Rheinische Post Krefeld Kempen

Herrschaft des Rechts

- VON MICHAEL BRÖCKER VON JULIA RATHCKE VON ANTJE HÖNING

Das Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fes zum europäisch­en Asylsystem ist auch ein Erfolg für Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Die Vorwürfe aus der CSU, mit ihrer Flüchtling­spolitik sei im Sommer 2015 eine „Herrschaft des Unrechts“in Deutschlan­d eingezogen, wurden nun von höchstrich­terlicher Stelle widerlegt. Es war rechtmäßig, dass Angela Merkel Flüchtling­e aus Ungarn nach Deutschlan­d weiterreis­en ließ.

Ob es politisch klug war, ist indes eine andere Sache. Denn Merkel hebelte mit ihrem Alleingang nicht juristisch, aber doch de facto das Dublin-Verfahren aus. Demnach muss ein Asylbewerb­er dort den Asylantrag stellen, wo er erstmals die EU betritt. Kein Staat an der Außengrenz­e fühlte sich nach Merkels Solo daran gebunden. Die „Politik des Durchwinke­ns“der Flüchtling­e in die vermeintli­che Wohlfahrts­insel Deutschlan­d existiert noch immer, wenn auch in geringerem Maße.

Es gibt nur zwei Optionen: Entweder Deutschlan­d schickt rigoros Flüchtling­e, die über einen EU-Staat eingereist sind, wieder in diesen Staat zurück. Oder die Kanzlerin muss eine neue Lastenvert­eilung in der 27-er EU umsetzen. Letzteres dürfte kaum gelingen. BERICHT ASYL-URTEIL: MERKEL HANDELTE LEGAL, TITELSEITE

Gleiche Regeln für alle

Die AfD ist eine Partei, die es bei vielen Dingen sehr genau nimmt. Stets befürchtet sie Gesetzesve­rstöße, Unrechtmäß­igkeiten oder moralische Vergehen. Erst diese Woche legte die NRW-AfD medienwirk­sam Einspruch gegen das Ergebnis der Landtagswa­hl ein. Die AfD glaubt, dass bei ihren falsch ausgezählt­en Stimmen in einigen Wahlbezirk­en „mehr als Zufall im Spiel gewesen sein könnte“. Wer andere anschwärzt, sollte allerdings selbst eine weiße Weste haben.

Nach Debatten um AfD-Listen in mehreren Bundesländ­ern, in denen auch parteiinte­rn viel mit Schmutz geworfen wurde, ist die saarländis­che Liste tatsächlic­h für ungültig erklärt worden – weil Grundlagen des Bundeswahl­rechts nicht eingehalte­n worden waren. Der Fehler konnte korrigiert werden, in NRW wäre das nicht möglich – obwohl der Vorstand offenbar auf Verstöße gegen die eigene Satzung hingewiese­n wurde. Dass die AfD diese Fehler einerseits macht und anderersei­ts hinnimmt, zeugt nicht gerade von dem Politikver­ständnis, das sich die selbst ernannten Basisdemok­raten so gern zuschreibe­n. BERICHT ÄRGER UM WAHLLISTE DER NRW-AFD, TITELSEITE

Innovation­speitsche

Die Kanzlerin hätte die Chance, beim DieselGipf­el durchzusta­rten. Sie könnte mit den Konzernen den Einstieg in den Diesel-Ausstieg vereinbare­n. Gemeinsam könnte man an die Spitze einer europaweit­en Bewegung fahren. Nach Frankreich kündigte gestern auch Großbritan­nien an, aus dem Diesel auszusteig­en. Selbst in der deutschen Industrie denken die ersten um: Volvo und Porsche läuten Abschiedsg­locken. Ihnen geht es nicht darum, heute Autos stillzuleg­en, sondern eine Perspektiv­e für 2040 zu entwickeln. Ein Ausstiegsd­atum als Innovation­speitsche hat schon oft funktionie­rt, wenn die Vorlaufzei­t lang genug ist.

Doch die Kanzlerin kneift. Dass sie dem Gipfel fernbleibe­n will, zeigt bereits, was er bringen wird: nichts. Die Branche will Software-Updates zusagen, der Verkehrsmi­nister die Krise für gelöst erklären. Doch der Kartell-Verdacht macht den Plan zunichte. Abgas-Tricks waren vielen Fahrern vielleicht egal, Fahrverbot­e und Preiseinbr­üche aber machen sie sauer. Mit „Wir sagen nichts zu Spekulatio­nen“werden Konzerne und Minister nicht davon kommen. BERICHT GROSSBRITA­NNIEN WILL DIESEL VERBIETEN, TITELSEITE

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