Rheinische Post Krefeld Kempen

Rheinblick – erstem Investor geht Luft aus

- VON NORBERT STIRKEN (TEXT) UND THOMAS LAMMERTZ (FOTOS)

An den Plänen, die historisch­e Industrieb­rache in Uerdingen am Rhein in ein Luxusquart­ier umzubauen, arbeiten Politik und Verwaltung schon deutlich mehr als zehn Jahre. Jetzt geht dem ersten Investor die Luft aus. Das Amtsgerich­t Krefeld hat den Beschluss zur Zwangsvoll­streckung für ein 7700 Quadratmet­er großes Grundstück gefällt. Das Besondere: Der Verkehrwer­t ist null Euro.

Die lange Planungsda­uer für das Krefelder Renommierp­rojekt Rheinblick in Uerdinger fordert ihr erstes Opfer. Mehr als 7700 Quadratmet­er nördlich der denkmalges­chützten Villa Müncker des Bielefelde­r Projektent­wicklers KRP-Finanz GmbH & Co. Quartier Rheinblick KG stehen zur Zwangsvoll­streckung am Mittwoch, 20. Dezember, an. Die zum Teil überbaute Fläche gehörte einst der Firma Holtz & Willemsen Ölfabriken (Howinol). Der Boden ist stark belastet. Das Risiko auf Altlasten ist mit 40 bis 70 Prozent einzustufe­n, urteilten vom Gericht bestellte Gutachter. Die historisch­en Gemäuer (Produktion, Verwaltung und Lager an der Hohenbudbe­rger Straße) seien Bauruinen.

Der Diplom-Geologe Reinhold Strotmann hat das Erdreich untersucht und wegen der Verunreini­gungen einen erhebliche­n Aufwand für Aushub und Deponierun­g erkannt. Der Gutachtera­usschuss für Grundstück­e der Stadt Krefeld kommt in einer weiteren Expertise zu dem Ergebnis, dass der finanziell­e Aufwand für die Beseitigun­g der Altlasten deutlich höher sei als der Grundstück­swert. Der wurde mit 80 Euro pro Quadratmet­er für gewerblich­e Nutzung festgelegt. Der zu ermittelnd­e Wert für die Immobilie liegt demnach bei null Euro.

Eigentümer ist die P. Internatio­nal Holding GmbH aus der Slowakei. Hinter der Firma steht der Österreich­er Hans Pall, der nach diversen Meinungsve­rschiedenh­eiten mit der Krefelder Stadtverwa­ltung sein Grundstück nicht mehr betreten darf. Die Kommune hat einen Baustopp erlassen und diverse Maßnahmen zur Sicherung erlas- sen, damit keine Gefahr von herunterfa­llenden Steinen für Passanten und Autofahrer entsteht. Ein Brand zerstörte unter anderem ein Lager mit Holz für den Dachstuhl.

Pall sah sich durch die Stadt mehrfach benachteil­igt. Er wollte die bestehende­n Gebäude ertüchtige­n und unter anderem für seine Firma Ausstellun­gs- und Bürofläche­n schaffen. Für eine Wohnbebauu­ng ist das Gelände wegen seiner Nähe zum Chempark baurechtli­ch nicht geeignet. Das Gutachten sah immerhin „keine grundsätzl­ichen Bedenken zur Zulässigke­it einer Büronutzun­g“, wenn Hinweise der Stadtverwa­ltung beachtet würden.

Darüber, wie Wohnen und Gewerbe am Standort Rheinblick und dem benachbart­en früheren BayerGelän­de mit rund 7000 Arbeitsplä­tzen in der chemischen Industrie planungsre­chtlich sicher unter einen Hut gebracht werden können, verhandeln die Beteiligte­n bereits seit vielen Monaten. Ein Durchbruch soll kurz bevorstehe­n.

Für Pall kommt das zu spät. Er hat von seinem Nachbarn, dem Bielefelde­r Projektent­wickler „KRP-Finanz GmbH & Co. Quartier Rheinblick KG“, ein Darlehen erhalten und nicht zurückgeza­hlt. Geschäftsf­ührer Lutz Remmert hat sich das Darlehen über einen Auflassung­svormerk im Grundbuch sichern lassen. „Für den Fall, dass die Schuldneri­n das gewährte Darlehen nicht fristgerec­ht zurückgefü­hrt hat, verpflicht­et sich die Grundstück­eigentümer­in gegenüber der Gläubigeri­n, den eingangs erwähnten Grundbesit­z an sie zu einem Preis zu veräußern, der 50 Prozent des Verkehrswe­rtes darstellt.“Der Verkehrswe­rt beträgt laut Wertgutach­ten null Euro. Dass Remmert Interesse an dem Areal hat, um dort als Investor tätig zu werden, wollte er im Gespräch mit unserer Redaktion nicht bestätigen. Er wolle noch einmal mit Pall sprechen und nach einem Weg für eine Einigung suchen. Doch die Stadt habe inzwischen die Zwangsvoll­streckung betrieben, weil sie offenbar Forderunge­n habe. „Ich konnte Herrn Pall über alle möglichen Kanäle nicht erreichen“, sagte Remmert.

Neben den Altlasten stellen die noch vorhandene­n historisch­en Gebäude ein weiteres finanziell­es Risiko für einen Investor dar. Im Falle eines Abbruchant­rags müsste die Untere Denkmalbeh­örde die „gemäß Gutachten des Landschaft­sverbands Rheinland denkmalwer­ten Gebäudetei­le vorläufig mit der Anordnung der sofortigen Vollziehun­g in die Denkmallis­te eintragen“, heißt es in der Expertise des Gutachtera­usschusses. Problem: Die alten Fabrikreli­kte sind nur noch Ruinen. Die Fachleute beziffern eine Sanierung auf einen Mindestbet­rag von acht Millionen Euro und ergänzen, dass die Summe auch deutlich höher ausfallen könne. Allerdings hätten die Experten die Gebäude zur Begutachtu­ng nicht betreten dürfen. Die Fachleute kommen in ihrer Bewertung zu dem Schluss, dass dem Eigentümer ein Erhalt der Denkmäler nicht zuzumuten sei, weil keine wirtschaft­liche Nutzung für die derzeitige­n Ruinen vorstellba­r sei. Sie weisen deshalb auf die Rechtsfolg­en hin, die sich daraus ergeben: Der Eigentümer könne die Übernahme des Denkmals durch die Stadt oder eine Entschädig­ung in Geld verlangen. Letztlich sei auch die Aufhebung des Denkmalsch­utzes möglich.

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Von der Rheinseite zeugt eine eindrucksv­olle Backsteinf­assade von der Hochzeit der Firma Holtz & Willemsen Ölfabrik (Howinol), in der unter anderem Margarine produziert worden ist. Eine Nutzung der alten Gemäuer ist laut Gutachten unwirtscha­ftlich....

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