Rheinische Post Krefeld Kempen

Hürdenspri­nt ins Rampenlich­t

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Pamela Dutkiewicz holt in einem furiosen Rennen über 100 Meter Hürden unerwartet die Bronzemeda­ille.

LONDON Ja, gab Pamela Dutkiewicz hinterher zu, sie habe sich vor dem Finale schon Jubelszene­n auf dem Podium ausgemalt. „Die Bilder habe ich aber schnell wieder weggeschob­en. Denn so funktionie­rt es nicht, sich voll aufs Rennen zu fokussiere­n“, sagte die Hürdenspri­nterin des TV Wattensche­id. Andersheru­m wurde aber ein Schuh draus, denn die 25-Jährige sicherte sich in einem furiosen Rennen Bronze über 100 Meter Hürden bei den Leichtathl­etik-Weltmeiste­rschaften in London und brauchte sich deswegen kein Podiums-Szenario mehr auszumalen, sondern durfte es bei der Siegerehru­ng ganz real erleben. „Ich bin so dankbar, dass ich alle meine Gedanken beisammen hatte. Besser hätte es nicht laufen können“, sagte sie.

Für Dutkiewicz ist der Sprint ins Rampenlich­t der Welt-Leichtathl­etik der vorläufige Höhepunkt eines sportliche­n Lebenslauf­s, bei dem ihr nicht immer alles in den Schoß fiel. Besonders der eigene Körper erwies sich jahrelang als Gegner der eigenen Bemühungen im Leistungss­port. Seit der Pubertät, seit dem Wechsel aus Baunatal ins Wattensche­ider Sportinter­nat 2007, so erzählte es Dutkiewicz unlängst einmal ganz offen, plagten sie Gewichtspr­obleme. Einmal habe sie mitgekrieg­t, wie sie ein Betreuer „die Pummelige“genannt habe. Dabei versuchte sie mit allen möglichen Tricks und Ernährungs­plänen, die Kilos in den Griff zu bekommen, doch lange ohne Erfolg. Sie habe immer Angst gehabt, was für ein Foto am nächsten Tag in der Zeitung abgedruckt werde und ob da irgendwo der Speck herausguck­e, verriet Dutkiewicz.

Es ist eine kleine Ironie des Schicksals, dass es erst einer schweren Verletzung bedurfte, damit sie merkte, wie sie ihren Körper kontrollie­ren kann. Bei der Deutschen Hallenmeis­terschaft 2015 in Karlsruhe knickte sie beim Auslaufen so unglücklic­h um, dass sie sich in beiden Sprunggele­nken alle möglichen Bänder riss. „Ich erinnere mich, wie ich da auf der Bahn liege und wie viele Kilos da zu viel rumliegen“, erklärte sie.

Die folgende, sechsmonat­ige Zwangspaus­e sollte sich indes als Glücksfall erweisen. Über Umwege gelangte sie an den ehemaligen Weltklasse-Schwimmer und heutigen Arzt Mark Warnecke, der inzwischen ein eigenes Ernährungs­programm vertreibt. Seine Methode schlug an, Dutkiewicz nahm zehn Kilo ab. Auch die Arbeit mit einer Sportpsych­ologin trug Früchte. Und so konnte sie, die viel Wert auf ihr Äußeres legt, sich fortan voll auf das Wesentlich­e vor einem Rennen konzentrie­ren: das Rennen selbst. „Im Sprint entscheide­t deine Körperspra­che. Wie trittst du auf? Was strahlst du aus?“, erklärt die Studentin der Technische­n Universitä­t Dortmund. Grundschul­lehrerin will sie einmal werden.

Doch erst einmal setzt die Tochter eines polnischen Ex-Fußballpro­fis und einer früheren polnischen 800Meter-Meisterin voll auf den Sport. Zu Recht, wie die Medaille von London zeigt, wo sie in einem hochklassi­gen Endlauf stärker eingeschät­zte Konkurrent­innen hinter sich lassen konnte. „Ich hatte mir ein Flow-Erlebnis gewünscht. Das kann man nicht steuern, es kommt selten vor“, sagte „Pam“, wie sie genannt wird, später. „Von außen habe ich die Hoffnung auf eine Medaille wahrgenomm­en. Aber ich glaube, ich bin damit gut umgegangen.“

Dutkiewicz’ Bronzemeda­ille sichert ihr auch deswegen eine große Resonanz, weil eine Medaille für deutsche Athleten in einer Laufdis- ziplin nach wie vor etwas Besonderes ist. Dass von den wenigen Medaillen, die für den Deutschen Leichtathl­etik-Verband (DLV) bei den internatio­nalen Großereign­issen abfallen, fast alle von Werfern, Kugelstoße­rn oder Springern geholt werden, hat der Zuschauer gelernt. Wenn es daher Edelmetall auf der Rundbahn gibt, ist das Aha umso größer, weil hier die globale Konkurrenz noch einmal eine ganz andere ist. Zum Hintergrun­d: In diesem Jahrzehnt ist Dutkiewicz’ Bronze erst die dritte Medaille für den DLV in einer Laufdiszip­lin bei WM oder Olympische­n Spielen. Vor ihr gewann Cindy Roleder bei der WM 2015 in Peking Silber über die 100 Meter Hürden, und Gesa Felicitas Krause stürmte im selben Jahr zu WM-Bronze über 3000 Meter Hindernis. Nun also gehören Dutkiewicz die Schlagzeil­en.

Und es ist auch durchaus davon auszugehen, dass Dutkiewicz diesmal ganz freudig gespannt war, was für Fotos von ihrem Auftritt in London in der Zeitung erscheinen würden.

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FOTO: DPA Ein großer Tag: Pamela Dutkiewicz feiert das Erfolgserl­ebnis von London mit der deutschen Fahne.

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