Rheinische Post Krefeld Kempen

Ein Riesenspaß für Schnäppche­njäger

- VON HEINER DECKERS

Der Hubertusma­rkt bescherte gestern wieder alles, was man von ihm erwartet: Nützliches, Überflüssi­ges und natürlich einige Weltneuhei­ten. Er zog Massen von Menschen in die Altstadt.

KEMPEN Da ist sie wieder, diese unverwechs­elbare Duftmischu­ng. Bratwurst, Püfferkes, Hustenbonb­ons und einige weitere Ingredienz­en vereinigen sich zu einem in der Gänze undefinier­baren Etwas. Es riecht nach Hubertusma­rkt, und zwar in der kompletten Kempener Altstadt. Das Wetter ist zwar mild, aber der Winter kommt bestimmt. Am Anfang der Engerstraß­e stößt der aufmerksam­e Schnäppche­njäger auf einen Stand mit Fellmützen,

Ja, sie sind alle

wieder da: die Händler aus der ganzen Region

deren Tragen die automatisc­he Qualifikat­ion für die Mitgliedsc­haft im Don-Kosaken-Chor bedeutet.

Ja, sie sind alle wieder da: die Händler aus der ganzen Region mit ihren Waren, die man gut oder weniger gut gebrauchen kann, aber unbedingt gekauft werden müssen. Sind schließlic­h größtentei­ls Weltneuhei­ten. Warum ausgerechn­et junge Männer aus dem Großraum Indien Schals verkaufen, erschließt sich nicht auf Anhieb. In ihrer Heimat ist es doch immer warm, wieso kennen die sich mit Schals aus? Wir wissen es nicht.

In unmittelba­rer Nähe tauschen zwei Damen im besten Alter traurige Tatsachen aus ihrem persönlich­en Umfeld aus: „Der hat den ja nur getriezt“, war da zu hören. Nähere Umstände sind leider nicht bekannt, möge jeder sich selber prü- fen. Man ist auch schnell abgelenkt von den Pyjamas, die wenige Meter weiter im Herbstwind flattern. Einige der Motive sind so schrill, dass nur bei völliger Dunkelheit im Zimmer an Schlaf zu denken sein dürfte.

Gut besucht ist auch der Postkarten-Dealer. Wohl dem Käufer, der so viele Bekannte hat. Das denken sich wahrschein­lich auch die Tchibo-Besucher, die an der gestern nicht ganz frischen Kempener Luft einen Kaffee trinken. Es sind übrigens diejenigen, die tagtäglich dort sitzen und heute wieder ihre Ruhe haben. Der hinlänglic­h bekannte Gemüseschn­ibbler, der auch gestern wieder den kompletten Vitaminbed­arf einer mittleren niederrhei­nischen Kleinstadt deckte, bedient sich der Marke „Börner“. Hier zeigt sich der echte Profi: „Ein echter Burner, kein Nachbau.“

Die Schlank-Stütz-Unterwäsch­e wischt jeden Gedanken an eine Diät spontan beiseite. Ist es wirklich ein Zufall, dass es gleich nebenan süße Leckereien zu kaufen gibt? Ein wenig ratlos machte der Sockenmark­t mit seinen immer kühner werdenden Auswüchsen. Bambussock­en? Wer will schon, dass er ständig von Pandas belagert wird? Venenfreun­dliche Army-Socks? Schön, dass man an die Gesundheit der Soldaten denkt. Da hat Frau Von der Leyen offenbar in ihrer Amtszeit als Verteidigu­ngsministe­rin eine Menge bewirkt.

Musik und gute Laune verspricht ein Stand mit CDs. „Millionen Frauen lieben mich“schallt da aus dem Lautsprech­er. Fragt sich, ob der Verkäufer jetzt zu beneiden oder zu bedauern ist. Einer anderen Strategie bedient sich der junge Mann, der ein paar Meter weiter Leggins anbietet. Er versucht, mit eher medita- tiv angehaucht­er Musik die Kunden an seinen Stand zu locken. Übrigens durchaus mit Erfolg.

Am Mützenstan­d betont eine Frau gegenüber einer anderen, offenbar einer Freundin: „Dat fandst du doch immer so schön“. Über Geschmack lässt sich bekanntlic­h trefflich streiten. Wir befinden uns jetzt bereits unmittelba­r in der Nähe des eigentlich­en Epi-Zentrums – und das ist unumstritt­en die Miedermeil­e Buttermark­t, wo ältere Damen beherzt über Formen und Farben diskutiere­n. Apricot scheint weiter Modefarbe zu sein. Im Abseits stehen ratlose Männer, die hier nicht mitreden können, es wahrschein­lich auch gar nicht wollen. Eine der Damen entdeckt offenbar gerade ein ganz besonders tolles Korsett. „Kuck mal, Renate“, ruft sie lautstark. Bei nährer Betrachtun­g festigt sich die erste Erkenntnis: Das Teil könnte zur Not auch als EinMann-Zelt gute Dienste leisten.

Bei so viel Trubel kann man fast Mitleid haben mit dem Akkordeons­pieler. Eher stoisch nehmen die Zeugen Jehovas das bunte Treiben zur Kenntnis. Auf ihre Botschafte­n will gestern keiner hören. Sie hatten schließlic­h auch keine Weltneuhei­ten dabei.

 ?? RP-FOTO: HEINER DECKERS ?? Der Gemüseschn­ibbler war gestern wieder so richtig in seinem Element. Er zerkleiner­te alles, was ihm unter den Hobel kam.
RP-FOTO: HEINER DECKERS Der Gemüseschn­ibbler war gestern wieder so richtig in seinem Element. Er zerkleiner­te alles, was ihm unter den Hobel kam.
 ?? RP-FOTO: WOLFGANG KAISER ?? Messer und andere Schneidewe­rkzeuge gab es auch gestern wieder in Hülle und Fülle.
RP-FOTO: WOLFGANG KAISER Messer und andere Schneidewe­rkzeuge gab es auch gestern wieder in Hülle und Fülle.
 ?? RP-FOTO: WOLFGANG KAISER ?? Erstmals sicherten Poller die Altstadt vor einem Terrorangr­iff. Sie kommen auch bald beim Weihnachts­markt zum Einsatz.
RP-FOTO: WOLFGANG KAISER Erstmals sicherten Poller die Altstadt vor einem Terrorangr­iff. Sie kommen auch bald beim Weihnachts­markt zum Einsatz.
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RP-FOTO: HEINER DECKERS Regenschir­me gab es in bunter Auswahl.
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