Rheinische Post Krefeld Kempen
Ausgekocht
Um Altbekanntes zu neuem Glanz zu verhelfen, muss man manchmal nur ein cleveres Etikett erfinden. Das hat mit Twix und Raider prima funktioniert, und es klappt jetzt mit Großmutters Fleischsuppe oder Knochenbrühe, die nun als Bone Broth in New Yorker Läden als Trendgetränk angeboten wird und auch hierzulande in gut sortierten Regalen steht. Hauptsache hip. In diesem Fall gilt aber auch: Was früher gut war, ist es heute immer noch. Galt die über viele Stunden köchelnde Brühe doch seit jeher als nährstoffreicher Kraftlieferant, der geschwächte Lebensgeister wieder aktiviert. In China wird Knochenbrühe gar als eine Art Medizin betrachtet. Sie soll das Immunsystem, Gewebe und Knochen stärken und Entzündungen eindämmen. Als würde das nicht schon reichen, sagt man dem Sud knochenstärkende Eigenschaften sowie sichtbare Anti-Aging-Effekte nach. Haut, Haare und Nägel sollen durch den täglichen Genuss von Bone Broth schöner werden. Die gute alte Knochenbrühe – eine Art Wundermittel?
Das wohl kaum. Wissenschaftliche Belege für die gesundheitlichen Vorzüge der Brühe gibt es nicht. Dafür aber lässt sich über die Art der Zubereitung und die Inhaltsstoffe einiges sagen. Wobei nicht alles eins zu eins vom Körper aufgenommen und verarbeitet werden kann – dafür ist der menschliche Stoffwechsel zu kompliziert. Das gilt beispielsweise für das Kollagen, ein Protein, das durch das lange Kochen von Rinder- oder Hühnerknochen gelöst wird und in der Brühe zurückbleibt. Dieses tierische Eiweiß steckt beim Menschen in Sehnen, Bändern, Knorpeln und Bindegewebe, wird aber bei der Aufnahme nicht direkt dort hintransportiert. Zudem produziert der Körper auch selbst Kollagen oder nimmt es durch andere Nahrungsmittel auf, etwa Fleisch. Das heißt aber nicht, dass der Mensch nicht vom Kollagen in der Brühe profitiert – Experten tun sich nur schwer, dies genauer zu bestimmen. Dass die Bone Broth tatsächlich Kollagen enthält, zeigt sich daran, dass sie bei Kälte geliert – Kollagen ist ein Bestandteil von Gelatine.
Was ist noch drin in der Kraftbrühe? Bei knorpelreichen Knochen werden auch sogenannte Glukosaminogykanen gelöst, Stoffe, die die Gelenke elastisch halten, dazu Mineralstoffe wie Calcium und Magnesium sowie Spurelemente wie Silicium, die gut für Haut und Haare sind. Aber auch hier gilt: Wer sich ausgewogen mit viel Gemüse ernährt, muss keinen Mangel an Mineralstoffen befürchten. Ihren aktuellen guten Ruf hat die Bone Broth auch der Tatsache zu verdanken, dass sie in der Paleo-Diät – also einer ausschließlich auf Fleisch, Fisch, Eiern, Gemüse und Obst basierenden Ernährungsweise – als Mineralstoffquelle dient. Gerne verfeinert mit einem Schuss Essig, Zwiebeln, Petersilie, Salz, Karotten, Sellerie oder Ingwer. Basis aber sind Fleisch- und Markknochen, die in einem großen Topf erst angeröstet und dann in viel Wasser gekocht werden. Mindestens drei bis vier Stunden, möglichst aber zwölf Stunden und länger. Danach durch ein Sieb abseihen, mit Salz und Pfeffer abschmecken, fertig.
Wer die Zeit nicht hat, kann auch auf (nicht ganz billige) Fertigprodukte wie Bonebrox oder Beam & Boost zurückgreifen. Ansonsten lässt sich die selbst hergestellte Brühe gut eine Woche im Kühlschrank lagern oder einfrieren. Sie kann als Basis für Soßen und Suppen dienen, aber auch täglich als Alternative beispielsweise zu einer Tasse Tee geschlürft werden. Denn selbst wenn die gesundheitlichen Effekte überschaubarer sind als erhofft, gut für den Körper ist so eine Portion Knochenbrühe auf jeden Fall. Und außerdem: ausgesprochen lecker.