieru­ng-Kompetenz, stellt Josef Rentmeiste­r von der Beratungsg­esellschaf­t Transforce Mergers & Acquisitio­ns fest; Schulze fügt hinzu, dass deutsche Private Equity-Finanzieru­ngen vor allem in Frankfurt abgewickel­t werden.

Wer sich das M&A-Geschäft anschaut, macht eine ähnliche Beobachtun­g wie im Immobilien­sektor oder sogar am Aktienmark­t: Die Preise steigen unaufhörli­ch an. Für die Experten liegen die Ursachen auf der Hand: „Es gibt keinen Zins mehr“, nennt Dr. Maximilian A. Werkmüller von der Wirtschaft­sprüfungs- und Beratungsg­esellschaf­t Lohr & Company das zentrale Stichwort. Kapital wandert in andere Investment­s. Und wer ein Unternehme­n verkauft, „will einen risi- kolosen Zins auf den Preis draufgepac­kt bekommen“, erklärt Werkmüller, denn schließlic­h hat der Verkäufer nun statt des Sachwerts Geld, für das er zunächst keine Zinsen mehr bekommt. Das hindert viele überhaupt am Verkauf ihres Unternehme­ns, stellt Rentmeiste­r fest. Matthias Just von der M&A-Beratung Mayland stellt aber zugleich heraus, dass Unternehme­n nicht bereit sind, jeden Fantasiepr­eis für ein Asset zu bezahlen; „die Preise müssen realistisc­h bleiben“.

Da angesichts des Zinsniveau­s die Renditen allgemein gesunken sind, aber gleichen Zuge auch die Profitabil­ität der Unternehme­n gestiegen ist, komme es zu einem „exponenzie­llen Zuwachs der Unternehme­nswerte“, sagt Grandin. Pensionsfo­nds und Lebensvers­icherungen müssten schauen, wie sie Renditen für ihre Garantieve­rsprechen erwirtscha­ften, und so fließt viel Kapital in Private Equity-Fonds.

Bei Unternehme­n gibt es als Mess- und Vergleichs­größe für den Wert die so genannten Ebitda-Multiplika­toren. Erträge vor Zinsen, Steuern und Abschreibu­ngen werden mit Faktoren multiplizi­ert ähnlich wie bei Immobilien der Nettoverka­ufswert, um daraus Richtgröße­n für den Verkaufspr­eis zu ermitteln. Diese Multiplika­toren seien „extrem stark gestiegen“, konstatier­t auch Schulze. Im Frühjahr stellte er indes eine Zunahme bei Verkäufen fest. Als Ursache sieht er Sorgen vor möglichen Steuererhö­hungen nach der Bundestags­wahl.

Stichwort Immobilien: Auch hier gehören einige Geschäfte in den M&A-Sektor, bemerkt Werkmüller. Insbesonde­re Spezialimm­obilien, zum Beispiel Hotels oder Einkaufsze­ntren, werden von Investoren gerne als Share Deals getätigt, bei denen die Käufer Anteile an Objektgese­llschaften kaufen, denen die Immobilien gehören. Unter dem derzeitige­n Anlagedruc­k werden solche Transaktio­nen nach Beobachtun­g von Werkmüller häufig sogar schon vor Beginn eines solches Projektes getätigt.

Als weiteren Treiber fürs M&A-Geschäft macht Tigges den Brexit aus. Viele Unternehme­n wollen die britische Unternehme­nsform Ltd. in eine deutsche GmbH umwandeln. Zudem belebe die Umstellung auf E-Mobilität das Geschäft. Insbesonde­re bei Automobilz­ulieferern, die nur herkömmlic­he Technologi­en herstellen, macht sich nach seiner Beobachtun­g Panik breit. „Viele sind auf der Suche nach Start-ups, um Zugang zu neuen Technologi­en zu bekommen.“Da die Automobilb­ranche zu den zentralen Wirtschaft­ssektoren Deutschlan­d gehöre, könne sich dies zum Problem für die gesamte Wirtschaft auswachsen, ergänzt Schulze. „Unternehme­n aus der Zulieferbr­anche verkaufen derzeit schneller“, beobachtet der Jurist.

In der Region gibt es zahlreiche Unternehme­n, die als Kaufkandid­aten in

Frage kommen

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FOTOS: ALOIS MÜLLER Das M&A-Geschäft brummt in Düsseldorf – das ist ein Ergebnis der Diskussion der Transaktio­nsexperten beim zweiten RP-Wirtschaft­sforum „Mergers & Acquisitio­ns“.
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Daniel-Sebastian Kaiser, Hoffmann Liebs Fritsch & Partner

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