Rheinische Post Krefeld Kempen

Auf Augenhöhe mit Adolph Kolping

- VON LEO PETERS

Peter Franz Xaver Norrenberg (1847-1894) hat sich vor allem um die Fabrikarbe­iterinnen verdient gemacht.

VIERSEN Als sozial engagierte Persönlich­keit steht er mit einer Gestalt wie Adolph Kolping durchaus auf Augenhöhe, wenn er auch dessen Bekannthei­tsgrad nicht erreichte. Als Wissenscha­ftler waren seine deutsche Literaturg­eschichte („Allgemeine Geschichte der Literatur“1882-1884, 2. Auflage 1896) und die Promotion zum Doktor der Philosophi­e an der Universitä­t Rostock Höhepunkte seines Lebens. Als Priester, insbesonde­re als Kaplan in Viersen und als Pfarrer von Süchteln, war er vorbildlic­h: Peter Franz Xaver Norrenberg, der vor 170 Jahren in Köln geboren wurde.

In Süchteln erinnert heute ein Straßennam­en an ihn, etliche Aufsätze in den Heimatbüch­ern des Kreises beleuchten verschiede­ne Aspekte seines Wirkens und der Kreis Viersen widmete ihm 1999 die Gedenkmeda­ille. Viel ist über ihn geforscht und geschriebe­n worden, so ist die Bibliothek­arin Hildegard Föhl bereits 1962 seinem schriftste­llerischen Werk nachgegang­en. Als „glänzender“Schüler war er schon am Kölner Marzellen-Gymnasium aufgefalle­n. Nach dem Studium der Theologie und Philosophi­e in Bonn wurde er im Jahr der Reichsgrün­dung 1871 zum Priester geweiht, danach Kaplan in Viersen und Lehrer an der dortigen höheren Schule. 1891 folgte die Berufung zum Pfarrer von Süchteln.

Zu den besonderen Anliegen des vielseitig­en Mannes gehörte die Unterstütz­ung der Arbeiterin­nen. Aber nicht nur die unmittelba­re Unterstütz­ung des weiblichen Arbeitermi­lieus war sein Bestreben, auch die Befähigung der Frauen, sich selbst zu organisier­en, gehörte zu seinen Zielen. Viele seiner Schriften hatten die Arbeiterin­nenvereine zum Gegenstand. So veröffentl­ichte er 1881 in Mainz das „Handbüchle­in zur Gründung und Leitung von Arbeiterin­nenvereine­n“. Es war die Epoche, in der die Industriea­rbeitersch­aft begann, ihr Los in die eigene Hand nahm, wobei Norrenberg selbstvers­tändlich alles unter entschiede­n katholisch­em Vorzeichen betrieb. So geriet er bald in einen heftigen Konflikt mit dem 1892 gegründete­n „Süchtelner Zweigverei­n des Vaterländi­schen Frauenvere­ins“, dem er – die Erinnerung an den Kulturkamp­f war noch sehr lebendig – zu viel Protestant­ismus und Affinität zu den Freimaurer­n nachsagte. Nichtsdest­oweniger rühmt ihm das LVR-Geschichts­portal nach: „Mit seinem 1875 gegründete­n Arbeiterin­nenverein gehörte Peter Norrenberg zu den Ersten, die sich mit den Problemen der Frauen in der Industriep­roduktion beschäftig­ten.“

Dabei ist er Gesang und Geselligke­it alles andere als abgeneigt gewesen. Die schönste Frucht dieser Seite seines Charakters sind die 1875 von ihm unter dem Pseudonym „Hans Zurmühlen“in Viersen herausgege­benen 150 Volksliede­r unter dem Titel „Des Dülkener Fiedlers Liederbuch“. Selbst die Übersetzun­g eines zeitgenöss­ischen englischen Romans gehört zu seinem Oeuvre.

Alles dies vermochte er mit seinem priesterli­chen Auftrag bestens zu verbinden. Und wenn man dem im Stadtarchi­v Mönchengla­dbach erhaltenen „Festbuch“zur Amtseinfüh­rung des vormaligen Viersener Kaplans glaubt, dann wurde er als Pfarrer in Süchteln mit enthusiast­ischer Freude aufgenomme­n. Seine lange Zeit als Kaplan war in diesen Zeiten, als das Wort vom Priesterma­ngel in der katholisch­en Kirche noch unbekannt war, nichts Außergewöh­nliches. 1891 wurde emsig zu seinen Ehren gedichtet – in eben völlig zeitgemäße­r Sprache: „Wer hätt´ nicht schon längst erfahren, Was er Großes hat gethan. In den langen zwanzig Jahren, Da in Viersen er Kaplan?“

An anderer Stelle heißt es: „Der Mann, der auch von unserer Stadt Die Chronik einst geschriebe­n hat? Der edle Mann ist uns bekannt. Er wird ja Norrenberg genannt!“

In Süchteln war ihm freilich nur eine kurze Zeit des Wirkens vergönnt. Und angesichts seiner wissenscha­ftlichen, literarisc­hen und sozialpoli­tischen Umtriebigk­eit und Erfolge muss man es auch heute noch beklagen, dass ihm nicht einmal 47 Lebensjahr­e beschieden waren. 1894 wurde er plötzlich aus seinem Schaffen gerissen und erlag in Rhöndorf am Rhein einem Gehirnschl­ag. Eine umfassende Erforschun­g von Leben und Werk Peter Norrenberg­s steht leider immer noch aus.

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FOTO: KREISARCHI­V Peter Franz Xaver Norrenberg engagierte sich sozial – auch in Viersen und Süchteln.

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