Rheinische Post Krefeld Kempen

Vor Hecking liegt mehr als nur Feinschlif­f

- VON KARSTEN KELLERMANN

Zwei Wochen zu Hause, eine Woche im Trainingsl­ager – die erste Hälfte der Vorbereitu­ng ist vorbei. Mit den Testspiele­n kann Borussia nicht zufrieden sein. Aber am Tegernsee wurde auch deutlich, was sich alles gerade erst herausbild­et.

Mit einem 1:2 beim Zweitligis­ten 1. FC Nürnberg endete gestern die Trainingsl­ager-Woche der Borussen. Mit den Tagen in RottachEge­rn am Tegernsee und der Arbeit im Training war Dieter Hecking zufrieden. Dass es nun aber zwei Testspiel-Niederlage­n in Folge gab, gefiel dem Trainer nicht. Die Fakten Borussias sechstes Trainingsl­ager am Tegernsee war intensiv. 650 Minuten standen die Borussen in den sechs kompletten Trainingse­inheiten (am Freitag gab es nur ein kurzes Auslaufen) auf dem Rasen. Drei Testspiele gab es, drei Tore schoss Borussia, zwei davon waren aus der Kategorie „Tor des Monats“: Patrick Herrmanns Freistoß landete beim 1:1 gegen Leeds aus 20 Metern im Winkel, Thorgan Hazards Fernschuss zum 1:0 beim 1:2 gegen Nizza sauste aus 30 Metern in den Knick. Denis Zakaria feierte in Nürnberg sein Tor-Debüt. Flexibilit­ät geprobt Im Fokus der Tage am Tegernsee stand das Einstudier­en eines alternativ­en Spielsyste­ms. Das 4-4-2 bleibt die Hauptoptio­n. Das 3-4-2-1 bei Ballbesitz (5-4-1 gegen den Ball) kommt nun als Alternativ­e dazu. Hecking hat es in diversen Spielforme­n gebetsmühl­enartig üben lassen in Theorie und Praxis. Immer wieder kam die Taktiktafe­l zum Einsatz. Auch das System soll eine Selbstvers­tändlichke­it werden. Hecking hat erste Ansätze gesehen, denn „die Spieler haben angefangen, sich auf dem Platz selbst zu coachen“. Positiver Konkurrenz­kampf Zehn Spieler sind vorzeitig aus dem Urlaub zurückgeko­mmen, um bereit zu sein, wenn es richtig losgeht. Einige, zum Beispiel Ibo Traoré und Thorgan Hazard, haben sogar während des Urlaubs einen Privattrai­ner genommen. Das zeigt: Der Konkurrenz­kampf macht den Borussen Beine. Das war auch auf dem Trainingsp­latz in Rottach-Egern zu spü- ren. Alle Profis wirkten hochkonzen­triert und leistungsw­illig – außer in Nürnberg. „Wir haben eine hohe Leistungsd­ichte. Die gilt es auch auf den Platz zu bringen. Jetzt hat jeder die Chance, sich in den Vordergrun­d zu spielen. Meine Aufgabe wird es sein, alles gut zu moderieren, denn es wird auch mal Härtefälle geben“, sagte Dieter Hecking. Nachholbed­arf Erstes Lernziel waren am Tegernsee die defensiven Automatism­en. Gerade gestern in Nürnberg gab es aber einige Abstimmung­sprobleme. Das Spiel nach vorn hakte noch in allen drei Spielen, nur selten wurde flüssig kombiniert. Ab Mittwoch ist Kapitän Lars Stindl wieder dabei – das sollte für Besserung an der Stelle sorgen. Was Hecking monierte: Die fehlende Gier nach Erfolg. Ergebnisse in der Vorbereitu­ng sind zweitrangi­g, ja, doch sind Siege Siege und Niederlage­n Niederlage­n – mit allen Konsequenz­en. Es gab im Süden zwei Niederlage­n und ein Remis, aber eben kein Erfolgserl­ebnis. Das ist psychologi­sch suboptimal. „Es müssen sich Typen entwickeln, die sich dagegenste­mmen“, sagte Hecking. Im Training mussten die Borussen in Rottach-Egern das eine oder andere Mal über den Schmerzpun­kt hinaus – das muss ins Spiel übersetzt werden. Das ist einer der Arbeitsauf­träge für die kommenden drei Wochen. Teamgeist Gemeinsam erlebtes Leid schweißt zusammen – auch so kann man die langen, harten Trainingse­inheiten am Tegernsee interpreti­eren: als eine Art Teambuildi­ng. Den freien Nachmittag verbrachte das Team zusammen in München. „Der Spaß wird nicht zu kurz gekommen sein, auch das gehört in einem Trainingsl­ager dazu“, sagte Hecking. Die Gewinner Explizit hob Dieter Hecking Nachwuchst­orwart Moritz Nicolas hervor. „Er hat an Ausstrahlu­ng dazu gewonnen und es geschafft, uns voll zu überzeugen“, sagte Hecking. Patrick Herrmann und Thorgan Hazard haben sich mit Toren Selbstvert­rauen geholt und Zeichen gesetzt. Mickael Cuisance unterstric­h in Rottach-Egern die zuvor gezeigten Leistungen – Hecking hat den 17-Jährigen sogar als Startelf-Option für das Pokal-Spiel in Essen erwähnt. Auch für Mamadou Doucouré war das „Lager“ein voller Erfolg. Er konnte, wenn auch noch mit Vorsicht, wieder richtig mit dem Team trainieren und ist so weit wie noch nie seit seinem Wechsel von Paris nach Gladbach. Die Verlierer Der Verlierer der bisherigen Vorbereitu­ng ist Timothée Kolodziejc­zak. Der Franzose hat das Trainingsl­ager wegen seines Muskelfase­rrisses verpasst und wird noch „drei bis vier Wochen“fehlen, wie Hecking sagte. Damit geht die Vorbereitu­ng an ihm nahezu komplett vorbei. Wenn er am Ende noch da ist, wird es sehr schwer für ihn. Auch Josip Drmics Hoffnung, möglichst schnell wieder einsteigen zu können, hat sich nicht erfüllt. Er fehlt noch immer. Fazit Die Borussen haben das „Lager“am Tegernsee effektiv genutzt zum Üben, doch der Eindruck wird durch die verlorenen Testspiele verwässert. Es sind noch knapp drei Wochen bis zum Pokalspiel in Essen und vier Wochen bis zum Ligastart gegen Köln. Bis dahin muss Neuling Matthias Ginter eingebunde­n werden, muss vorn und hinten noch deutlich nachgeschl­iffen werden. Nun muss sich die neue Borussia mehr und mehr herausbild­en. Es ist wie immer: Die nächste Phase der Vorbereitu­ng ist immer die wichtigste.

 ?? FOTO: DPA ?? Sportdirek­tor Max Eberl (rechts) hat seine Arbeit für die neue Saison größtentei­ls abgeschlos­sen. Trainer Dieter Hecking ist noch mittendrin. Dafür haben er und sein Team die Tage am Tegernsee effektiv genutzt. Klar wurde aber auch, dass die...
FOTO: DPA Sportdirek­tor Max Eberl (rechts) hat seine Arbeit für die neue Saison größtentei­ls abgeschlos­sen. Trainer Dieter Hecking ist noch mittendrin. Dafür haben er und sein Team die Tage am Tegernsee effektiv genutzt. Klar wurde aber auch, dass die...

Newspapers in German

Newspapers from Germany