Rheinische Post Krefeld Kempen
Klassisch: Streit um „Kikeriki“im Morgengrauen
Hühnerhaltung im Reihenhausgarten sorgt für Unmut in Forstwald. Nachbarn fühlen sich belästigt – und von der Verwaltung im Stich gelassen.
Bernd Grießer und Jürgen Fyen sind genervt: Seit rund zwei Jahren hält eine Nachbarin in ihrem schmalen Reihenhausgarten Zwerghühner – und den dazugehörigen Hahn, der morgens ab 4 Uhr mit lautem Krähen den Tag begrüßt. Zu früh, finden die Nachbarn. Und auch tagsüber stört der Gockel: „Man kann sich nicht mehr im Garten aufhalten und muss auch am Haus Fenster und Türen geschlossen halten“, ärgert sich Fyen, der oft im Home-Office arbeitet. Er hat das Gespräch mit der Nachbarin gesucht, aber, so berichtet er, „eine patzige Antwort“bekommen und den Hinweis, das sei ihre „Privatsache“. Grießer nennt die Geräuschkulisse „infernalisches Geschrei“und hat selber gar nicht erst den Versuch gemacht, mit der Tierhalterin ins Gespräch zu kommen, weil „eine Auseinandersetzung mit dieser Klientel nichts fruchtet“, wie er formuliert.
Mit dem Gefühl, dass die nach- barschaftliche Kommunikation zu dem Thema also nicht weiterführen würde, haben Grießer und Fyen sich mit vier Schreiben zwischen Februar und August 2016 an die Krefelder Bauaufsicht gewandt, den Sachverhalt geschildert und um Klärung gebeten, ob Hühnerhaltung und Hahnengeschrei in dem Wohngebiet nahe des Hochbendwegs erlaubt ist und geduldet werden muss. Auf eine Antwort zu ihrer Eingabe warten die beiden nach eigenen Angaben bis heute. Lediglich eine standardisierte Eingangsbestätigung sei ihnen zugestellt worden. Im Februar 2017 schrieb Grießer dann an OB Frank Meyer, auch hier blieb eine Antwort aus. „Wir wissen nicht, ob, wer und wann tätig geworden ist, das Verfahren bleibt völlig unklar“, sagt Grießer.
Auf Nachfrage unserer Redaktion teilte ein Stadtsprecher jetzt mit, die untere Immisionsschutzbehörde im Fachbereich Umwelt sei für die Entgegennahme von Beschwerden dieser Art zuständig. Im konkreten Fall sei ein Mitarbeiter des Fachbereichs im Juli 2016 zu einem Ortstermin in Forstwald gewesen und habe „die Halterin verpflichtet, die Hühner bis 6 Uhr morgens in einem blickdichten Stall zu halten“. Außerdem sei bei einer Ortsbesichtigung durch den Fachbereich Bauaufsicht in diesem Jahr keine genehmigungspflichtige bauliche Anlage vorgefunden worden. “Bis heute sind keine weiteren Beschwerden zu dieser Hühnerhaltung beim Fachbereich Umwelt eingegangen“, heißt es wei- ter. Für Grießer Zynismus: „Wir wussten ja bis dato nicht einmal, ob die Verwaltung überhaupt tätig geworden ist.“Auf Nachfrage bestätigt die Stadt, dass „für den Fachbereich Umwelt eine Beschwerde nach Anordnung wirksamer Maßnahmen erledigt ist“. Eine Unterrichtung des Beschwerdeführers sei nicht vorgesehen, jedoch werde eine Änderung des Verfahrens zurzeit verwaltungsintern diskutiert.
Generell sei „eine Hühnerhaltung – einschließlich Hahn - aus immissi- onsschutzrechtlicher Sicht zulässig, sofern sie so erfolgt, dass niemand mehr als nur geringfügig belästigt wird“. Zur Klärung sei, so die Auskunft der Stadt, vorrangig der Zivilrechtsweg zu beschreiten und Unterlassung vom Störer einzufordern. Vor einer Klage müsse ein Schlichtungsverfahren beim Schiedsgericht durchgeführt werden. Bei mehr als „geringfügiger Belästigung“sei dann die untere Immissionsschutzbehörde zuständig. Ergebnis der Überprüfungen könne aber eben auch sein, teilt die Stadt mit, „dass die Belästigung durch die Tierhaltung als gering eingestuft wird und somit vom Beschwerdeführer hinzunehmen ist“.
Der Hahn im Nachbargarten, berichten Grießer und Fyen übereinstimmend, krähe allerdings auch im Stall und eben deutlich vor sechs Uhr. Eine Studie der Nagoya University aus Japan erklärt, warum die von der Stadt verordnete Stallpflicht kaum Einfluss auf die Lärmkulisse im Reihenhausgarten haben dürfte. Denn, so schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt Current Biology: Für das morgendliche Kikeriki sind Licht und andere äußere Reize nicht nötig. Hähne, so hat die Studie ergeben, richten sich vielmehr nach ihrer inneren Uhr und krähen unabhängig von Lichtverhältnissen etwa zwei Stunden vor Sonnenaufgang.