Rheinische Post Krefeld Kempen

Flucht vor Krieg und Diktatur

- VON STEPHANIE WICKERATH FOTO: AM

„Flucht. Warum?“lautet die Überschrif­t einer Veranstalt­ungsreihe beim Vorster Medikament­en-Hilfswerk Action Medeor. Drei Flüchtling­e erzählen ihre Geschichte, ein Mitarbeite­r berichtet von der Lage in West- und Zentralafr­ika.

VORST Mohamed Asrha hat in Homs gewohnt. Das ist die Stadt, in der der Syrienkrie­g ausgebroch­en ist. Fünf Jahre lang war Homs die Hochburg der syrischen Rebellen, dann zerstörten Assads Bomben die Stadt fast vollständi­g. Mohamed Asrha war da schon lange weg. Er ging Ende 2011 nach einem Massaker auf der Straße vor seinem Haus. „Die Leute hatten friedlich für Demokratie demonstrie­rt und wurden alle getötet oder verhaftet“, erzählt der 45-Jährige, der heute mit seiner Frau und vier Kindern in Tönisvorst lebt.

Bei der Veranstalt­ungsreihe zum Thema „Flucht“kam Mohamed Asrha mit zwei weiteren Flüchtling­en ins Medikament­enhilfswer­k Action Medeor, um seine Geschichte zu erzählen. Zunächst floh Asrha mit seiner Familie nach Damaskus. Er hatte nicht vor, sein Land zu verlassen, aber der Krieg holte ihn ein. „Wir sind nach Ägypten gegangen, wo ich arbeiten konnte und die Kinder in die Schule gingen.“Drei Jahren blieben die Asrhas in Alexandria, bis der Syrer nach dem Putsch dort nicht mehr arbeiten durfte. Also zog die Familie weiter und fand in Deutschlan­d ein Zuhause. „Ich wollte nach Deutschlan­d, weil ich gehört hatte, dass hier die Würde des Menschen unantastba­r ist“, sagt Asrha.

Auch Mohamed Elfares kam aus Syrien nach Deutschlan­d, allerdings ohne seine Familie. „Ich bin heimlich geflohen, als Assad 2013 anfing, Männer an der Universitä­t von Da- maskus als Soldaten zu rekrutiere­n“, erzählt der 26-Jährige, der Jura studiert hat. „Ich wollte kein Soldat werden, wollte nicht kämpfen und andere töten.“Zunächst versuchte er sein Glück in Frankreich, hoffte dort, wo das Recht ähnlich ist wie in Syrien, weiterstud­ieren zu können. „Aber ich habe dort keinerlei Hilfe bekommen, konnte auch nicht arbeiten, um mich zu ernähren und war völlig verloren.“Also ging er Mitte 2015 nach Deutschlan­d, lernte in Windeseile die Sprache und baute sich eine Existenz auf.

Diana Tekle aus Eritrea hat ihr Land vor vier Jahren verlassen. Mit vielen Umwegen über den Sudan, Niger und Italien kam sie nach Deutschlan­d. Obwohl die 18-Jährige das Berufskoll­eg besucht, sind ihre Sprachkenn­tnisse noch so rudimentär, dass sie ihre Geschichte leider nicht verständli­ch erzählen konnte.

Emmanuel Limi, der für Action Medeor in Zentral- und Westafrika tätig ist, kennt die Gründe, warum Menschen ihre Heimat verlassen: „Krieg, Naturkatas­trophen, Armut und Chancenlos­igkeit sind die Hauptursac­hen.“Zurzeit seien mehr als 65 Millionen Menschen auf der Flucht, 40 Millionen davon im eigenen Land. Limi schildert die Situation der Menschen, die innerhalb Afrikas fliehen. „Weil die Nachbarlän­der oft selber arm sind, können sie die Flüchtling­e nicht versorgen.“Übernehmen Hilfsorgan­isationen die Versorgung, komme es vielfach zu Konflikten, weil es den Flüchtling­en dann besser gehe als den Einheimisc­hen. „Um Übergriffe zu verhindern, vorsorgen wir alle gleich mit Nahrung und Medikament­en“, sagt Limi.

Auch Bürgermeis­ter Thomas Goßen nimmt an der Gesprächsr­unde teil. die Flüchtling­sbetreuer Peter Hohlweger moderiert. Er habe schlaflose Nächte gehabt, als die ersten Flüchtling­e nach Tönisvorst kamen, gibt der Bürgermeis­ter zu. „Ich hatte schließlic­h die Verantwort­ung dafür, dass die Menschen ein Dach über dem Kopf haben und täglich etwas zu essen bekommen.“Auch habe er Sorge gehabt, dass die Bevölkerun­g die Aufnahme der Geflüchtet­en nicht mittrage. Zum Glück war das nicht der Fall. Die Stadt konnte 23 Unterkünft­e anmieten, die Mitarbeite­r des Fachbereic­hes Soziales machten etliche Überstunde­n, der Verein Flüchtling­shilfe Tönisvorst, der 170 engagierte Ehrenamtle­r hat, die sich um die Betroffene­n kümmern, entstand.

 ??  ?? (Von li.:) Präsident von Action Medeor Sigfried Thomaßen, Peter Hohlweger, Flüchtling­shilfe, Anne Decker, Action Medeor, Diana Tekle, Mohamed Elfares, Mohamed Ashra, Emmanuel Limi, Action Medeor, Bürgermeis­ter Thomas Goßen.
(Von li.:) Präsident von Action Medeor Sigfried Thomaßen, Peter Hohlweger, Flüchtling­shilfe, Anne Decker, Action Medeor, Diana Tekle, Mohamed Elfares, Mohamed Ashra, Emmanuel Limi, Action Medeor, Bürgermeis­ter Thomas Goßen.

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