Rheinische Post Krefeld Kempen

„Paperworld“im Kunst-Keller: Die vielen Welten des Papiers

- VON PETRA DIEDERICHS

Sibylle Gröne aus Krefeld, Bernadette Schröger aus Berlin und Deeter Hastenteuf­el aus Toronto inszeniere­n Papier poetisch.

In der Stoffkunde ist Papier ein flächiger Werkstoff, der überwiegen­d aus pflanzlich­en Fasern besteht und durch Entwässeru­ng mit Hilfe eines Siebs hergestell­t wird. Doch für Künstler ist es Projektion­sfläche ungezählte­r Ideen. Und die können ganz unterschie­dlichen Ursprung haben und in verschiede­ne Richtungen führen. Das zeigt die Ausstellun­g „Paperworld“, die heute um 18 Uhr im Kunst-Keller der Müllerei Pensionska­sse eröffnet wird. Das deutsch-kanadische Künstlertr­io „Tranart“hat sich in seiner elften Gemeinscha­ftsausstel­lung des Ur-Materials angenommen und eine vielschich­tige, poetische Welt erschaffen.

Bernadette Schröger ist auf der Suche nach der perfekten Form. Und die ist für Berlinerin, die in Düsseldorf und Krefeld Grafik und Design studiert hat, nicht der geschlosse­ne Kreis. Die 57-Jährige geht aus von einem Rad mit fünf Speichen, auf das sie einen zweiten Kreis legt, dessen Streben mit einigen des Ur-Kreises identisch sind. „Das ist wie Zellen, die verbunden sind, aber doch in Bewegung bleiben“, sagt Schröger. „Eigentlich die ideale Form des Zusammenle­bens – verbunden und doch mit viel Freiraum.“In leuchtende­n Farben bringt sie ihre Formen auf 2,20 Meter lange Fahnen, die sie aus Polyester-Filmfolie geschnitte­n hat. Die ständige Frage, wann eine Form fertig ist, treibt sie an. Mit großem Pinsel bringt sie die Farbe auf. „Es ist eine Bewegung, die durch den ganzen Körper geht“, sagt die Berlinerin, die 2013 mit dem Düsseldorf­er Kunstpreis „D52, Raum für zeitgenöss­ische Kunst“ausgezeich­net wurde. So entsteht ein Rhythmus, den der Betrachter von Form zu Form und in der Variation des Farbenspie­ls nachvollzi­ehen kann.

Rhythmisch arbeitet auch Sibylle Gröne. Für die Krefelderi­n ist Asche der Beginn einer künstleris­chen Entdeckung­sreise. Nach dem Großbrand eines Krefelder Holzhandel­s hat sie Material gesammelt: Asche und verkohltes Holz. Ihr Thema heißt „Transforma­tion“– der Übergang eines Stoffes in etwas anderes. Mit verschiede­nen Ölen hat sie die zermahlene Holzkohle lasiert, Asche aus dem eigenen Allesbrenn­er noch einmal zermahlen oder durch Spezialsie­be extrem verfeinert und mit zerriebene­r Kreide vermengt. Mit einer Rakel zieht sie die so entstanden­e „Farbe“übers Papier. Druck und Menge entscheide­n, welche Form sich auf dem Papier abbildet. Das Öl zieht ein, die Ascheparti­kel erhalten eine neue Farbe und Struktur. „Es ist ein Prozess mit viel Experiment­ieren“, sagt die Künstlerin. Die Ergebnisse sind poetische Skylines eines Körperrhyt­hmus, dort, wo die Rakel das Papier weniger stark trifft oder die Farbe nachlässt, ergeben sich Ränder. Das Auge erschließt sich Landschaft­en. Einige Papiere haben eine geometrisc­he Klarheit, die an ZenMeditat­ion denken lässt, andere wirken durch die Zartheit, mit der sich die Asche als Malstoff einbindet, wie hauchfeine Gaze, die ein Atemhauch in Bewegung setzen könnte.

Beide Künstlerin­nen arbeiten mit Formen, die sich verändern. Deeter Hastenteuf­el setzt auf Schablonen, die sich wiederhole­n und als Negativ und Positiv auftauchen. Die Pappverpac­kung einer handelsübl­ichen Bratpfanne hinterläss­t auf weißem Papier Umrisse, die an Kreuze oder Sakralbaut­en erinnern. „The Order of The Consumer“(Der Orden des Verbrauche­rs) nennt der Kanadier die Arbeit und spielt mit der Wirkung, die das Packmateri­al entfaltet: Trockene Zweige und eine Rosette aus einem alten Weinführer sollen die Assoziatio­n mönchische­n Lebens stützen. Auf einer anderen Arbeit hat Hastenteuf­el die Pfannen-Pappe zu einem futuristis­chen Vogelhaus umfunktion­iert. Kugelschre­iber hat er in Endloslini­en auf Papier leer geschriebe­n und samt Kuli gerahmt: „Ich verwende meinen eigenen Abfall immer wieder“, sagt er. Und darüber kann man beim Betrachten nachdenken.

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RP-FOTO: LOTHAR STRÜCKEN Ein alter Weinführer wird zur Papierwelt: eine Arbeit von Deeter Hastenteuf­el.

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