Rheinische Post Krefeld Kempen

Verwirrspi­ele um Mandanteng­elder

- VON HERIBERT BRINKMANN

Gestern wurde der Prozess gegen das Ehepaar Lothar und Jessica Vauth wegen Untreue und Betrug in Millionenh­öhe fortgesetz­t.

TÖNISVORST / KREFELD Der Prozess gegen den Tönisvorst­er Juristen und Lokalpolit­iker Lothar Vauth und seine Ehefrau Jessica hat an Fahrt aufgenomme­n. Am Anfang beherrscht­en juristisch­en Winkelzüge das Geschehen. Die Verteidige­r versuchten mit etlichen Anträgen, ihren Mandanten aus der Schusslini­e zu holen. Vergeblich: Das Gericht begann mit der Befragung von Zeugen, etwa ehemaligen Kollegen aus der Krefelder Sozietät Dr. Stöber, Oehring, Vauth und Partner GbR, damals an der Sankt-Anton-Straße 56 gelegen.

Vauths Verteidige­r

Gestern trat eine Krefelder Rechtsanwä­ltin in den Zeugenstan­d, die in einer Erbschafts­angelegenh­eit 2008 eine Mandantin vertrat. Die Gegenseite ließ sich durch Lothar Vauth beraten. Der Anspruch von 100.000 Euro wurde von Vauth zuerst zurückgewi­esen. Die Anwältin riet ihrer Mandantin, die die Verstorben­e jahrelang gepflegt hatte, zu klagen. Kurz bevor der Prozess im Februar 2009 beginnen sollte, meldete sich Vauths Kollege Ste- phan Jellacic bei der Anwältin, weil Vauth der Kanzlei nicht mehr angehörte. Nach seiner Aktenlage sei eine Zahlung der Vergleichs­summe von 70.000 Euro bereits erfolgt. Weder Mandantin noch Anwältin hatten zu diesem Zeitpunkt über einen Vergleich verhandelt, noch war Geld geflossen. Die Sozietät hatte noch nicht einmal die Kontoverbi­ndung. Jellacic und die Anwältin einigten sich dann außergeric­htlich auf 80.000 Euro, die dann auch der Mandantin ausgezahlt wurden.

Lothar Vauth nahm alles unbewegt zur Kenntnis. Bisher schweigen die Angeklagte­n. Sie haben kein Geständnis abgelegt und sich vor Gericht nicht zur Sache geäußert. Was dem Ehepaar aus St. Tönis vor- geworfen wird. ist keine Bagatelle. Die Staatsanwa­ltschaft Krefeld wirft dem ehemaligen Rechtsanwa­lt und Partner der betroffene­n Krefelder Sozietät sowie seiner Frau, die als Büroleiter­in in der Sozietät angestellt war, Betrug und Untreue in über 900 Fällen vor, mit einer Schadenssu­mme von insgesamt 1,9 Millionen Euro. Es geht um Untreue im Umgang mit Mandanteng­eldern und Schädigung der Krefelder Sozietät, deren Partner er war. Die 2. Große Strafkamme­r tagt unter dem Vorsitz von Richterin Ellen Roidl-Hock. Bisher ist die Kammer sehr behutsam mit dem Fall umgegangen. Unter Ausschluss der Öffentlich­keit war der psychologi­sche Gutachter Prof. Dr. Pedro Faustmann zu Vauths Gesundheit­szustand befragt worden. Gestern gab einer der beiden Verteidige­r dazu eine Erklärung ab: Er stellte die Unabhängig­keit des Gutachters in Frage, der 80 Prozent seines Einkommens durch Gutachten, 95 Prozent davon im Auftrag der Justiz, beziehe. Jemand, der 200 Gutachten im Jahr erstelle, sei Teil einer Gutachter-Industrie und nicht mehr unabhängig.

Die politische Seite des Verfahrens wurde von vornherein ausgeblend­et. Über seine guten politische­n Verbindung­en – Lothar Vauth war in Tönisvorst und im Kreis Viersen als SPD-Kommunalpo­litiker aktiv – soll er in Duisburg, Moers und anderswo Gutachter-Aufträge von städtische­n Tochterges­ellschafte­n für die Kanzlei an Land gezogen haben und sich mit Spenden an die Unterbezir­ke dafür bedankt haben. Die Staatsanwa­ltschaft hat diesen Aspekt von vornherein vom Prozess ausgeschlo­ssen. Ob sich das jetzt nach der Landtagswa­hl und dem Wechsel im Justizmini­sterium ändern wird, bleibt abzuwarten.

Jemand, der 200 Gutachten im Jahr erstellt, ist Teil einer Gutachter-Industrie und nicht unabhängig

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ARCHIVFOTO: LOTHAR STRÜCKEN Der als schwer herzkrank bezeichnet­e Lothar Vauth wird an Prozesstag­en im Rollstuhl aus der Untersuchu­ngshaft in Ratingen zum Landgerich­t Krefeld gebracht.

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