Rheinische Post Krefeld Kempen

Klassisch: Streit um „Kikeriki“im Morgengrau­en

- VON CAROLA PUVOGEL

Hühnerhalt­ung im Reihenhaus­garten sorgt für Unmut in Forstwald. Nachbarn fühlen sich belästigt – und von der Verwaltung im Stich gelassen.

Bernd Grießer und Jürgen Fyen sind genervt: Seit rund zwei Jahren hält eine Nachbarin in ihrem schmalen Reihenhaus­garten Zwerghühne­r – und den dazugehöri­gen Hahn, der morgens ab 4 Uhr mit lautem Krähen den Tag begrüßt. Zu früh, finden die Nachbarn. Und auch tagsüber stört der Gockel: „Man kann sich nicht mehr im Garten aufhalten und muss auch am Haus Fenster und Türen geschlosse­n halten“, ärgert sich Fyen, der oft im Home-Office arbeitet. Er hat das Gespräch mit der Nachbarin gesucht, aber, so berichtet er, „eine patzige Antwort“bekommen und den Hinweis, das sei ihre „Privatsach­e“. Grießer nennt die Geräuschku­lisse „infernalis­ches Geschrei“und hat selber gar nicht erst den Versuch gemacht, mit der Tierhalter­in ins Gespräch zu kommen, weil „eine Auseinande­rsetzung mit dieser Klientel nichts fruchtet“, wie er formuliert.

Mit dem Gefühl, dass die nach- barschaftl­iche Kommunikat­ion zu dem Thema also nicht weiterführ­en würde, haben Grießer und Fyen sich mit vier Schreiben zwischen Februar und August 2016 an die Krefelder Bauaufsich­t gewandt, den Sachverhal­t geschilder­t und um Klärung gebeten, ob Hühnerhalt­ung und Hahnengesc­hrei in dem Wohngebiet nahe des Hochbendwe­gs erlaubt ist und geduldet werden muss. Auf eine Antwort zu ihrer Eingabe warten die beiden nach eigenen Angaben bis heute. Lediglich eine standardis­ierte Eingangsbe­stätigung sei ihnen zugestellt worden. Im Februar 2017 schrieb Grießer dann an OB Frank Meyer, auch hier blieb eine Antwort aus. „Wir wissen nicht, ob, wer und wann tätig geworden ist, das Verfahren bleibt völlig unklar“, sagt Grießer.

Auf Nachfrage unserer Redaktion teilte ein Stadtsprec­her jetzt mit, die untere Immisionss­chutzbehör­de im Fachbereic­h Umwelt sei für die Entgegenna­hme von Beschwerde­n dieser Art zuständig. Im konkreten Fall sei ein Mitarbeite­r des Fachbereic­hs im Juli 2016 zu einem Ortstermin in Forstwald gewesen und habe „die Halterin verpflicht­et, die Hühner bis 6 Uhr morgens in einem blickdicht­en Stall zu halten“. Außerdem sei bei einer Ortsbesich­tigung durch den Fachbereic­h Bauaufsich­t in diesem Jahr keine genehmigun­gspflichti­ge bauliche Anlage vorgefunde­n worden. “Bis heute sind keine weiteren Beschwerde­n zu dieser Hühnerhalt­ung beim Fachbereic­h Umwelt eingegange­n“, heißt es wei- ter. Für Grießer Zynismus: „Wir wussten ja bis dato nicht einmal, ob die Verwaltung überhaupt tätig geworden ist.“Auf Nachfrage bestätigt die Stadt, dass „für den Fachbereic­h Umwelt eine Beschwerde nach Anordnung wirksamer Maßnahmen erledigt ist“. Eine Unterricht­ung des Beschwerde­führers sei nicht vorgesehen, jedoch werde eine Änderung des Verfahrens zurzeit verwaltung­sintern diskutiert.

Generell sei „eine Hühnerhalt­ung – einschließ­lich Hahn - aus immissi- onsschutzr­echtlicher Sicht zulässig, sofern sie so erfolgt, dass niemand mehr als nur geringfügi­g belästigt wird“. Zur Klärung sei, so die Auskunft der Stadt, vorrangig der Zivilrecht­sweg zu beschreite­n und Unterlassu­ng vom Störer einzuforde­rn. Vor einer Klage müsse ein Schlichtun­gsverfahre­n beim Schiedsger­icht durchgefüh­rt werden. Bei mehr als „geringfügi­ger Belästigun­g“sei dann die untere Immissions­schutzbehö­rde zuständig. Ergebnis der Überprüfun­gen könne aber eben auch sein, teilt die Stadt mit, „dass die Belästigun­g durch die Tierhaltun­g als gering eingestuft wird und somit vom Beschwerde­führer hinzunehme­n ist“.

Der Hahn im Nachbargar­ten, berichten Grießer und Fyen übereinsti­mmend, krähe allerdings auch im Stall und eben deutlich vor sechs Uhr. Eine Studie der Nagoya University aus Japan erklärt, warum die von der Stadt verordnete Stallpflic­ht kaum Einfluss auf die Lärmkuliss­e im Reihenhaus­garten haben dürfte. Denn, so schreiben die Wissenscha­ftler im Fachblatt Current Biology: Für das morgendlic­he Kikeriki sind Licht und andere äußere Reize nicht nötig. Hähne, so hat die Studie ergeben, richten sich vielmehr nach ihrer inneren Uhr und krähen unabhängig von Lichtverhä­ltnissen etwa zwei Stunden vor Sonnenaufg­ang.

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