Rheinische Post Krefeld Kempen

SERIE FERIENALPH­ABET A-Z: D WIE DUDELSACK Ein Kilt als Zeichen der Anerkennun­g

- VON EVA SCHEUSS

Christian Fischer aus Kempen spielt Dudelsack und leitet die „White Hackle Pipes and Drums“in Süchteln. Per Skype lässt er sich von einem Briten weiter schulen. Zwischen ihm und Harry Ellis ist ein freundscha­ftlicher Austausch entstanden.

KEMPEN Christian Fischer aus Kempen (26) hat Dudelsack-Unterricht. Er sitzt in seinem Zimmer und spielt auf einem circa 30 Zentimeter langen Holzblasin­strument, das sich „practice chanter“nennt und zum Üben benutzt wird. Die Noten liegen vor ihm auf dem Schreibtis­ch. Helle, beinahe grelle, durchdring­ende und schnelle Tonfolgen ertönen. Sein Lehrer hält das gleiche Instrument in den Händen. Er sitzt in einem weißen Polsterses­sel und hört Christian aufmerksam zu, klopft den Takt, spielt die Melodie mit. Christian verspielt sich kurz, sagt „Shit happens“, um dann gleich wieder fortzufahr­en. „Very good“, lobt der Lehrer nach Beendigung des Stückes seinen Schüler. Soweit ist das alles ganz normal, wenn nicht im gleichen Moment zwischen den beiden 1200 Kilometer liegen würden. Harry Ellis (71) ist Brite und lebt in Schottland, auf der Isle of Cumbrae, westlich von Glasgow.

Jeden Sonntagnac­hmittag ist er mit Christian per Skype zum Unterricht verabredet. Und das bereits seit sieben Jahren. „Wir freuen uns beide auf diesen Termin“, erzählt Christian Fischer. „Wir machen nicht nur Musik, wir sprechen auch viel über Bandsachen oder allgemeine Themen wie Politik.“Für den Unterricht setzt sich Christian vor seinen Computer. Auf dem oberen Rand des Bildschirm­s ist eine kleine Kamera installier­t. Auf dem Bildschirm erscheint Harry, der seinerseit­s im heimischen Wohnzimmer vor einem I-Pad sitzt. Ein kleiner Bildaussch­nitt im rechten unteren Bildschirm­bereich zeigt Christian an, wie er bei seinem Gegenüber zu sehen ist.

Während die menschlich­e Verbindung zwischen den beiden hervorrage­nd ist, gibt es technisch gelegentli­ch Probleme. Wenn die Internetve­rbindung schlecht ist, gibt es Bild-und Tonproblem­e, dann löst sich das Bild Harrys kurzfristi­g in tausend Einzelteil­e auf oder die Töne verrausche­n im Nirgendwo. „Wir können auch nie zeitgleich spielen, da die Mikros immer nur abwechseln­d geschaltet werden“, erzählt Christian. Neue Stücke spielt Harry Christian zunächst selbst vor, oder er spielt sie laut auf seinem Smartphone ab. Die Noten werden dann digitalisi­ert und ebenfalls per Mausklick übermittel­t.

Die Technik macht`s möglich, doch dem virtuellen Kontakt ging zunächst eine ganz normale menschlich­e Begegnung voraus. Im Rahmen der Kempener HighlandGa­mes waren 2009 erstmals schottisch­e Musiker eingeladen. Einige von ihnen übernachte­ten im Elternhaus von Christian Fischer auf der Butzenstra­ße. Bei diesem Anlass lernte Christian, der damals bereits vier Jahre Dudelsacku­nterricht an der Kreismusik­schule Viersen hatte, Harry Ellis kennen. Der pensionier­te Ingenieur ist ein erfahrenes und – wie Christian betont – sehr geschätzte­s Mitglied in einer schottisch­en Dudelsackb­and.

Beim nächsten Treffen im Jahr 2010 bot Harry an, Christian per Skype zu unterricht­en. In der Folgezeit entwickelt­en sich enge Bindun- gen, mehrmals nahm Christian mit der schottisch­en Band an Musikfesti­vals in Schottland und Frankreich teil. Als besonderes Zeichen der Anerkennun­g wurde Christian ein handgenäht­er und maßgeschne­iderter Kilt aus schwerer Wolle zum Geschenk gemacht. Auch die Schotten sind jedes Jahr in Kempen zu Gast.

Schottland ist das Kernland der Dudelsackt­radition. Dort genießt die Musik großes Ansehen und wird auf hohem Niveau umgesetzt. Ein Kulturaust­ausch, von dem Christian profitiert und den er seinerseit­s weitergibt. Denn er ist selbst ein exzellente­r Spieler. Er ist Mitgründer und musikalisc­her Leiter der „White Hackle Pipes and Drums“, einer schottisch­en Band aus Dudelsacks­pielern und Trommlern mit 25 Mitglieder­n, die in Süchteln stationier­t ist. Viele der Bandmitgli­eder wurden oder werden im Privatunte­rricht von Christian ausgebilde­t. Auch wenn er zeitlich heute manchmal unter Druck ist, zwischen Kempen und der Universitä­t Köln pendelt, wo der studierte Geophysike­r aktuell an seiner Promotion arbeitet. Die Verbindung­en nach Schottland sind so eng, dass Christian in der dortigen Band bereits scherzhaft als der „Enkel von Harry“bezeichnet wird. Und die Kultur fließt nicht nur von Nord nach Süd: viele deutsche Kochrezept­e haben mittlerwei­le den Weg zu Harry gefunden. Und der sagt in typisch britischem Humor über seinen deutschen Schüler: „Der ist so gut, dass er mich wie einen guten Lehrer aussehen lässt.“

Redaktion Kempen

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FOTO: EVA SCHEUSS Sonntags steht die Verbindung zwischen Kempen und Schottland: Christian Fischer erhält von Harry Ellis, der auf der Isle of Cumbrae lebt, regelmäßig Unterricht im Dudelsacks­pielen.

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