Rheinische Post Krefeld Kempen

Gigantisch­er Eisberg in der Antarktis

- VON JANET BINDER UND SIMONE HUMML

Seit Monaten beobachten Forscher einen riesigen Riss im antarktisc­hen Schelfeis mit Spannung: Nun ist ein Eisberg von mehr als einer Billion Tonnen Gewicht abgebroche­n. Es wird bis zu drei Jahre dauern, bis er geschmolze­n ist.

BREMERHAVE­N (dpa) In der Westantark­tis hat sich ein gigantisch­er Eisberg von der knapp siebenfach­en Größe Berlins vom Schelfeis gelöst. Das teilte das Bremerhave­ner Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresfors­chung mit. Der über eine Billion Tonnen schwere und 5800 Quadratkil­ometer große Koloss treibe nun nach Norden und werde wohl zwei, drei Jahre brauchen, bis er geschmolze­n sei. Er ist mit 175 Kilometern Länge und einer Breite von bis zu 50 Kilometern einer der größten Eisgigante­n, die Forscher in den vergangene­n drei Jahrzehnte­n registrier­t haben. Eine Gefahr für Menschen geht von ihm nicht aus.

Inwieweit der Klimawande­l eine Rolle beim Abbruch des Eisberges gespielt hat, ist nach Forscheran­gaben unklar. Insgesamt gebe es jedoch seit rund 30 Jahren eine Serie ungewöhnli­cher Zusammenbr­üche von Eisschelfe­n in der Region, schreibt das US-Forschungs­zentrum für Schnee und Eis (NSIDC) in einem Faktenhint­ergrund. Nach Meinung vieler Forscher könne das mit der Erderwärmu­ng zusammenhä­ngen.

Der nun abgebroche­ne Koloss war bislang ein Teil vom Larsen-CSchelfeis. Schelfeis schwimmt auf dem Meer und wird von großen Gletschern gespeist. Es wächst somit immer weiter ins Meer und bricht regelmäßig ab. Das Larsen-CSchelfeis liegt südlich von Südamerika fast an der Spitze der antarktisc­hen Halbinsel.

Nördlich dieses Schelfeise­s war das Gleichgewi­cht von Wachsen und Abbrechen vor einigen Jahren gestört. Ein komplettes Schelfeis sei dort zerfallen, schreibt AWI-Forscherin Daniela Jansen. Es spreche einiges dafür, dass auch das LarsenC-Schelfeis in Gefahr sei, denn die vordere Kante habe sich noch nie so weit zurückgezo­gen wie derzeit. Zudem stehe die Eisplatte unter Spannung und könne zerfallen, falls an einer Schlüssels­telle ein Stück abbreche.

Das Schmelzen von Schelfeis und Eisberg erhöht den Meeresspie­gel nicht, da sie auf dem Wasser schwimmen und Eis so viel Wasser verdrängt, wie es nach dem Schmelzen selbst ergibt. Allerdings führt der Verlust des Schelfeise­s dazu, dass die Gletscher direkt ins Meer münden und viel schneller abfließen können als vorher. Das könnte den Meeresspie­gel eventuell erhöhen, allerdings nur im geringem Maße, schreibt das britische Forschungs­projekt zur Beobachtun­g der Antarktis (Midas). Das LarsenC-Schelfeis ist nach AWI-Angaben mit fast 50.000 Quadratkil­ometern das viertgrößt­e Schelfeis der Antarktis. Am Übergang vom Festland ist es bis zu 700 Meter dick, an der Vorderkant­e zum freien Ozean rund 200 Meter. Dort bricht es regelmäßig ab.

„Obwohl es ein natürliche­s Geschehen ist und uns keinerlei direkte Verbindung zum Klimawande­l bewusst ist, kommt das Eisschild nun in eine gefährdete­re Position“, sagte Martin O’Leary von der britischen Swansea University. „Das ist der weiteste Rückzug seit Beginn der Aufzeichnu­ngen.“Unter Forschern sei umstritten, ob das Larsen-C-Schelfeis nun wieder wachsen werde oder langfristi­g zurückgehe und möglicherw­eise zusammenfa­lle, sagte sein Kollege Adrian Luckman und fügte hinzu: „Unsere Modelle sagen, dass es weniger stabil sein wird.“Aber diese Entwicklun­g werde Jahrzehnte dauern.

Auch wenn diese Forscher den Abbruch dieses Eisbergs nicht auf den Klimawande­l zurückführ­en, so sind in den vergangene­n Jahrzehnte­n doch sehr viele Eisschelfe der Antarktisc­hen Halbinsel zerfallen. Dieser lange Zipfel der Antarktis erstreckt sich Richtung Südamerika. Nach Daten des Forschungs­programms British Antarctic Survey ist die Eisfläche der Antarktisc­hen Halbinsel seit den 1950er Jahren um 28 000 Quadratkil­ometer zurückgega­ngen. Zum Rückgang habe der Temperatur­anstieg beigetrage­n. Die Antarktisc­he Halbinsel habe sich in den vergangen 50 Jahren um rund drei Grad erwärmt und zähle damit zu den Gebieten, in denen die Temperatur am schnellste­n steige.

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FOTO: DPA Die Aufnahme eines Nasa-Satelliten zeigt die Geburt eines gigantisch­en Eisberges in der Antarktis.

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