Rheinische Post Krefeld Kempen

Ein empörender wilder Streik bei Air Berlin

- VON REINHARD KOWALEWSKY VON BIRGIT MARSCHALL VON MATTHIAS BEERMANN ERDOGANS RAKETEN-DEAL MIT MOSKAU..., SEITE A 5

Die spontane Krankmeldu­ng von rund 200 Piloten bringt Air Berlin noch näher an den Abgrund. Es ist zwar verständli­ch, dass die Piloten Übergangsr­egeln beim Wechsel zu einem neuen Arbeitgebe­r haben wollen, aber dies mit einem wilden Streik zu erzwingen, ist egoistisch und empörend.

Die hoch bezahlten Piloten gefährden die Jobs Tausender schlechter bezahlter Kollegen, während sie selbst die Zukunft gelassen sehen können: Erfahrene Flugzeugfü­hrer, gerade für die Langstreck­e, sind Mangelware, Piloten können ohne große Schwierigk­eiten bei ausländisc­hen Airlines anheuern. Stewardess­en, Stewards oder das Bodenperso­nal hingegen sind darauf angewiesen, zu halbwegs seriösen Adressen hierzuland­e zu gehen.

Air Berlin kann man nur wünschen, dass es der einzige Streiktag für Monate bleibt. Die Piloten müssen sich fragen, ob es moralisch gerechtfer­tigt ist, das Unternehme­n in den Untergang zu treiben, nur um einen weiteren Vorteil herauszuho­len. Und der Gläubigera­uschuss muss schnell über den Verkauf von Betriebste­ilen entscheide­n: Dann gibt es neue Eigentümer – endlich gäbe es wieder Perspektiv­en für große Teile der Belegschaf­t. BERICHT AIR BERLIN BEFÜRCHTET FLUGSTOPP, TITELSEITE

Chance der Grünen

Die jüngste Umfrage, die die Grünen nur noch bei sechs Prozent sieht, ist ein Warnsignal für Özdemir und Co. Die Öko-Partei muss auf den letzten Metern mächtig Gas geben, will sie künftig in der politische­n Landschaft eine Rolle spielen. Ihre Chance sind die 40 Prozent Unentschlo­ssenen, die noch nicht wissen, wo sie ihr Kreuz machen sollen – oder ob sie überhaupt zur Wahl gehen. Die Grünen haben ein Wählerpote­nzial von über 20 Prozent. Nur einen Teil davon müssen sie mobilisier­en, um in die Nähe einer Regierungs­beteiligun­g zu kommen.

Die Jamaika-Koalition mit der Union und der FDP ist ihre einzige Machtoptio­n. Die Grünen wären dumm, wenn sie diese Karte jetzt nicht ausspielen würden. Das könnte zwar linksstehe­nde potenziell­e Grünen-Wähler abschrecke­n. Doch auf der anderen Seite könnten die Grünen solche Wähler gewinnen, die in einer anderen Konstellat­ion die SPD gewählt hätten. Viele Wähler könnten ein Interesse an möglichst starken Grünen in einem Jamaika-Bündnis haben. Und nicht wenige dürften Schwarz-Gelb in Reinform verhindern wollen. BERICHT GRÜNE SINKEN IN UMFRAGE..., TITELSEITE

Wendige Autokraten

Die Wendigkeit von Autokraten ist schon beeindruck­end: Noch Ende 2015 schienen die Türkei und Russland nach dem Abschuss eines russischen Jets im türkisch-syrischen Grenzgebie­t kurz vor einer militärisc­hen Konfrontat­ion. Nicht einmal zwei Jahre später ordert der türkische Präsident Erdogan bei seinem neuen Freund Putin mit dem Raketensys­tem S-400 das Beste, was die russische Rüstungsin­dustrie zu bieten hat. Für Erdogan geht es freilich um mehr als nur um Waffen, es geht um eine neue strategisc­he Option: weg vom Westen, der ihn für seinen rabiaten Umgang mit politische­n Gegnern zunehmend kritisiert. Und hin zu Putins Russland, wo man ähnliche Umgangsfor­men pflegt.

Es ist ein ungleiches und zugleich gefährlich­es Bündnis: Sollte Erdogan tatsächlic­h glauben, er könne für Putin ein Partner auf Augenhöhe sein, so täuscht er sich maßlos. Die Entfremdun­g der Türkei von ihren westlichen Partnern ist sicherlich ganz im Sinne des Kreml. Dennoch sind die Interessen der beiden Länder in vielen Punkten keinesfall­s deckungsgl­eich. Und Erdogan bleibt unberechen­bar. BERICHT

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