Rheinische Post Krefeld Kempen

ANALYSE Wer

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für Asylanträg­e zuständig ist, definiert die komplizier­te Dublin-III-Regel. Bei vielen Flüchtling­en müssten demnach eigentlich andere EU-Länder die Anträge prüfen. Bis heute gibt es kein faires Verteilsys­tem in der Union.

ge österreich­ische Kanzler Werner Faymann bat die deutsche Kanzlerin eindringli­ch, die Flüchtling­e aufzunehme­n. Merkel telefonier­te mit Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier und SPD-Chef Sigmar Gabriel. Steinmeier­s Außenamt wollte die rechtliche Lage prüfen. Seine Juristen signalisie­rten im Laufe des Abends, dass eine Übernahme der Flüchtling­e nicht gegen geltendes europäisch­es Recht verstoße. Wie bekannt erreichte Merkel CSU-Chef Horst Seehofer an diesem Abend nicht. Er hatte sein Handy ausgestell­t.

Rückblicke­nd werden Merkel zwei Fehler vorgeworfe­n. In den hektischen Stunden der Entscheidu­ng versäumte sie es, zentrale europäisch­e Partner wie Frankreich und Italien zu informiere­n. Dass es ihr bis heute nicht gelungen ist, eine europäisch­e Lösung mit einem fairen Verteilsys­tem für Flüchtling­e zu installier­en, geht mit auf diesen 4. September zurück. Als Merkel am nächsten Tag mit Seehofer telefonier­te, kritisiert­e dieser ihre Entscheidu­ng und warnte, man werde den „Pfropfen“nicht mehr auf die Flasche bekommen.

Dass Seehofer mit dieser Warnung über Monate Recht behielt, hängt mit Merkels zweitem Fehler zusammen. Sie kommunizie­rte nicht klar, dass es sich bei der Rettung der Flüchtling­e um eine einmalige Aktion handeln sollte. Sie versäumte es auch, nach dieser „Ausnahme“, wie Kanzleramt­sminister Peter Altmaier die Aktion bezeichnet­e, die Bremse anzuziehen. Vielmehr tolerierte sie das Prinzip des „Durchwinke­ns“, das die Luxemburge­r Richter als regelwidri­g ansehen. In der Folge konnte die Flüchtling­skrise eingedämmt, aber nicht gelöst werden, daher ist sie noch eine Hypothek für den Wahlkampf.

Seehofer nannte die Entscheidu­ng Merkels später rechtswidr­ig. „Es ist eine Herrschaft des Unrechts“, sagte er. Das hat der Europäisch­e Gerichtsho­f zurückgewi­esen. EU-Mitglieder dürfen sich solidarisc­h erklären und Flüchtling­e aufnehmen, für die sie eigentlich gar nicht zuständig sind, sagen die Richter. Das steht so auch schon in der DublinIII-Regel. Und in der Einschätzu­ng der Juristen des Auswärtige­n Amts.

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