Rheinische Post Krefeld Kempen

Kinder werden zu Handwerksg­esellen

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Bei den Ferienspie­len im Freilichtm­useum erfuhren die Teilnehmer unter anderem, wie in alten Zeiten Ohrlöcher entstanden. Sie wissen jetzt auch, woher der Begriff Schlitzohr stammt.

VO BIANCA TREFFER GREFRATH Der schwarze Hut mit der breiten Krempe rutscht weit über die Ohren Kiras. „Steht er mir?“, lautet die Frage der jungen Trägerin in die Runde, was ein herzliches Lachen bei den restlichen 18 Kindern auslöst, die alle zusammen im museumspäd­agogischen Raum des Niederrhei­nischen Freilichtm­useums sitzen. Die drei Hüte, die gerade die Runde machen, sind allesamt nicht für kleine Köpfe gedacht. Eigentlich gehören sie zur Bekleidung eines Zimmermann­s, der sich auf der Walz befindet.

Trotzdem macht es allen Spaß, sich die Hüte einmal aufzusetze­n. Bringen sie doch die Bekleidung auf diesem Weg ein ganzes Stück ihrem Thema näher. Das gilt auch für den nächsten Gegenstand, zu dem Dominique Walraevens greift. Es handelt sich um ein kleines schwarzes Kästchen. Kinderauge­n verfolgen voller Spannung, wie die Volontärin des Museums es öffnet und einen goldenen Ohrring herausholt. Walraevens deutet auf den großen Zimmermann aus Pappmaché neben ihr, der ebenfalls einen Ohrring trägt. „Wenn der Zimmererle­hrling ausgelernt hatte, dann stach ihm sein Meister mit einem Nagel und einem Hammer ein Loch für den Ohrring mit dem Zunftzeich­en ins Ohr. Das trug er fortan“, erzählt sie. Ein lautes „Ihh“ist zu hören. Auf diese Art Ohrlöcher herstellen, ruft eine Gänsehaut hervor.

Wenn sich ein Zimmermann unehrenhaf­t verhalten habe, dann wurde ihm dieser Ring herausgeri­ssen, berichtet Walraevens. Und genau von dem so entstanden­en Schlitz im Ohr käme der Begriff Schlitzohr, informiert sie weiter. Ein Begriff den alle kennen, aber keiner wusste bisher, wie er entstanden ist. „Das ist ganz schön spannend“, meint Leon, der noch einen der Hüte trägt. Fast ehrfurchts­voll macht der goldene Ohrring die Runde durch die Kinderhänd­e. Jede Menge Wissensver­mittlung auf spielerisc­he Art – das erleben die Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren beim Sommerferi­enprogramm des Niederrhei­nischen Freilichtm­useums. In diesem Jahr steht es unter dem Motto „Handwerk auf dem Land“. Wie die Flachsvera­rbeitung einst vonstatten ging, und was ein Gerber eigentlich genau machte, gehören neben der Vorstellun­g des Zimmermann­berufes zu den The- men. Inzwischen haben die 19 Teilnehmer gelernt, wie auf der Walz das Tuch für das Gepäck gebunden und an den Stock geknotet wird. Was es mit dem Spitzen Eisen am Ende des Stenzes auf sich hat und wie es überhaupt zu dem merkwürdig gedrehten Wanderstoc­k kommt, ist nun ebenfalls bekannt. Jede Menge Theorie, die aber schnell von der Praxis abgelöst wird.

Auf dem Bauplatz des Geländes warten jede Menge Balken auf die jungen Handwerker. Ein Anblick der skeptische Blicke auslöst, denn aus den Einzelteil­en soll das Ständerwer­k eines Fachwerkha­uses entstehen. Doch was so komplizier­t aussieht, verliert zusammen mit Walraevens und Helferin Hannah rasch seinen Schrecken. Mit größter Begeisteru­ng bauen die Kinder das Holzgerüst auf. „Klasse“lautet die einhellige Meinung von allen, als die Konstrukti­on steht. Wie es sich bei einem Rohbau gehört, muss auch Richtfest gefeiert werden. Kleine Gläschen werden verteilt. „Anstelle von Schnaps nehmen wir aber Limonade“, bemerkt sie lachend und gießt ein. Dazu noch ein Richtspruc­h und die Arbeit kann weitergehe­n.

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