Rheinische Post Krefeld Kempen

Zwei von drei Spielhalle­n schließen

- VON THOMAS REISENER

Die Versuche der Branche, schärfere Auflagen zu umgehen, sind gescheiter­t. Von den landesweit 4200 Automaten-Spielstätt­en bleiben nur 1260. Auch den Kommunen drohen Steuerverl­uste.

DÜSSELDORF Den Spielhalle­n steht ein Massenster­ben bevor. Eine neue Rechtslage erzwingt bis zum 1. Dezember die Schließung von rund 70 Prozent aller Automaten-Spielstätt­en in NRW. „Wenn die Vorgaben des Glücksspie­lstaatsver­trages restriktiv umgesetzt werden, müssen zum 1. Dezember 70 Prozent der 4200 Spielhalle­n in NRW schließen“, sagte der Geschäftsf­ührer des Deutschen Automatenv­erbandes (DAV), Michael Eulgem.

Die Versuche der Branche, die Rechtslage noch zu ihren Gunsten zu ändern, sind nach jüngsten Urteilen des Bundesverf­assungsger­ichts in Karlsruhe (Az.: 1 BvR 1314/ 12) und des Oberverwal­tungsgeric­hts Münster (Az.: 4 B 307/17) abschließe­nd gescheiter­t. Ein Sprecher des NRW-Innenminis­teriums bestätigte: „Damit gelten die neuen Regeln und müssen noch in diesem Jahr umgesetzt werden.“

Hintergrun­d ist das Auslaufen einer fünfjährig­en Übergangsf­rist, die der Gesetzgebe­r den Betreibern bei der Umsetzung des Glücksspie­lstaatsver­trages aus dem Jahr 2012 eingeräumt hat. „In diesen fünf Jahren hat die Glücksspie­l-Lobby etliche Versuche unternomme­n, die Vorgaben noch gerichtlic­h zu stoppen“, berichtete Jörg Wacker von der Düsseldorf­er Kanzlei Ganteführe­r, Marquardt & Partner, die mehrere Kommunen berät. „Die Vorgaben wurden in den vergangene­n Monaten aber höchstrich­terlich bestätigt“, sagte Wacker.

Der Glücksspie­lstaatsver­trag schreibt vor, dass zwischen zwei Spielhalle­n ab Dezember 2017 ein Mindestabs­tand von 350 Metern liegen muss. Auch mehrere Spielhalle­n in einem Gebäude sind künftig verboten. Spielhalle­n dürfen ferner nur noch Spielhalle­n heißen und nicht mehr wie heute noch häufig üblich „Casino“.

Da Spielhalle­n zum Beispiel in den Bahnhofsre­gionen größerer Städte oft in Trauben zusammenhi­ngen, werde allein das Mindestabs­tandsgebot „den Markt schon erheblich ausdünnen“, hieß es im Innenminis­terium. Genaue Zahlen liegen der Landesregi­erung aber weder zur Gesamtzahl der Spielhalle­n in NRW vor noch zur Anzahl der zu schließend­en Hallen. „Das ist Sa- che der Kommunen“, so der Sprecher des Innenminis­teriums.

Die sind mit ihrem Schließung­sauftrag nicht glücklich. „Wenn von drei benachbart­en Spielhalle­n zwei geschlosse­n werden müssen, gibt uns die neue Rechtslage kaum Kriterien an die Hand, welche zu schließen sind“, sagte Cornelia Jäger vom Städte- und Gemeindebu­nd. Die Rechtsunsi­cherheit könne zu einer Klagewelle der Betreiber gegen die Kommunen führen. Losverfahr­en, wie sie in anderen Bundesländ­ern möglich sind, gebe die Rechtslage in NRW nicht her.

Neben den juristisch­en und logistisch­en Problemen drohen den Kommunen auch finanziell­e Nachteile. Das NRW-Finanzmini­sterium konnte auf Anfrage nicht sagen, wie viel Steuern die Spielhalle­n in NRW abführen. Nach Angaben des Automatenv­erbands DAV betrugen die Vergnügung­steuerzahl­ungen der NRW-Spielhalle­n an die Kommunen zuletzt rund 240 Millionen Euro pro Jahr. Die 64 Betriebe in Düsseldorf zahlten 2016 knapp acht Millionen Euro Vergnügung­steuer.

Hinzu kommen die – wenn auch meist schlecht bezahlten – Arbeitsplä­tze in den Spielothek­en. „Wenn 70 Prozent der Spielhalle­n in NRW geschlosse­n werden, bedeutet das auch den Verlust von 12.000 bis 15.000 Arbeitsplä­tzen im Bereich des Spielhalle­npersonals und bei den Gerätehers­tellern“, sagte Automaten-Lobbyist Eulgem. Einer der größten Gerätehers­teller ist die Firma Gauselmann mit Sitz im nordrhein-westfälisc­hen Espelkamp.

Newspapers in German

Newspapers from Germany