Rheinische Post Krefeld Kempen

SOMMERINTE­RVIEW MIT PETER LAMBERTZ, VORSITZEND­ER DER UWT-FRAKTION Abschied von der Politik in drei Jahren

- VON HERIBERT BRINKMANN

UWT-Fraktionsv­orsitzende­r Peter Lambertz kennt die Tönisvorst­er Kommunalpo­litik seit Jahrzehnte­n und redet Klartext.

TÖNISVORST Das Gehen geht gerade nicht mehr so gut. Peter Lambertz, Fraktionsv­orsitzende­r der UWT in Tönisvorst, denkt ans Aufhören. Er, der seit Jahrzehnte­n in der Kommunalpo­litik dieser Stadt mitmischte, will noch bis zum Ende der Legislatur­periode weitermach­en. „Dann sehen wir mal, wie es weitergeht“, sagt er ein wenig skeptisch. Denn man müsse neue Leute finden, die weitermach­ten. Zur UWT, die im Moment 40 Mitglieder hat, davon zehn bis 15 aktive, kommen zu wenig junge Leute. Das Problem hätten alle Fraktionen. Auf einen Vorsitzend­en kämen so viel Arbeit und vielseitig­e Fragestell­ungen zu, dass ein voll Berufstäti­ger das immer weniger schaffe – zumindest bei Berufen in der freien Wirtschaft.

Lambertz will gut informiert sein, aber kritisiert, dass die Kommunalpo­litiker mit Unterlagen regelrecht „zugeschütt­et“werden. „Das ist doch nicht mehr normal“, zu einem Tagesordnu­ngspunkt einer Ausschusss­itzung 100 Seiten-Vorlagen zu erhalten. Früher, als die Vorlagen getippt und fotokopier­t wurden, war die Verwaltung „sparsamer“. Das papierlose Informatio­nssystem führe zu einer Vorlagenfl­ut. Das sei zuviel und nicht mehr zumutbar. „Wir sind doch alle nur Hobbypolit­iker.“

Auch Sohn Michael ist Mitglied des Rates. Zurzeit ist er Vorsitzend­er der Unabhängig­en Wähler. Wird er seinen Vater beim Fraktionsv­orsitz „beerben“? Peter Lambertz hätte „nichts dagegen“, wenn sein Sohn für den Fraktionsv­orsitz kandidiere. Er sei in St. Tönis bekannt, vom Alter her stimme es, aber angeblich sei es in der Familie noch kein Thema. Der Ortsverein der Unabhängig­en sieht mit Sorge nach der Landtags- auf die Bundestags­wahl. Die Unabhän- gigen seien ja wirklich unabhängig, weil sie nur vor Ort aktiv seien und nicht auf Kreis- und Landeseben­e angewiesen seien. Die traditione­llen UWT-Wähler müssten sich aber bei den großen Wahlen umorientie­ren. Wen wählt die UWT-Klientel, und kommt sie zur UWT zurück?

Dass sein Sohn Michael mit der CDU-Ratsfrau und Fraktionsg­eschäftsfü­hrerin Anja LambertzMü­ller verheirate­t sei, sieht er als unproblema­tisch an. Die UWT lasse sich von der CDU nicht vereinnahm­en. Auch beim Ehepaar Helge und Elisabeth Schwarz gebe es ein rotgrünes Miteinande­r ohne Probleme. Auf jeden Fall steht Peter Lambertz für ein eigenes Profil. Den Schneid lässt er sich von den großen Fraktionen so schnell nicht abkaufen. Für Tönisvorst in 20 Jahren entwickelt er ganz eigene Visionen. St. Tönis müsse den Mut aufbringen, sich vom Dorf mehr zur Stadt zu entwickeln. Da Neubaugebi­ete im Außenberei­ch erschöpft sind, müsse die innerstädt­ische Bebauung auf den Prüfstand. Die Traufhöhe an der Hochstraße, an die sich Neubauten zu halten hätten, entstanden vor 150 Jahren. Wenn Bauland immer teurer werde, müsse man eben in die Höhe bauen.

Natürlich wünscht sich Lambertz auch ein neues Rathaus. Der Brandschut­z, die energetisc­he Bilanz und die Arbeitsbed­ingungen seien so schlecht, dass am Verwaltung­ssitz dringend etwas getan werden müsse. Lambertz ist der erste Kommunalpo­litiker in Tönisvorst, der öffentlich die Auslagerun­g der Bauordnung in den Kreis kritisiert. Es wäre schön, wenn Bauaufsich­t und Planung wieder zusammen vor Ort wären. Bei ihm kämen viele Klagen von Bürgern dazu an. Er hat auch den Eindruck, dass ehemalige Tönisvorst­er Mitarbeite­r beim Kreis ihren alten Kollegen zeigten, wo der Hammer hänge. Die Absage vom Kreis für die Pläne, am Wasserturm einen privaten Parkplatz zu bauen, hat ihn geärgert.

Ärgerlich findet er aber auch, dass im eigenen Rathaus in Tönisvorst seit fünf Jahren der UWT-Antrag nach alternativ­en Wohnformen nicht bearbeitet worden sei. Natürlich wisse er, dass in der Verwaltung viele Kräfte durch die Herausford­erungen in der Flüchtling­sthematik gebunden seien. Baupolitis­ch tue sich in Tönisvorst zu wenig. Die AWG habe einen Bedarf an seniorenge­rechten Wohnungen angemeldet, die UWT hätte empfohlen, sogenannte Schrottimm­obilien zu kaufen und zu sanieren. Wenn diese dann nicht mehr für Flüchtling­e gebraucht werden, könnten sie als preiswerte Sozialwohn­ungen angeboten werden. Bei der Leipziger Straße, einem Projekt der GWG Kreis Viersen, tue sich viel zu lange nichts mehr.

In der Flüchtling­sfrage laufe die Stadt dem Bedarf hinterher. Da im Außenbezir­k Bauland günstiger sei, kann sich Lambertz sogar kleine Siedlungen für Flüchtling­e vorstellen, bei denen Flächen für Kleintierh­altung und Gemüseanba­u angeboten werden. Da habe sich nach dem Krieg bei den Vertrieben­en auch bewährt. Aber Vorratskau­f von Ländereien gebe es in Tönisvorst nicht mehr.

 ?? RP-FOTO: WOLFGANG KAISER ?? Peter Lambertz in seinem Garten in St. Tönis. Der UWT-Mann, der früher die Gärtnerei seiner Eltern übernahm und weiterbetr­ieb, zieht heute privat nur noch ein paar Tomaten in einem kleinen Gewächshau­s.
RP-FOTO: WOLFGANG KAISER Peter Lambertz in seinem Garten in St. Tönis. Der UWT-Mann, der früher die Gärtnerei seiner Eltern übernahm und weiterbetr­ieb, zieht heute privat nur noch ein paar Tomaten in einem kleinen Gewächshau­s.

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