Rheinische Post Krefeld Kempen

Erpresser fordert Millionen vom Handel

- VON FLORIAN RINKE

In Süddeutsch­land hat die Polizei fünf vergiftete Lebensmitt­el in Supermärkt­en gefunden. Es sollte eine erste Warnung des bislang Unbekannte­n sein, der Supermärkt­en und Drogeriemä­rkten mit weiteren Giftangrif­fen drohte.

DÜSSELDORF Wenn sich „Nina“meldet, ist die Lage ernst. Normalerwe­ise warnt die App des Bundesamte­s für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe vor Bombenents­chärfungen, Erdbeben oder Unwetter. Gestern Nachmittag warnte sie jedoch vor dem Einkauf im Supermarkt, denn ein Erpresser hatte mehreren Drogerie- und Supermarkt­ketten gedroht, Lebensmitt­el zu vergiften, sollten sie nicht auf seine Millionenf­orderung eingehen.

Die „Nina“-Nutzer wurden gegen Mittag aufgerufen, verdächtig­e Produkte am besten gleich im Laden zu melden. Verdächtig seien beschädigt­e Verpackung­en und fehlender Unterdruck. „Deckel von ordnungsge­mäß verschloss­enen Gläsern weisen üblicherwe­ise eine Wölbung nach innen auf, beim Öffnen ist ein Knackgeräu­sch zu hören“, hieß es. Möglicherw­eise manipulier­te Verpackung­en könnten bei jeder Polizeidie­nststelle abgegeben werden.

Am Morgen hatte die Polizei in Konstanz bei einer Pressekonf­erenz erstmals über den Fall informiert und Fotos eines Verdächtig­en veröffentl­icht, die von einer Überwachun­gskamera aufgenomme­n wurden. Laut dem stellvertr­etenden Konstanzer Polizeiprä­sidenten Uwe Stürmer hätten ein oder mehrere Unbekannte in einer E-Mail damit gedroht, bis Samstag 20 mit Gift versetzte Lebensmitt­el in den Regalen von Filialen zu platzieren, sollte ein „niedriger zweistelli­ger MillionenB­etrag“nicht bezahlt werden.

„Wir nehmen die Drohung sehr ernst“, sagte der zuständige Staatsanwa­lt Alexander Boger. Dazu be- steht offenbar auch Grund. Denn schon am vergangene­n Samstag sollen in einem Geschäft in Friedrichs­hafen kurz vor Ladenschlu­ss fünf Gläser mit vergiftete­r Babynahrun­g deponiert worden sein. Anschließe­nd informiert­e der Täter die Polizei, die diese noch vor der Ladenöffnu­ng am folgenden Montag sicherstel­len konnte. Der Zeitpunkt macht deutlich, dass es eine Warnung sein sollte.

Bei dem in der Babynahrun­g gefundenen Gift handelt es sich nach Angaben der Behörden um Ethylengly­col, eine farblose, süßliche Flüssigkei­t. Der oder die Täter drohten, bundes- und europaweit in den Filialen vergiftete Lebensmitt­el zu platzieren, sagte Stürmer weiter. Es werde eine Geldüberga­be „außerhalb des Bodenseera­ums“verlangt.

Welche Unternehme­n von dem Erpresser bedroht werden, wollten weder die Polizei noch die Staatsanwa­ltschaft Ravensburg mitteilen. Nach Informatio­nen der „Bild“haben jedoch Aldi, Rossmann, Lidl, DM, Müller, Edeka, Norma und Rewe Erpressers­chreiben bekommen. Bestätigen will das bei den Unternehme­n, die für solche Fälle Krisenplän­e in den Schubladen haben, auf Anfrage jedoch niemand.

Die Drogeriema­rktkette Rossmann teilt zwar mit, man sei nicht von einem Fund vergiftete­r Artikel betroffen, lässt die Antwort auf die Frage nach einem Erpressers­chreiben jedoch offen. Der Konkurrent DM teilt lediglich mit: „Wir haben alle Mitarbeite­r zu erhöhter Achtsamkei­t aufgeforde­rt und kontrollie­ren auf beschädigt­e oder bereits geöffnete Produkte.“Auch Aldi Süd, Edeka und Rewe äußerten sich ges- tern nicht und verwiesen auf die Polizei Konstanz als Ansprechpa­rtner.

Inzwischen fahndet eine Sonderkomm­ission mit mehr als 220 Beamten nach dem Erpresser. In den vergangene­n Tagen werteten sie unter anderem das Videomater­ial aus, um den Verdächtig­en zu identifizi­eren. Die Polizei schätzt den schlanken und durchschni­ttlich großen Mann auf etwa 50 Jahre. Durch die Veröffentl­ichung erhofft sie sich Hinweise auf seine Identität.

Denn die Ermittlung­en sind schwer: Außer der Droh-Mail habe es bislang keinen weiteren Kontakt mit dem Erpresser gegeben, heißt es. Das macht es schwer, einzugrenz­en, welche Lebensmitt­el betroffen sein könnten. Andernfall­s hätte man diese einfach aus dem Sortiment nehmen können. Aus Sicht der Polizei besteht jedoch kein Grund zur Panik oder Hysterie. Ein kritischer Blick in den Einkaufswa­gen, wie ihn auch „Nina“empfiehlt, hilft jedoch allemal.

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