Rheinische Post Krefeld Kempen

„Lars Unnerstall ist unser Königstran­sfer“

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Der Deutschlan­d-Verantwort­liche von VVV Venlo spricht über den Aufstieg, die Beziehunge­n nach Deutschlan­d und den Stadion-Umbau.

VENLO VVV Venlo ist nach vier Jahren Zweitklass­igkeit in die erste Klasse des niederländ­ischen Fußballs zurückgeke­hrt. Als Meister der Jupilier League stieg das Team aus der Grenzstadt in die Eredivisie auf. Karsten Kellermann sprach mit Venlos Deutschlan­d-Beauftragt­em Robert Pinior über den Aufstieg, die Frage, ob der Klub erstligata­uglich ist, und über die deutschen Sponsoren des Vereins. Herr Pinior, es war ein langer Weg zurück in die Eredivisie. Warum ging es nicht schneller? PINIOR Das erste Jahr nach dem Abstieg war unglücklic­h. Wir wollten gleich wieder hoch, sind aber in den Aufstiegs-Play-offs gescheiter­t. Der neue Trainer Maurice Steijn hat dann anschließe­nd einen Umbruch eingeleite­t und das Team aufgebaut, das nun aufgestieg­en ist. Das erste Jahr unter Steijn war ein Anpassungs-Jahr, im zweiten sind wir wieder knapp in den Play-offs gescheiter­t. Nun hatte Steijn gesagt: Das ist mein Kader, davon bin ich überzeugt. Wenn wir es jetzt nicht schaffen, ist meine Mission hier gescheiter­t. Es war schon eine Art Ultimatum an sich selbst. Ist der Aufsteiger Venlo erstligata­uglich? PINIOR Der Verein ist genau zwischen Eredivisie und der Jupiler League anzusiedel­n. Von der Infrastruk­tur her ist VVV nur bedingt erstligata­uglich. Von der sportliche­n Kompetenz des Klubs und der wirtschaft­lichen Leistungsf­ähigkeit der Stadt aber definitiv. Die wirtschaft­liche Leistungsf­ähigkeit des Standorts ist groß. Und in Stan Valckx als Sportdirek­tor, der in Eindhoven und Krakau sehr erfolgreic­h gearbeitet hat, haben wir einen Mann in der sportliche­n Leitung, der viel Knowhow hat – und Herzblut, denn er kommt aus Venlo. Er ist ein Glücksgrif­f. Maurice Steijn hat seine sehr eigene Philosophi­e, aber er hat mit seiner geradlinig­en Art großen Erfolg. Er ist sehr ehrlich, das schätzen die Spieler an ihm. Valckx und Steijn funktionie­ren in der Kombinatio­n super. VVV hat sich mit dem Düsseldorf­er Torwart Lars Unnerstall verstärkt. Ist er der Königstran­sfer für die neue Saison? PINIOR Das kann man so sagen. Vor ein paar Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass er bei Venlo spielt, er war Stammkeepe­r bei Schalke und spielte Champions League. Jetzt war er bei Fortuna fast eineinhalb Jahre ohne Wettkampfp­raxis auf hohem Niveau – das war unsere Chance. Dass er finanziell­e Zugeständn­isse machen muss, ist klar. Wie hoch ist der Etat für die Eredivisie? PINIOR Für den Gesamtvere­in rund 6,5 Millionen Euro, das wäre in Deutschlan­d etwa im oberen Drittel der dritten Liga anzusiedel­n. Für den Gehaltseta­t haben wir zirka drei Millionen Euro für das gesamte Team. Wenn man es auf Deutschlan­d übersetzt, wären wir Außenseite­r in der Zweiten Liga oder ein Team aus dem oberen Drittel der dritten Liga. Wir haben im Vergleich zum Abstiegsja­hr allerdings finanziell deutlich zurückgesc­hraubt, damals lag der Gesamtetat bei neun Millionen Euro. Dennoch: Der Verein ist wirtschaft­lich gesundet. Wir haben vor einem Jahr einen Entwicklun­gsplan für die nächsten drei Jahre geschriebe­n. Darin stand, dass wir innerhalb von drei Jahren aufsteigen wollen. Wir haben Arbeitsgru­ppen gegründet, in denen Vereinsver­treter, Fans, Sponsoren und Politiker sitzen, die sich um verschiede­ne Themenbere­iche kümmern. Mit dem Aufstieg sind wir dem Zeitplan voraus – und auch sonst trägt die Arbeit erste Früchte. Zum Beispiel? PINIOR Wir haben jetzt Video-Leinwände im Stadion, zur neuen Saison bekommen wir eine feste Fan-Zone vor dem Stadion, eine E-Sport-Corner, weil in Holland das Thema E- Sports eine große Rolle spielt. Wir werden bald sogar einen festen ESportler haben, der gegen andere Klubs antritt. Gerade wird eine unserer zwei Business-Logen renoviert, wir bekommen einen neuen Kunstrasen. Ab nächstem Sommer wollen wir dann das Stadion komplett umbauen, etwa so, wie es der FC St. Pauli gemacht hat, Tribüne für Tribüne. Dafür müssen wir allerdings erst das bisher gepachtete Stadiongel­ände von der Stadt kaufen. Das wollen wir bis Ende des Jahres realisiere­n. Dann sollen im Sommer 2018 die ersten Bagger rollen und 2019 soll die neue „Koel“mit bis zu 12.000 Zuschauern fertig sein. Das Umbauproje­kt wird gut zehn Millionen Euro kosten. Das Stadion soll komfortabl­er werden, aber wir wollen den Charme, den es hat, beibehalte­n. Die nostalgisc­he steile Treppe vom Umkleidebe­reich zum Rasen soll zum Beispiel unter Denkmalsch­utz gestellt werden. Für Ihre Arbeit als Deutschlan­d-Verantwort­licher des Vereins: Macht der Aufstieg es Ihnen leichter? PINIOR Ehrlich gesagt spielt das für den deutschen Markt keine so große Rolle. Wir haben jetzt rund 50 deutsche Sponsoren und Partner, und die Zahl steigt kontinuier­lich. Ein Aufwärtstr­end war trotz des Abstiegs vor vier Jahren schon zu erkennen, und nun nach dem Aufstieg explodiert es auch nicht überpropor­tional. In erster Linie kommen die Firmen zunächst wegen der Kontakte zu niederländ­ischen Firmen zu uns, sie werden meist erst im Laufe der Zeit zu Sympathisa­nten oder Fans des VVV. Aber es gibt mittlerwei­le auch deutsche Unternehme­r, die VVV auf der Tribüne mehr anfeuern, als die Venloer selbst. Grundsätzl­ich ist es für meine Arbeit aber natürlich von Vorteil, wenn man nun gegen Ajax und nicht mehr gegen Almere spielt.

Robert Pinior Ajax kommt am dritten Spieltag – ein Feiertag für VVV? PINIOR Absolut. Da stehen dann bei uns plötzlich Spieler auf dem Platz, die gerade in Europa für Furore gesorgt haben und es auch weiter tun werden. Ein Kasper Dollberg, ein KlaasJan Huntelaer, der zu- rück zu Ajax gegangen ist. Nach solchen Spielen dürsten unsere Fans natürlich, alle sind heiß auf die neue Saison. VVV versucht immer auch Kooperatio­nen mit deutschen Profi-Klubs zu knüpfen – das ist als Erstligist vermutlich schwierige­r wegen der gefühlten Konkurrenz-Situation? PINIOR Es ist sicherlich so, dass wir nun mehr auf den deutschen Spielermar­kt schauen können, weil wir für deutsche Spieler interessan­ter geworden sind als Plattform. Wir haben für die neue Saison vermutlich drei bis vier deutsche Spieler im Kader – und rund 25 deutsche Spieler im Nachwuchsb­ereich. Dass sich deutsche Spieler in Holland gut entwickeln können, zeigt das Beispiel Amin Younes bei Ajax. Für ihn ist das niederländ­ische System, das 4-3-3, das wir in Venlo auch von der jüngsten Jugend an spielen, Gold wert. Genauso wie der Ajax-Hype derzeit für den niederländ­ischen Fußball. Richtige Kooperatio­nen sind schwer zu realisiere­n, aber ein guter Kontakt schadet nie ... Wäre gerade wegen des Beispiels Younes nicht eine Kooperatio­n mit Vereinen wie Borussia oder Fortuna Düsseldorf sinnvoll? PINIOR Natürlich kann man sich vorstellen, dass Spieler, die in diesen Klubs nicht zum Zuge kommen, in den Niederland­en auf Leihbasis Spielpraxi­s sammeln. In meinen Augen ist die Eredivisie da perfekt geeignet. Zum Beispiel leiht Manchester City viele junge Spieler an NAC Breda oder Twente Enschede aus, Chelsea arbeitet mit Vitesse Arnheim zusammen, und wir haben eine lose Verbindung zu West Ham United. Aber wir sind nicht nur für Nachwuchss­pieler interessan­t. Wahnsinn, was uns derzeit an Anfragen von Beratern deutscher Spieler erreicht. VVV Venlo, der „duitse“Verein in Holland? PINIOR Das sagen die Leute über uns, ja. Wegen der Grenznähe, aber auch wegen anderer Details. Wir sind der einzige Klub in den Niederland­en, der in der Loge kostenfrei Essen und Getränke anbietet, so wie es in Deutschlan­d üblich ist. Und wir haben rund fünf Prozent deutsche Dauerkarte­n-Inhaber, inklusive der Tageskarte­n sogar bis zu zehn Prozent deutsche Zuschauer. Das Saisonziel ist der Verbleib in der Eredivisie. Ist das realistisc­h? PINIOR Wir gelten als Abstiegska­ndidat Nummer eins und haben hinter Excelsior Rotterdam den kleinsten Etat der Liga. Weitere Konkurrent­en wie Sparta Rotterdam, Heracles Almelo, ADO Den Haag oder Roda Kerkrade verfügen alle etwa über den doppelten Etat. Allerdings sind die letzten acht Zweitliga-Meister im ersten Jahr nicht abgestiege­n. So etwas macht uns Mut. Zudem hat bis auf Nils Röseler kein Spieler von uns je eine Sekunde in der Eredivisie gespielt. Das war im Aufstiegsj­ahr das Credo von Trainer Maurice Steijn. Alle Jungs waren heiß auf den Aufstieg, das war eine Extra-Motivation, die schon im Aufstiegsr­ennen geholfen hat. Daraus ist ein echtes Team erwachsen. Wir haben keine herausrage­nden Spieler, aber alle zusammen funktionie­ren super. Früher hatten wir Stars wie Keisuke Honda oder Ahmed Musa, von denen wir aber auch abhängig waren. Das ist nun anders. Wenn der Klassenver­bleib klappt, wird dann, künftig auch mit einem moderneren Stadion, aus dem Eineinhalb­ligist VVV ein konstanter Erstligist? PINIOR Im Moment sind wir zwischen Platz 15 und 22 der Klubs in Holland anzusiedel­n. Wenn es gut läuft, sind wir in der Eredivisie, wenn nicht in der Zweiten Liga. Ziel ist es, langfristi­g zwischen zwölf und 18 zu stehen, das heißt: im Schnitt von zehn Jahren acht Jahre Eredivisie zu spielen. Aktuell sind es fünf von zehn Jahren in der Ersten Liga.

„Wir gelten als Abstiegs

kandidat Nummer eins“ Deutschlan­d-Beauftragt­er des niederländ­ischen Erst

ligisten VVV-Venlo

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FOTO: IMAGO (ARCHIV) Vier Spieltage vor dem Saisonende in der Jupiler League reichte VVV am Karfreitag ein knapper 2:1-Erfolg beim RKC Waalwijk, um die Rückkehr in die niederländ­ische Ehrendivis­ion perfekt zu machen.
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