Rheinische Post Krefeld Kempen
Lehrerchef will gedruckte Schulbücher abschaffen
Der Präsident des Lehrerverbandes über die digitale Schule und das sinkende Bildungsniveau von Abiturienten.
BERLIN Für die Digitalisierung der Schulen hat der Chef des Deutschen Lehrerverbandes (DL) eine engere Zusammenarbeit von Bund und Ländern gefordert. „Ich würde es begrüßen, wenn der Bund den Schulen für einzelne wichtige Projekte wie zum Beispiel bei der Digitalisierung unkompliziert Geld geben kann“, sagte Heinz-Peter Meidinger unserer Redaktion. „Es wäre gut, wenn wir bei der Kooperation zwischen Bund und Ländern mehr Flexibilität hätten“, betonte er. Die Unabhängigkeit der Länder in der Schulpolitik und der Bildungsföde- ralismus insgesamt seien dadurch nicht gefährdet.
Meidinger, der seit dem 1. Juli den Deutschen Lehrerverband als Dachorganisation von 160.000 Lehrern deutschlandweit führt, wünscht sich für das Thema Verantwortung bei Bund und Ländern. „Für die Digitalisierung der Schulen wäre es sinnvoll, wenn der Bund die Ausstattung mitfinanziert, während die Länder und Kommunen die personellen Ressourcen für die Wartung der Technik mit einem professionellen IT-Service übernehmen.“
Aus Sicht Meidingers, selbst Gymnasialdirektor, werden die Schulen heute mit der Technik zu sehr allein gelassen. An 80 Prozent der Schulen müssten die Lehrer die Computer und schulischen Netzwerke warten, bemängelte er. „Das ist nicht hinnehmbar. Ein Drittel der Geräte, die an Schulen stehen, funktionieren jeweils nicht, wie eine interne Umfrage unseres Verbandes unter Schulleitern ergeben hat.“
Inhaltlich sieht Meidinger durch die Digitalisierung „massive“Veränderungen auf die Schulen zukommen. „Auf Schulbücher in der jetzigen Form werden wir in Zukunft verzichten können, was nicht heißt, dass es nicht digitale Nachfolgemedien geben wird“, betonte er. Eine Revolutionierung des Lernens werde aber nicht stattfinden. „Der Lernprozess an sich, also sich etwas anzueignen, wird mühsam bleiben.“Ob man mit dem Tablet oder mit Karteikarten lerne – der Aufwand bleibe ähnlich. Auch der Lehrer als Vermittler des Wissens bleibe zentral. Er müsse weiter den Input geben und für den kritischen Meinungsaustausch und bei Rückfragen zur Verfügung stehen. Das könne keine Technik übernehmen.
Meidinger äußerte sich zudem zur Studierfähigkeit von Abiturienten. Diese sehe er kritisch. Er verweist auf eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, wonach die Studierbereitschaft bei G 8-Abiturienten geringer sei als bei G 9-Abiturienten. „Während bei G 9Abiturienten rund 80 Prozent eines Jahrgangs innerhalb von fünf Jahren ein Studium aufnehmen, ist dies bei G 8 nur zu 70 Prozent der Fall“, betonte der Lehrerverbandschef.
Studienberechtigung und Studienbefähigung klafften heute weiter auseinander als früher. „Daran ist aber nicht nur G 8 schuld. Auch die höhere Quote der Studienberechtigten in einem Jahrgang sorgt für ein sinkendes Niveau.“Die höchste Quote an Abbrechern gibt es bei Studierenden ohne Abitur, die über einen beruflichen Weg ihre Studienberechtigung erlangt hätten.