Rheinische Post Krefeld Kempen

Kajakfahre­n für Anfänger

- VON SABRINA STEIGER

Die Erft ist ein langer, ruhiger Fluss – es sind also Kraft und Ausdauer gefragt zwischen Bergheim und Bedburg. Trotzdem stellt sich Anfängern im Lauf der Fahrt die bange Frage: Schaffe ich das?

BERGHEIM Um 11 Uhr treffen sich alle, die an diesem Sonntagmor­gen auf die Erft wollen, an der Zieveriche­r Mühle in Bergheim. Eine kurze Einweisung vom Tourguide – Tiere und Pflanzen bitte in Ruhe lassen –, und dann steigen wir in Zweier-Kajaks. Alles, was nicht nass werden darf, haben wir in großen Plastikton­nen verstaut, die im Boot festgeschn­allt werden. Der Sohn, sieben Jahre, fährt mit mir, die zehnjährig­e Tochter mit meinem Mann. Mit Schwung legen wir ab – und landen direkt ein paar Meter weiter in der Uferböschu­ng.

Das Steuern will gelernt sein: Rechte Seite, um nach links zu fahren, linke Seite, um nach rechts zu kommen. Geradeaus geht es mit gleichmäßi­gem Wechselsch­lag. Nach ein paar Minuten haben wir den Dreh ganz gut raus, bleiben dem Ufer fern und nehmen nicht mehr jeden herunterhä­ngenden Ast mit. Dafür sitze ich schon längst in zentimeter­tiefem Wasser. „Das ist ein Wasserspor­t, da darf man auch nass werden“, lauteten die Worte des Guides. Die Jeans saugen sich schön voll – hier wäre eine schnell trocknende Leggings das Kleidungss­tück der Wahl gewesen.

So, wie bei der Gruppe vor uns, die den Boots- zum Badeausflu­g macht und mit voller Absicht ins Wasser platscht, zumindest die Kinder. Wir überholen kurzzeitig, liefern uns ein kleines Rennen mit dem Rest der Familie und genießen die ungewohnte Fortbewegu­ngsart. „Können wir hier nächsten Sonntag wieder hin?“, fragt mein Sohn, „dann machen wir die lange Tour.“Wir fahren an diesem Tag zehn Kilometer von Zieverich die Erft flussabwär­ts. Das Flüsschen entspringt im Ahr-Gebirge, durchfließ­t den Kreis Euskirchen sowie den Rhein-ErftKreis und den Rhein-Kreis Neuss, ehe es bei NeussGriml­inghausen in den Rhein mündet.

Eine Dreivierte­lstunde später: Der Sohn will aussteigen. Längst haben uns alle anderen Boote überholt. Ach was, wir sehen sie noch nicht mal mehr. Ich frage Tourguide Niklas, wie weit es noch zum Wehr ist. Dort sollen wir anlegen und das Kajak auf die andere Seite tragen. „Das war jetzt die Hälfte.“Die Hälfte? Vom ersten Teil? Aber es nützt ja nichts. Aussteigen geht nicht: Die Ufer sind Naturschut­zgebiet. Also weiter paddeln – links und rechts und links und rechts. Ab und zu eine Brücke, ein Angler, der uns freundlich zuwinkt, und einmal sogar ein Schwanenpa­ar mit Nachwuchs. Wer es mit Entschleun­igung ernst meint, muss auf die Erft.

Und dann, endlich, das rettende Wehr. Früher, in der Schule, sagte der Sportlehre­r nach meinen Langstreck­enläufen immer nur „angekommen“. Meine Zeiten lagen außerhalb jeder Wertung. Daran muss ich jetzt denken. „Die sind ja langsamer als die Strömung“, frotzelt ein Mitfahrer, als wir endlich in Sicht kommen. Endlich gibt es eine Pause. Danach erklärt sich auch mein Sohn zur Weiterfahr­t bereit, aber nur mit der Aussicht, jetzt

„Die sind ja langsamer als die Strömung“, frotzelt ein Mitfahrer

beim Papa im Boot sitzen zu dürfen. Zum Glück ist das letzte Stück bis Bedburg-Broich deutlich kürzer. Und es ist kurzweilig­er. Während mein Mann die kleinen Stromschne­llen mit dem richtigen Geist nimmt –„Besser, ich sag’ denen, wo’s lang geht, als die mir“– knallen meine Tochter und ich sofort mit der Breitseite gegen einen Brückenpfe­iler. „Mama, du hast mir das Leben gerettet!“, ruft sie. Wie sie darauf kommt, weiß ich nicht, aber zumindest halten die Boote, was vorher versproche­n wurde: Sie können praktisch nicht umkippen.

Fortan fahren wir allerdings rückwärts. Alle Versuche, zu drehen, enden dank der jetzt doch deutlich stärkeren Strömung im gegenüberl­iegenden Ufer. Da muss meine Tochter mit beiden Armen ein besonders fieses Gestrüpp von ihrem Gesicht fernhalten – schon ist das Paddel weg. Die Tourguides sammeln es ein und uns gleich mit: Die letzten fünf Minuten werden wir gezogen. Trotz dieser Demütigung –„Mama, das hätten wir jetzt auch noch geschafft!“– lächelt die Tochter. Der Sohn auch – er hat die Schussfahr­t mit dem Papa genossen. Mein Mann ist entspannt, weil er ein paar Stunden überhaupt nicht an Arbeit gedacht hat. Und ich? Angekommen.

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FOTOS: BERND ROSENBAUM Kajakfahre­n ist Wasserspor­t: Nass werden gehört dazu. Mit etwas Übung gelingt auch das Steuern.
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Friedliche Koexistenz: Paddler und Angler an der Erft.
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