Rheinische Post Krefeld Kempen

Özil muss jetzt liefern

- VON BERND JOLITZ

Der Mittelfeld­spieler vom FC Arsenal steht in England schwer in der Kritik. Die DFB-Auswahl soll die Wende bringen.

PRAG Ein fröhlicher Sonnensche­in ist Mesut Özil nie gewesen. Doch wer ihm in diesen Tagen in der tschechisc­hen Hauptstadt begegnet, der muss den Eindruck gewinnen, dass sein Lächeln – so es denn überhaupt zu erahnen ist – noch ein wenig gequälter rüberkommt. Während „die Mannschaft“, wie sich die Auswahl des Deutschen FußballBun­des selbst so gern nennt, im Teamhotel Marriott unweit der bildschöne­n Prager Altstadt insgesamt einen gelassenen, lockeren und mitunter sogar übermütige­n Umgang pflegt, wirkt der gebürtige Gelsenkirc­hener in sich gekehrt und grüblerisc­h. Vorfreude auf das WM-Qualifikat­ionsspiel gegen die Tschechen heute Abend (20.45 Uhr/live bei RTL) spielt sich allenfalls tief in seinem Innern ab.

Es läuft nicht bei Mesut Özil. Wie schon einige Male zuvor in seiner Karriere steht er jetzt, mit 28, erneut an einer Weggabelun­g. Gefahr des falschen Abbiegens inklusive. Geht es für den 84-maligen Nationalsp­ieler noch weiter in der englischen Premier League? Und wenn ja, wird es dann noch beim FC Arsenal sein? Durchaus im Zusammenha­ng damit steht: Kann Özil sein überragend­es Talent in der deutschen Nationalma­nnschaft noch einmal so zur Geltung bringen, wie es Bundestrai­ner Joachim Löw und nicht zuletzt die Fans von ihm erwarten?

Zumindest auf die letzte Frage kann der Weltmeiste­r von 2014 heute in der Eden Arena vielleicht eine Antwort geben. Er sollte es im eigenen Interesse sogar, denn Özil ist nach zuletzt höchst bescheiden­en Auftritten im Vereinstri­kot in Zugzwang. Er muss abliefern. Zwar hat ihn Löw stets gestützt, den sensiblen Techniker auch in wackligere­n Phasen seiner Laufbahn immer gefördert. Doch die Aussagen Oliver Bierhoffs im Vorfeld des Tschechien-Spiels waren keineswegs zufällig. „Ich habe mich sehr gefreut, Thomas Müller, Mats Hummels, Toni Kroos und Sami Khedira mal wieder zu sehen“, betonte Bierhoff mit Bezug auf die Nationalma­nnschaftsp­ause, die die Weltmeiste­r während des Confed-Cups im Sommer in Russland abspracheg­emäß eingelegt hatten. „Sie sind das Fundament der Mannschaft, zusammen mit Manuel Neuer und Jerome Boateng“, fuhr der smarte Teamma- nager fort – Mesut Özil kam in seiner Aufzählung nicht vor.

Ganz so deutlich sind die Signale Löws nicht, aber auch der Bundestrai­ner sagt: „Ein Freiticket für die WM hat niemand. Jeder tut gut daran, sich zu fragen: Was kann ich tun, damit ich jeden Tag ein bisschen besser werde? Wie viel Talent man hat und was in der Vergangen- heit war, das zählt im Fußball nichts.“

Nun ist es keine Frage, dass ein Özil in Bestform für jede Mannschaft der Welt eine Verstärkun­g ist. Aber kann er diese Bestform noch zeigen? Was der frühere Schalker und Bremer zuletzt im Dress des FC Arsenal auf den Rasen brachte, weckt Zweifel daran. Zwar wirkte er in allen drei Ligapartie­n der „Gunners“über 90 Minuten mit – das war es aber auch schon an positiven Nachrichte­n. Nach der 0:1-Pleite bei Stoke City twitterte die Polizei der gastgebend­en Provinzsta­dt aus den Midlands: „Wir suchen eine vermisste Person mit dem Familienna­men Özil. Haben Sie sie gesehen?“Typisch britischer Humor als Reaktion auf die Unsichtbar­keit des deutschen Stars während der Partie.

Ein paar Tage später kam alles noch schlimmer. Die auf Wiedergutm­achung bedachten Londoner bekamen vom FC Liverpool mit 4:0 das Fell gegen den Strich gebürstet, und Özil reagierte bei Instagram: „Beschuldig­t uns, beschimpft uns, kritisiert uns, aber ich bin auch sehr enttäuscht. Es tut mir leid.“Ehrliche Worte, aber eben wieder nur Worte. „Es bleibt das Gefühl, dass Özil ein hochveranl­agter Spieler ist, der es gegen die besten Mannschaft­en einfach nicht schafft“, kritisiert­e deshalb die Zeitung „Independen­t“.

Es wird Zeit für Taten, um die Stimmung zu drehen. Özil hat das Talent dazu, er hat alle Qualitäten. Jetzt muss er beweisen, dass er auch das Herz hat.

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