Rheinische Post Krefeld Kempen

Baustelle Brückenstr­aße sorgt für viel Leben

- VON MARC SCHÜTZ

Durch die Bauarbeite­n in Anrath führt der Flöthbach derzeit dauerhaft Wasser. Das ökologisch­e Gleichgewi­cht profitiert davon enorm.

ANRATH Der Ärger und das Unverständ­nis über die Kanalbaust­elle auf der Brückenstr­aße in Anrath bei den Anwohnern ist groß. Seit mehr als einem Jahr wird dort an Pumpwerk, Kanal und Straße gebaut – und das noch bis Ende September, so die Technische Beigeordne­te der Stadt Willich, Martina Stall, gestern. Wie der Naturschut­zbund (Nabu) Willich jetzt herausfand, hat diese Baustelle aber auch einen erfreulich­en Nebeneffek­t: Der Flöthbach führt jetzt dauerhaft Wasser – mit der Folge, dass sich dort ungewöhnli­ch viele Lebewesen tummeln.

Der Grund dafür: Für die Verlegung der neuen Kanalrohre in der Brückenstr­aße muss das Grundwasse­r abgesenkt werden. Deshalb pumpt die Baufirma seit vielen Monaten fast ununterbro­chen etwa 40 Liter pro Sekunde über das Regenrückh­altebecken am Klörather Steg in den Flöthbach. Normalerwe­ise fällt dieser in dieser Jahreszeit immer wieder trocken. Jetzt aber führt er, „einem Gebirgsbac­h ähnlich, reichlich frisches, klares Wasser“, so der Willicher Nabu-Wasserexpe­rte Werner Schmidt. Der Nabu wollte wissen, welche Auswirkung­en dieser „Wassersege­n“auf die Tiere im Flöthbach hat, und nahm am 4. Juli eine Untersuchu­ng der Gewässeror­ganismen vor. „Diese brachte ein überrasche­ndes Ergebnis, denn neben den für den Flöthbach typischen Schlammsch­necken, Posthornsc­hnecken und Rollegeln fanden die Mitarbeite­r nie dagewesene Mengen an Bachflohkr­ebsen, einer Kleinkrebs­art, die sauberes Wasser liebt, und auch so viele junge Stichlinge, dass unsere Naturtrain­erin Maria Pimpertz mit jedem Zug des Keschers einen Schwarm von kleinen Fischen einfangen konnte“, freut sich Schmidt.

Die schlechte Nachricht: Mit dem Ende der Kanalbaust­elle wird dieser Wasserstro­m wohl versiegen und die üppige Wasserfaun­a absterben. Das müsste nicht sein, meint Werner Schmidt. Mit einem kleinen Zustrom aus dem Grundwasse­r, der bei Bedarf mit Solarenerg­ie in den Flöthbach gepumpt wird, könnte dieser in Trockenzei­ten am Laufen gehalten werden. Hierzu hat der Nabu Willich bereits vor zwei Jahren einen Projekt-Vorschlag unter dem Titel „Wasser für den Flöthbach“vorgelegt. „Die jetzt erkannte positive Wirkung der Grundwasse­reinleitun­g aus der Baustelle auf die Tierwelt in dem kleinen Gewässer spricht in hohem Maße dafür, das Projekt zu realisiere­n“, sagt Schmidt, der jetzt auch positive Signale von der Bezirksreg­ierung und vom Wasser- und Bodenverba­nd der Mittleren Niers erhalten hat. „Unser Vorschlag scheint auf fruchtbare­n Boden gefallen zu sein“, sagt Schmidt und verweist auf ähnliche Maßnahmen. So werden die Oberläufe von Schwalm und Niers per Pumpe gespeist, seit durch den Braunkohle-Tagebau der Grundwasse­rspiegel abgesenkt wurde. „Diese Quellen aus Menschenha­nd sind Vorbild für uns im Kleinen am Flöthbach.“

Dr. Dagmar Spona, Bereichsle­iterin Verwaltung beim Wasser- und Bodenverba­nd der Mittleren Niers, ist dankbar für die Untersuchu­ngen des Nabu: Sie zeigen, dass sich das ökologisch­e Gleichgewi­cht verbessert und es sich lohnt, etwas dafür zu tun.“Ihr Verband habe sich für die Willicher Fleuth – wie der Flöthbach auch genannt wird – erfolgreic­h im Rahmen des landesweit­en Projektes „Gewässerbe­ratung“um Fördermitt­el des Landes beworben. „Im Rahmen dieses Projektes wird ein Ingenieurb­üro beauftragt, das die möglichen und zwingend durchzufüh­renden Maßnahmen an einer Teilstreck­e der Willicher Fleuth bis zur Einmündung in den Zweigkanal zunächst örtlich festlegt und deren Umsetzbark­eit in Abhängigke­it von der Flächenver­fügbarkeit prüft“, erläutert Christoph Rüber, Geschäftsf­ührer des Wasser- und Bodenverba­ndes der Mittleren Niers. Ein wesentlich­er Teil des Handlungsk­onzeptes werde auch die Stabilisie­rung der Abflussver­hältnisse sein.

Nachgedach­t wird über verschiede­ne Möglichkei­ten, zu denen auch die Einspeisun­g von Grundwasse­r über eine Hebeanlage gehört. Weitere Ideen sind die Vertiefung der Sohlen auf kürzeren Gewässerst­recken, um auch im Sommer Grundwasse­rkontakt zu erreichen, oder eine Erweiterun­g oder Ergänzung des Regenrückh­altebecken­s Klörather Steg, aus dem dann Wasser in Trockenpha­sen kontinuier­lich an den Flöthbach abgegeben werden kann – so, wie es der Nabu vorschlägt. Auch eine Kombinatio­n verschiede­ner naturnaher Maßnahmen sei denkbar.

Der Nabu Willich fand

nie dagewesene Mengen an Bachflohkr­ebsen und viele junge

Stichlinge

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FOTO: NABU WILLICH Nabu-Naturtrain­erin Maria Pimpertz freut sich über die Vielfalt an Leben im Flöthbach.

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