Rheinische Post Krefeld Kempen
Eskalation auf engstem Raum
In „The Party“inszeniert die Britin Sally Potter böse Wortgefechte unter Freunden. Bald knallen nicht nur die Champagnerkorken.
Da ist gleich diese Spannung im Raum. Eine nervöse Beklommenheit, die gar nicht zum Anlass passt. Janet hat es doch geschafft. Nach so vielen Jahren des politischen Kampfes und der gehobenen Strippenzieherei ist sie Gesundheitsministerin geworden. Ein richtig hohes Tier. In einem Alter, da andere ans Aufhören denken, steht sie am Höhepunkt ihrer Karriere. Doch während die Ministerin in der Küche Schnittchen bereitet, ihr Handy ständig klingelt, Gratulanten vorsprechen,
Mit jedem Klingeln an der Tür führt Potter dem
Kammerspiel neue Spannungselemente zu
sitzt der Ehemann schweigend im Wohnzimmer, legt nostalgische Platten auf, trinkt schweren Rotwein und kommt auch nicht aus der Deckung, als nun nach und nach die engsten Freunde eintrudeln. Etwas wird sich entladen an diesem Spätnachmittag, das ist klar, als die ersten Champagnerkorken knallen.
In Schwarz-Weiß inszeniert die britische Regisseurin Sally Potter ihr scharfzüngiges Kammerspiel „The Party“. Dieser ästhetische Kniff hebt die Geschichte aus der Gegenwart heraus. Brexit, Neuwahlen, Tagespolitik spielen keine Rolle. Wohl aber die Selbstgefälligkeit des linken Establishments in England. Ein Milieu, das Potter kennt. Es geht um Menschen, die schon etwas erreicht und sich dafür ein wenig verbogen haben. Es geht um Ehrgeiz und Ideale, um das Verhältnis von Mann und Frau und um Lebenslügen. Natürlich. Um die ganz besonders.
Auf britische Art wird das bei dieser Party in bissigen Wortgefechten ausgehandelt. Jeder Dialog ein Duell, die Fronten wechseln. Kristin Scott Thomas ist großartig als triumphierende Ministerin Janet, die ihre Genugtuung kaum verbergen kann. Und sie hat prächtige Gegenspieler: Patricia Clarkson etwa als beste Freundin April, die ihre Glückwünsche mit bösartigen Sticheleien spickt. Oder Bruno Ganz, der als Aprils deutscher Lebensgefährte ins Wohnzimmer trottet, das listige Lächeln des Althippies aufsetzt und jede Menge esoterischer Sprüche parat hat, bis auch seine Stunde gekommen ist.
Mit jedem Klingeln an der Tür führt Sally Potter ihrem Kammerspiel neue Spannungselemente zu. Bald ist auch Janets linke Weggefährtin zu Gast, eine ältere Professorin, die mit einer sehr viel jüngeren Frau zusammenlebt und auch etwas verkünden wird: das Paar erwartet Drillinge. Plötzlich steht auch ein Ungeladener vor der Tür, der Mann von Janets Assistentin, ein aufgedrehter Banker, der auf der Toilette kokst und mit einer Knarre hantiert. Irgendwann geht es also um das Allergrundsätzlichste, um Leben und Tod. Aber erst kommen noch ein paar Runden Lebensbeichten.
Das alles ereignet sich in Janets Haus, zwischen Küche, Wohnzimmer und Klo. Witz und Drama dieser Tragikomödie entwickeln sich allein aus dem, was gesprochen wird, hochkonzentriert, wie im Theater. Und das ist keineswegs ein Nachteil für das Kino. Wie reizvoll es für Regisseure ist, emotionale Aus- brüche in räumliche Enge hineinzuinszenieren, hat schon Roman Polanski in „Der Gott des Gemetzels“vorgemacht. Unerbittlich zeichnet er auf, wie in beengter Lage eine angespannte Situation zwischen nervösen Menschen eskaliert. Aus Polanskis Labor gibt es kein Entrinnen, erst ganz zum Schluss fliegt die Kamera hinunter in den Park, wo das Unheil seinen Anfang nahm.
Auch Potter genießt den begrenzten Raum, lässt wie in einem gläsernen Squash-Käfig die Bälle fliegen zwischen Menschen, die eigentlich aus festlichem Anlass gekommen sind und ihre Freundschaft feiern wollen, dafür aber zu viel Groll in sich tragen. Potter inszeniert überdrehter als Polanski, ohne Scheu vor Slapstick. Das macht ihren Film weniger mitleidlos, weniger bitter. Allerdings bleibt diese Party ein böses Schauspiel, dem man mit der Distanz eines Zoowärters zusieht, der gerade Mäuse ins Schlangengehege geworfen hat. Potter legt ein hohes Tempo vor, findet einen guten Rhythmus für den Wechsel von langsamer Erregung, Aggressionsausbruch und der kurzen Melancholie danach.
In Janets Wohnzimmer gehen Gewitter nieder, jeder bekommt seinen donnernden Auftritt. Das läuft alles nicht überraschend ab, aber dynamisch, sarkastisch, gemein. Die altlinken Kämpfer sind ein Leben lang für die gerechte Sache eingetreten, für die Rechte der Frauen und die Gesundheitsversorgung der kleinen Leute. Nun wähnen sie sich als bessere Menschen. Natürlich klafft ein Abgrund zwischen Selbstverständnis und Wirklichkeit, und aus dem krabbelt einiges zu Tage.
„The Party“ist eine knisternde Komödie, aufgeladen mit so viel negativer Energie, dass das Wetterleuchten mit der ersten Sekunde beginnt. Ein toller Film für einen Sommerabend.
Großbritannien 2017 – Regie: Sally Potter mit Kristin Scott Thomas, Timothy Spall, Patricia Clarkson, Bruno Ganz, Cillian Murphy, 68 Min.
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