Rheinische Post Krefeld Kempen

SERIE FERIENALPH­ABET: L WIE LIVEMUSIK Als Deutsche das jiddische Erbe pflegen

- VON EVA SCHEUSS

Die Grefrather Geigerin Ute Bernstein, ihr Mann, der Gitarrist Achim Lüdecke, und der Akkordeoni­st Peter Hohlweger aus Nettetal widmen sich als Trio Bernshteyn der jiddischen Klezmermus­ik.

OEDT Sie nennen sich „bernshteyn“, das ist die jiddische Schreibwei­se von Ute Bernsteins Nachnamen. Die Geigerin bildet gemeinsam mit ihrem Ehemann Achim Lüdecke an der Gitarre und Peter Hohlweger am Akkordeon ein Trio, das sich ganz der Klezmer-Musik verschrieb­en hat. Und dem Live-Auftritt: „Es gibt keine CD von uns“, erzählt Ute Bernstein beim Treffen in der großen gemütliche­n Wohnküche des Ehepaares in Grefrath-Oedt. „Wir haben es mal mit Aufnahmen versucht, doch nach dem fünften Versuch waren wir so verkrampft, dass man das hörte“, fügt Achim Lüdecke hinzu. Und dabei sei es dann geblieben.

Kleine Ausschnitt­e ihrer Musik finden sich auf der Website („http:// www.bernshteyn.de“). Ansonsten gilt es, einen Live-Auftritt zu erwischen, wie letztens beim Straßenmus­ikfestival in Grefrath. Eine temperamen­tvolle, mitreißend­e, fröhlich-melancholi­sche Melange wird da geboten, Musik, die authentisc­h und frei wirkt. Doch wie kommt eine Gruppe aus deutschen Musikern dazu, Klezmer-Musik zu machen? Denn das ist die Musik der aschkenasi­schen, also ursprüngli­ch deutschstä­mmigen Juden Osteuropas. Kleine Gruppen von Musikanten spielten in den jüdischen Schtetl, also Städtchen, bei Festen wie Hochzeiten oder Bar-MitzwaFeie­rn auf, eine Tradition, die mit dem Holocaust ein brutales Ende fand. Ein Schlüssele­rlebnis für Ute Bernstein, die eigentlich in der Klas- sik beheimatet ist, war das Konzert des weltbekann­ten Klezmermus­ikers Giora Feidman in der Kempener Paterskirc­he im Jahr 1996. Die Musik des argentinis­chen Klarinetti­sten berührte Ute Bernstein zutiefst. „Ich war wie von Sinnen“, erinnert sie sich. „Ute ist Giora Feidman nach dem Konzert hinterherg­elaufen wie ein Groupie, um ein Autogramm zu erhalten“, erinnert sich ihr Ehemann. In der Folgezeit fuhr die Geigerin zu einem eigentlich ausgebucht­en Meisterkur­s des Musikers nach Heek ins Münsterlan­d, während ihr Ehemann zu Hause die vier kleinen Kinder hüten musste. „Nur Giora Feidman persönlich schickt mich hier weg“, lautete ihr Entschluss. Er tat es nicht, nahm sie in den Kurs mit auf und ermutigte sie auf dem musikalisc­hen Weg. „Spiel Du es nur“, sagte er zu ihr. Wieder zu Hause konnte Ute ihren Mann mit ihrer Begeisteru­ng anstecken. Der spielte von Jugend an Gitarre und übernahm nun auch den Gesangspar­t.

Ute selbst stammt aus einer traditions­reichen und hochangese­henen Musikerfam­ilie in der ehemaligen DDR. Ihr Vater war Kantor an der Peterskirc­he in Leipzig. Wegen der christlich­en Haltung der Familie durfte Ute Bernstein weder Abitur machen, noch Musik studieren. „Aber ich hatte halt immer sehr hochwertig­en Geigenunte­rricht“, sagt sie.

Gemeinsam mit dem Saxophonis­ten Rüdiger Pechan gab es 1998 das erste Konzert der Gruppe. Seit 2014 ist Peter Hohlweger aus Nettetal mit dem Akkordeon dabei. Doch trotz aller Fortbildun­gen und Seminare blieb die Unsicherhe­it: „Wie können wir diese Musik machen, ohne jemanden zu verletzen?“, fragten sie sich immer wieder, insbesonde­re im Hinblick auf die eigene deutsche Herkunft. Als Bestätigun­g und eine Art „Ritterschl­ag“empfanden sie es daher, als die Direktorin der jüdischen Gemeinde in Riga nach dem Auftritt 2009 ins Gästebuch schrieb: „Das war eine abwechslun­gsreiche, lustige und, ich würde sagen, jüdische Vorstellun­g. Unser tief empfundene­r Dank für die Musiker!“

Ein besonderes Markenzeic­hen des Trios ist die Verbindung von Musik und Lyrik. Ute Bernstein moderiert das Programm und bindet poetische Elemente ein, „ich kann mir jedes Gedicht fast sofort merken“, sagt sie. Es sind Texte, die den Ausdruck der Musik verstärken und unterstütz­en, etwa von Mascha Kaléko oder Michael Ende. Aktuell sind es Texte und Gedichte des 2005 verstorben­en niederrhei­nischen Kabarettis­ten und Liedermach­ers Hanns Dieter Hüsch. „Er ist unendlich nah dran am Weinen und am Lachen, wie die Klezmer-Musik auch“, sagt Ute Bernstein.

 ?? FOTO: BERNSHTEYN ?? Peter Hohlweger (links), Ute Bernstein und Achim Lüdecke spielen als Trio „Bernshteyn“zusammen jiddische Klezmermus­ik. Die drei Musiker sind ausschließ­lich als Live-Musiker zu hören, von ihnen gibt es keine Aufnahmen.
FOTO: BERNSHTEYN Peter Hohlweger (links), Ute Bernstein und Achim Lüdecke spielen als Trio „Bernshteyn“zusammen jiddische Klezmermus­ik. Die drei Musiker sind ausschließ­lich als Live-Musiker zu hören, von ihnen gibt es keine Aufnahmen.

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