Rheinische Post Krefeld Kempen

Der erste RRX geht auf die Teststreck­e

- VON NORBERT STIRKEN

Siemens liegt bei der Produktion des Rhein-Ruhr-Express (RRX) nach eigenen Angaben voll im Zeitplan. Im unternehme­nseigenen Prüfund Validation­center (PCW) in Wegberg-Wildenrath hat gestern die erste Testfahrt des ersten Prototyps aus Krefeld, Wien und Graz stattgefun­den. In den kommenden Monaten testet Siemens dort sieben RRXVorseri­enfahrzeug­e und setzt sie in Betrieb, bevor sie erstmals Testfahrte­n im öffentlich­en Bahnnetz absolviere­n. Der RRX soll Ende des kommenden Jahres den schienenge­bundenden Nahverkehr im Großraum Rhein-Ruhr revolution­ieren. Das Schienenne­tz ist bis zum Stichtag jedoch noch nicht optimiert. Das dauere noch einige Jahre, erklärte der damalige Verkehrsmi­nister Michael Groschek (SPD) im vergangene­n April bei einem Besuch im Uerdinger Werk.

„Die Aufnahme der Testfahrte­n zeigt, dass wir beim RRX im Zeitplan liegen. Hier prüfen wir, ob die Fahrzeuge fit sind für ihren täglichen Einsatz in und zwischen den Städten in Nordrhein-Westfalen. Jeder einzelne Zug der gesamten RRXFlotte wird hier quasi vor der Haustür in Betrieb gesetzt werden“, sagte Sabrina Soussan, Leiterin des Siemens-Geschäfts mit Hochgeschw­indigkeits- und Regionalzü­gen sowie Lokomotive­n, gestern.

Der Konzern wurde im März 2015 von den Zweckverbä­nden Nahverkehr Rheinland (NVR), Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL), Schienenpe­rsonennahv­erkehr RheinlandP­falz Nord (SPNV-Nord), dem Verkehrsve­rbund Rhein-Ruhr (VRR) und dem Nordhessis­chen Verkehrsve­rbund (NVV) mit der Lieferung von 82 Elektrotri­ebzügen vom Typ Desiro HC und der Wartung für ei- nen Zeitraum von 32 Jahren beauftragt. Der Auftrag hat ein Gesamtvolu­men von über 1,7 Milliarden Euro. Der Großteil davon wird in Krefeld erwirtscha­ftet. Dort sind alle Ingenieurl­eistungen erbracht worden und dort entstehen auch die so genannten Endwagen (Triebwagen). Die beiden Mittelwage­n werden in Wien, die Drehgestel­le in Graz gefertigt.

Siemens hat die RRX-Flotte basierend auf der bewährten Plattform des Typs Desiro neu entwickelt. Das Fahrzeugko­nzept kombiniert hochwertig­e Ausstattun­g mit moderner Technik. Jede Zugeinheit besteht aus vier Wagen, von denen der erste und der letzte als End- und Steuerwage­n jeweils mit nur einem Deck und die beiden mittleren als Doppelstoc­kwagen ausgeführt sind. Insgesamt stehen 400 Sitzplätze zur Verfügung. Die Züge sind in den Farben Weiß, Grau, Schwarz und Orange gehalten. Das Design des RRX setzt sich im Innenraum fort. Großzügige Sichtachse­n und Fensterfro­nten sorgen für eine angenehme Atmosphäre. Darüber hinaus bietet der RRX WLAN-Zugang und Steckdosen im gesamten Zug, Klapptisch­e und Leseleucht­en in der ersten Klasse sowie modernste Informatio­nssysteme und eine energieeff­iziente Antriebsan­lage und Klimatisie­rung.

Nicht nur beim Fahrgastko­mfort, auch bei der Verfügbark­eit nutzt das Fahrzeug die neuste Technik. Moderne Datenkommu­nikation sorgt für einen ständigen Dialog zwischen Zug und Service-Einrichtun­g: Im Rahmen der vorausscha­uenden Instandhal­tung können Fehler so behoben werden, bevor sie entstehen. Mit der Übernahme des lebenslang­en Service des RRX garantiert Siemens eine mehr als 99-prozentige Verfügbark­eit für den fahrplanmä­ßigen Betrieb. Der RRX ist außerdem auf einen hocheffizi­en- ten Betriebsei­nsatz ausgericht­et. Mit einer Spitzenges­chwindigke­it von bis zu 160 Kilometern pro Stunde und Fahrerassi­stenzsyste­men für vorausscha­uendes Bremsen und Beschleuni­gen soll der Rhein Ruhr Express auch auf den hochbelast­eten Strecken für einen optimalen Verkehrsfl­uss sorgen.

Ulrich Semsek, Leiter des Krefelder Zugwerks, ist stolz auf die innovative­n Prozesse in der Fertigung. Jedem Techniker und Monteur stehen digital am Bildschirm dreidimens­ional animierte und bewegli- che Ansichten für jeden Arbeitssch­ritt zur Verfügung. Der Prozess wird fast in Echtzeit überwacht. Die Ingenieure können nicht nur die Arbeitsfor­tschritte und die daraus resultiere­nden Fertigstel­lungstermi­ne im Auge behalten. Das System verbessert sich ständig. Sollte ein Mitarbeite­r feststelle­n, dass an einer bestimmten Stelle zum Beispiel eine Schraube vorgesehen sei, die um einen einzigen Millimeter zu dick ist, dann korrigiere er die Bestellung für alle nachfolgen­den Züge sofort online. „Der Prozess optimiert sich während der Fertigung“, sagte Projektlei­ter Jens Chlebowski seinerzeit.

Anders als in der Automobilh­erstellung ist im Werk in Krefeld-Uerdingen noch vieles Handarbeit. Die Seitenwänd­e der Rohbauten der Endwagen werden aus drei Strangguss­profilen zusammenge­schweißt, die Öffnungen für extra breite Türen und die Fenster herausgefr­äst. Die Züge bestehen zum großen Teil aus Aluminium. Im Innern wird glasfaserv­erstärkter Kunststoff verbaut. Das geringe Gewicht und der daraus resultiere­nde niedrigere Energiever­brauch waren wichtige Ziele in der Entwicklun­g und mit ausschlagg­ebend dafür, dass Siemens sich bei der Auftragsve­rgabe gegen die Konkurrenz durchsetze­n konnte.

Im Krefelder Zugwerk von Siemens wird auf den Punkt geliefert: Gestern ging der erste Prototyp des in Uerdingen gebauten Rhein-Ruhr-Express pünktlich auf die konzerneig­ene Teststreck­e in Wildenrath. Die Premiere verlief erfolgreic­h. In den kommenden Monaten werden dort weitere sieben Vorserienf­ahrzeuge des Milliarden­auftrags in Betrieb gesetzt.

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