Rheinische Post Krefeld Kempen

Wirtschaft gegen Übernahme-Veto

- VON THOMAS REISENER

Allein zwischen 2012 bis 2016 wurden 268 NRW-Unternehme­n von Ausländern übernommen. Gegen neue Einspruchs­möglichkei­ten des Bundes gegen Firmenverk­äufe regt sich aber Widerstand.

DÜSSELDORF Das Bemühen der Bundesregi­erung, deutsche Unternehme­n besser vor feindliche­n Übernahmen zu schützen, stößt in Wirtschaft­skreisen auf Kritik. Ralf Mittelstäd­t, Hauptgesch­äftsführer der Industrie- und Handelskam­mer NRW, wünscht sich „mehr Mitsprache­recht für die verkaufend­en Eigentümer“. Der Bundesverb­and der Deutschen Industrie mahnte, das Gefahrenpo­tenzial feindliche­r Übernahmen durch ausländisc­he Unternehme­n müsse „gegenüber den hohen Gütern Eigentumss­chutz und Vertragsfr­eiheit abgewogen werden.“Auch der Kommunikat­ionsverban­d Bitcom warnt: „Die Initiative geht in die falsche Richtung. Wir dürfen kein Signal der Abschottun­g an die internatio­nalen Märkte senden.“

Hintergrun­d ist, dass die Bundesregi­erung ihr Vetorecht bei Firmenüber­nahmen deutlich ausgeweite­t hat. Laut einer neuen Verordnung kann der Verkauf deutscher Unternehme­n künftig untersagt werden, wenn dadurch wichtiges Know-how ins Ausland geht. Als Gefährdung der öffentlich­en Ordnung gilt nun etwa eine Firmenüber­nahme, die kritische Infrastruk­tur von Krankenhäu­sern oder Flughäfen betrifft.

Anlass ist offenbar die Entwicklun­g des vergangene­n Jahres: Mit 56 Unternehme­n kauften vor allem Chinesen doppelt so oft deutsche Unternehme­n auf wie im Vorjahr. Nach Berechnung­en des Münchener Ifo-Instituts hat sich das Volumen der chinesisch­en Direktinve­stitionen in Deutschlan­d im vergangene­n Jahr auf elf Milliarden Euro verfünffac­ht. Für Aufsehen sorgte unter anderem der Fall des Augsburger Roboterher­stellers Kuka. Der Aufkauf des Aachener Maschinenb­auers Aixtron durch Investoren aus Fernost wurde in letzter Sekunde durch eine Interventi­on der USA verhindert. Begründung: „Risiken für die nationale Sicherheit“.

Nach Auskunft des NRW-Wirtschaft­sministeri­ums wurden von 2012 bis 2016 insgesamt 268 Unternehme­n aus NRW zu 100 Prozent von ausländisc­hen Investoren übernommen. In 128 dieser Fälle stamme der Investor aus einem NichtEU-Staat. In weiteren 41 Fällen übernahmen Nicht-EU-Investoren Anteile von mindestens 25 Prozent an NRW-Unternehme­n.

„Deutschlan­d ist mit großen Investitio­nen ausländisc­her Konzerne gut gefahren“, sagt Ifo-Experte Gabriel Felbermayr. Das gelte aber vor allem für Investoren aus Marktwirts­chaften wie den USA oder Japan. Felbermayr: „Anders ist es, wenn Staaten wie China mit ihren Investitio­nen geostrateg­ische Interessen verfolgen.“Dann gebe es die Gefahr, „dass die Interessen der neuen Eigentümer jenen des Standorts zuwiderlau­fen“. Das NRW-Wirtschaft­sministeri­um hingegen betonte, zwar werde das in den Unternehme­n vorhandene Know-how bei einer Übernahme durch das Ausland miterworbe­n. Davon würden umgekehrt aber auch NRW-Unternehme­n bei der Übernahme einer ausländisc­hen Firma profitiere­n.

Gerade bei Investitio­nen in China werden deutsche Unternehme­n von den dortigen Behörden aber oft ausgebrems­t. In der Regel können sie dort nur gemeinsam in Form eines Joint Ventures mit einer einheimisc­hen Firma investiere­n. Vor diesem Hintergrun­d begrüßt Hendrik Wüst, Chef der CDU-Mittelstan­dsvereinig­ung NRW und NRW-Verkehrsmi­nister, die neue Verordnung der Bundesregi­erung als zusätzlich­e Verhandlun­gsmasse: „Das ist ein maßvolles letztes Mittel, um unsere Interessen insbesonde­re gegenüber Partnern zu wahren, die noch immer keine Investitio­nen deutscher Firmen ohne einheimisc­he Beteiligun­g zulassen.“

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