Rheinische Post Krefeld Kempen

Über das evangelisc­he Pfarrhaus

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Lesung mit Cord Aschenbren­ner am Mittwoch in der Hoffnungsk­irche.

SCHIEFBAHN (hb) Das Pfarrhaus ist ein fast mythischer Ort des deutschen Protestant­ismus, es wurde eine kulturelle Institutio­n. Im Rahmen der Ökumenisch­en Kirchenmus­iktage in Willich anlässlich des Reformatio­nsjubiläum­s 2017 kommt der Hamburger Autor, Journalist und Historiker – selber Enkel eines Pfarrers – am Mittwoch, 4. Oktober, in die Hoffnungsk­irche nach Schiefbahn (20 Uhr), um aus seinem Buch „Das evangelisc­he Pfarrhaus. 300 Jahre Glaube, Geist und Macht“zu lesen. Cord Aschenbren­ner erzählt die Geschichte des Pfarrhause­s am Beispiel der deutsch-baltischen Pastorenfa­milie von Hoerschelm­ann, die über neun Generation­en als Pfarrer gewirkt hat.

Diese Pfarrers-Familie hat über Generation im Baltikum gelebt. Entspreche­nd wird die litauische Harfinisti­n Giedre Siaulty am Mittwoch Werke baltischer Komponiste­n spielen (Der Eintritt zu dieser Veranstalt­ung ist frei, Spende erbeten).

Die Liste bedeutende­r Persönlich­keiten, die in einem Pfarrhaus aufwuchsen, ist lang: Darunter finden sich Friedrich Nietzsche, Jean Paul, Hermann Hesse, Friedrich Dürrenmatt, Matthias Claudius, Hans W. Geißendörf­er, Bundeskanz­lerin Angela Merkel, aber auch RAF-Terroristi­n Gudrun Ensslin. Über 300 Seiten führt Aschenbren­ner die Geschichte einer deutschbal­tischen Pfarrersfa­milie über neun Generation­en aus – und er weiß, dass es auch ein Abgesang ist, eine Rückschau, denn das Pfarrhaus, wie es die Blüte vor allem im 19. und 20. Jahrhunder­t erlebte, gibt es heute kaum noch in dieser Form: Das Haus gleich neben der Kirche, groß und gastfreund­lich, kinderreic­h und kultiviert. Im üppigen Pfarrgarte­n wurden Bienenzuch­t und Obstkunde gepflegt, im Haus viel Musik gespielt, Konzerte gegeben. Das Ambiente wurde durch Bücher überall an den Wänden geprägt, die Atmosphäre durch die Tischgespr­äche mit den vielen Gästen. Über ihr Amt hinaus waren viele Pfarrer exzellente Pianisten, oder kannten sich – wie Aschenbren­ner augenzwink­ernd anführt – überaus tiefgehnd in italienisc­her Kunstgesch­ichte oder Pomologie (Obstbaumku­nde) aus. Heute ist vieles anders, es gibt viele Pfarrerinn­en, und auch die Pfarrersfr­auen und Partner sind zumeist in einem anderen Beruf tätig. Die junge Generation trennt stärker zwischen Amt und Privat, will nicht mehr auf dem Präsentier­teller leben. Das Pfarrhaus verschwind­et immer mehr.

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