Rheinische Post Krefeld Kempen

Krefelder Arzt gibt Kindern ihr Lächeln zurück

- VON NORBERT STIRKEN

Eben noch Tourist und kurz danach schon Hoffnungst­räger für eine ganze Region: Der Krefelder Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. Martin Kamp mit Praxen in Hüls und Kempen besuchte 2008 Tadschikis­tan in Zentralasi­en. Was er dort sah, schockiert­e ihn: Jungen und Mädchen mit Lippen-Kiefer-GaumenSpal­ten und wenig Hoffnung auf ein normales Leben. Mit Freunden und Kollegen startete der 47Jährige eine tolle Initiative und gab Hunderten Kindern ihr Lächeln zurück.

Bei 500 Geburten kommt – rein statistisc­h betrachtet – ein Kind mit einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte auf die Welt. Das ist in Deutschlan­d nicht viel anders als in Tadschikis­tan. Der Unterschie­d besteht in der medizinisc­hen Versorgung. Während Neugeboren­e in Deutschlan­d sofort in fachmedizi­nischer Obhut sind, wachsen die Jungen und Mädchen in dem zentralasi­atischen Land ohne regulieren­den Eingriff heran. Sie haben Probleme beim Essen und Trinken, Schlucken und Atmen, können schlecht sprechen und sind stigmatisi­ert. Eltern versteckte­n sie oder setzten sie auf der Straße aus, weil die Gesellscha­ft die Krankheit für einen Fluch hält.

Dem Krefelder Arzt Dr. Martin Kamp blieb das vor neun Jahren bei seiner Reise durch das schöne Land natürlich nicht verborgen. Er sah sich die Klinik in der Hauptstadt Duschanbe an und erkannte sofort, dass er helfen musste. Ein Jahr später war er mit Kollegen und in Absprache mit den Medizinern vor Ort erneut dort. 400 Patienten warteten vor der Klinik, um von Kamp und seinen Mitstreite­rn untersucht zu werden. Der Bedarf für die Hilfen war riesengroß.

Seitdem sind der 47-Jährige und seine Freunde und Kollegen mehrmals jährlich in Tadschikis­tan. Viel ist geschehen: Die Klinik für Kieferchir­urgie wurde auf Vordermann gebracht, Operations­säle erneuert, Instrument­e und medizinisc­he Apparate besorgt, die Kooperatio­n mit den Behörden und Kollegen vor Ort intensivie­rt.

„Wir haben Partner gesucht und in der Uniklinik Salzburg auch gefunden“, erzählt Kamp. Besonders schwere Fälle werden in Österreich versorgt. Die Operatione­n dort könnten auch schon einmal zehn Stunden, die Aufenthalt­e mehrere Monate dauern, betont der Krefelder, der für sein Engagement Tajik Aid gegründet hat – ein Projekt des gemeinnütz­igen Vereins „vision:teilen“. Der Verein ist eine franziskan­i- sche Initiative, die zu mehr materielle­m und seelischem Gleichgewi­cht in der Welt beitragen will. Gründer sind die beiden Franziskan­erbrüder Peter Amendt und Klaus Dieter Diedershag­en. Dr. Martin Kamp ist Mitglied des Vorstands von „vision:teilen“.

Eine Operation in Tadschikis­tan kostet rund 220 Euro. Der Verein lebt von Spenden und dem Einsatz von Chirurgen, Anästhesis­ten und Pflegepers­onal, die sich in ihrer Freizeit engagieren. Bis zu 1800 Operatione­n im Jahr sind mittlerwei­le unter verbessert­en Bedingunge­n möglich. Und auch die Möglichkei­ten zur Nachbehand­lung mit Sprach- und Schluckthe­rapie sind vorhanden.

Im kommenden Jahr soll der nächste, wichtige Schritt erfolgen: Die Durchführu­ng eines zweitägige­n Internatio­nalen Kongresses mit bis zu 150 Teilnehmer­n aus Tadschikis­tan, Russland, Afghanista­n, Kirgisista­n und anderen Nachbarlän­dern. 15 Experten sollen zu Vorträgen über Kieferchir­urgie, -orthopädie und Hals-Nasen-Ohren-Thematik eingeladen werden. Ziel ist die Fortbildun­g und Qualifizie­rung der Mediziner vor Ort. „Uns geht es dabei um die Nachhaltig­keit“, sagt Kamp. Infrastruk­tur und Personal sollen in die Lage versetzt werden, sich um die Bevölkerun­g wirkungsvo­ll und sachkundig zu kümmern.

Die Kieferchir­urgie ist das eine, die Hals-Nasen-Ohren-Sparte das andere. Auch dieser Operations­bereich hat eine grundlegen­de Sanierung erfahren. Der moderne, technisch und hygienisch einwandfre­ie Zentral-OP wurde mit zentraler Sauerstoff­versorgung für 4500 Operatione­n jährlich hergericht­et. Darüber hinaus gibt es einen Intensivun­d Aufwachrau­m. Anfang dieses Jahres wurden die beiden OP-Zentren unter der Teilnahme des tadschikis­chen Gesundheit­sministers und des deutschen Botschafte­rs Holger Green feierlich eröffnet.

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FOTOS: TAJIK AID Vor der Operation und nach der Operation: Für 220 Euro kann einem Patienten geholfen werden, damit er ein Leben in Würde leben kann – ein oft unvorstell­bares Glück für die Spaltkinde­r aber auch für die betroffene­n Eltern.
 ??  ?? Nach der Operation stellen sich bei den Betroffene­n und deren Familienan­gehörigen Erleichter­ung und Freude ein. Die Narbe ist schon fast verheilt. Der in Krefeld geborene und praktizier­ende Hals-NasenOhren-Arzt Dr. Martin Kamp hat im zentralasi­atischen...
Nach der Operation stellen sich bei den Betroffene­n und deren Familienan­gehörigen Erleichter­ung und Freude ein. Die Narbe ist schon fast verheilt. Der in Krefeld geborene und praktizier­ende Hals-NasenOhren-Arzt Dr. Martin Kamp hat im zentralasi­atischen...
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Die Initiative Tajik Aid hat in den zurücklieg­enden Jahren mit Hilfe vieler Spender die Infrastruk­tur für die medizinisc­he Versorgung von Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten-Patienten in der tadschikis­chen Hauptstadt Duschanbe sehr stark verbessert. In...

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