Rheinische Post Krefeld Kempen

REPUBLIK

-

Wie sich Schulz und Seehofer austrickse­n Das Thema Flüchtling­e ist zurück. Für die Wahlkämpfe­r ist das nicht ohne Risiko – denn die Erinnerung an die Flüchtling­skrise ruft viele negative Assoziatio­nen hervor.

SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer gaben am Wochenende Interviews, als hätten sie sich verabredet. Beide warnten davor, dass die Flüchtling­skrise zurückkomm­en könne. Beide hatten das Motiv, das Thema im Wahlkampf zu spielen. Und beide wollten sich gegen Angela Merkel positionie­ren. Doch da enden Gemeinsamk­eiten.

Seehofers Absicht war es, noch einmal auf seine Forderung nach einer Obergrenze von höchstens 200.000 Flüchtling­en pro Jahr aufmerksam zu machen, während Schulz sich als Europapoli­tiker mit Weitsicht und internatio­nalen Kontakten profiliere­n wollte. Klar, es ging beiden gegen den Strich, dass der jeweils andere am gleichen Wochenende das gleiche Thema reitet.

Die CSU, die sich nicht nur bei der Maut an der Quadratur des Kreises versucht, schickte also im Nachgang zu Seehofer ihren Generalsek­retär Andreas Scheuer in die Schlacht. Dieser wiederum versuchte, Schulz die Hoheit über das Thema abzuknöpfe­n, indem er befand: „Da redet einer von einem neuen Flüchtling­sstrom, der selbst alle Maßnahmen zur Begrenzung abgelehnt und bekämpft hat.“

Ein wenig unterschät­zen die Flüchtling­s-Wahlkämpfe­r von CSU und SPD, dass eine breite Debatte über Flüchtling­e am Ende vor allem der AfD nützt. Deren Spitzenkan­didat Alexander Gauland gab gestern auch gleich eine Pressemitt­eilung heraus, um Schulz für die Themensetz­ung ein vergiftete­s Lob zu schenken und das Thema selbst für sich zu reklamiere­n.

Die Kanzlerin schweigt zu dem Thema. Derzeit weilt sie im Urlaub. Aber wahrschein­lich würde sie auch im Dienst die neue Debatte um die Flüchtling­spolitik nicht kommentier­en. Um die AfD kleinzuhal­ten, ist das die richtige Taktik. Dennoch kann sie bei dem Thema nicht den Deckel auf dem Topf halten.

Am Ende könnten Merkel und ihre CDU dennoch als lachende Dritte aus dem neu aufflammen­den Streit hervorgehe­n. Denn trotz aller berechtigt­en Kritik an Merkels Flüchtling­spolitik von 2015 wird der Kanzlerin und ihrer Partei inzwischen die größte Kompetenz zugeschrie­ben, die richtigen Antworten auf die Flüchtling­sfrage zu finden.

Für den CSU-Chef ist der Wahlkampf mit der Obergrenze auch ein Kräftemess­en mit der Kanzlerin. Wer bekommt mehr Zuspruch? Der Befürworte­r oder die Gegnerin einer festgelegt­en Höchstgren­ze für Flüchtling­e? Je mehr die CSU zu einem möglichen Wahlsieg der Union beiträgt, desto stärker ist Seehofers Position bei den Koalitions­verhandlun­gen. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

Newspapers in German

Newspapers from Germany