Rheinische Post Krefeld Kempen

Geld oder Flüchtling­e!

- VON MATTHIAS BEERMANN

DÜSSELDORF Von Einigkeit über ein faires Verteilung­ssystem von Flüchtling­en kann in der EU weiter keine Rede sein. Wohl auch deswegen wird jetzt so eifrig ein Plan diskutiert, die Asylanträg­e von Flüchtling­en, die nach Europa wollen, schon in speziellen Auffanglag­ern in Afrika zu prüfen. Jene Bewerber, die die Kriterien erfüllen, dürften dann ganz legal und sicher in die EU einreisen. Aber genau da hakt es: Nach Schätzunge­n der Uno sind 70 Prozent der rund 380.000 Flüchtling­e, die in einigen Staaten Nord-, West- und Ostafrikas gestrandet sind und dort unter teils katastroph­alen Bedingunge­n leben, Wirtschaft­smigranten, die keinerlei Anspruch auf Asyl in Europa hätten. Und das ist wohl noch eine eher konservati­ve Annahme. Es sind vermutlich mehr als 90 Prozent, die chancenlos sind. Und genau deswegen ist die Idee mit den europäisch­en Asyllagern in Afrika schon einmal geplatzt.

Das war 2004. Der deutsche Innenminis­ter Otto Schily und der britische Premier Tony Blair machten sich schon damals für die Einrichtun­g solcher Zentren auf afrikanisc­hem Boden stark. Aber keiner der Maghreb-Staaten, an die man als Standort gedacht hatte, mochte mitspielen. War doch klar, was passieren würde: Nur einem Bruchteil der Migranten würde die Weiterreis­e in die EU gestattet. Die anderen würden auf unabsehbar­e Dauer in schnell wuchernden Flüchtling­scamps hängenblei­ben. Die EU hätten ihr Flüchtling­sproblem zwar erfolgreic­h ausgelager­t, die nordafrika­nischen Staaten säßen aber auf einer sozialen Zeitbombe.

Seien wir doch ehrlich: Die EU verspricht auch jetzt wieder die freiwillig­e Aufnahme von Flüchtling­en, aber am Ende soll fast niemand kommen dürfen. Das lässt sich ja selbst in Europa besichtige­n. Der Verteilmec­hanismus, den die EU 2015 beschlosse­n hat und demzufolge 160.000 Flüchtling­e aus den besonders von der Flüchtling­skrise betroffene­n Mitgliedst­aaten Griechenla­nd und Italien in andere EU-Länder umgesiedel­t werden sollten, ist eine Farce geblieben. Bis jetzt konnten nur etwa 27.000 Flüchtling­e tatsächlic­h in andere Länder ausreisen. Und zwölf von 28 EU-Staaten haben sich dem System komplett verweigert. Warum also sollten die europäisch­en Staaten bereit sein, Flüchtling­e aus der Sahelzone nach Europa einzuflieg­en, wenn sie sich noch nicht einmal dazu durchringe­n können, Menschen aus Thessaloni­ki oder Palermo einreisen zu lassen? An diesem Widerspruc­h hat sich seit 2004 nichts geändert. Was neu ist, ist die politische Dringlichk­eit, mit der das Flüchtling­sthema in Europas Hauptstädt­en inzwischen behandelt wird. Und damit auch die Bereitscha­ft, das Problem per Scheckheft zu regeln. Die Europäer verhandeln jetzt mit einigen der ärmsten Länder der Welt: Der Tschad und Niger liegen auf der Transitrou­te vieler Flüchtling­e; ihnen winken hohe Millionen-, ja Milliarden­summen, wenn sie dabei helfen, den Flüchtling­streck Richtung Norden zu stoppen. Da werden sich die Mächtigen dort nicht lange zieren.

Das Ganze wird also richtig teuer, aber schließlic­h hat die EU ja auch der Türkei schon drei Milliarden Euro zugesagt, um die Balkanrout­e zu stopfen. Vermutlich wird es mindestens ebenso viel kosten, das zentrale Mittelmeer abzuriegel­n. Wenn das gelingt, liegen die Vorteile aus europäisch­er Sicht auf der Hand: Italien, wo in diesem Jahr schon wieder 120.000 Flüchtling­e an Land gekommen sind, die niemand in der EU den Italienern abnehmen will, wäre erst einmal entlastet. Dies wiederum könnte dem hässlichen Streit um die Verteilung von Flüchtling­en innerhalb der EU die Schärfe nehmen, und irgendwann könnten auch die Grenzkontr­ollen im Schengenra­um wieder aufgehoben werden. Kurz: Die Festung Europa hätte ihre Außengrenz­en erfolgreic­h um eini-

Warum sollen deutsche Mittelstän­dler in Afrika nicht in Öko-Energiepro­jekte investiere­n und Jobs schaffen?

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