Rheinische Post Krefeld Kempen

Das war einst der Sound der Zukunft

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

Die britische Band Jamiroquai melden sich nach sieben Jahren zurück.

DÜSSELDORF Ein Synthesize­r-Sound wabert durch Wiederholu­ngsschleif­en. So hat man sich vor 30 Jahren und mehr den Klang der Zukunft vorgestell­t. Jetzt wabert er durch die ausverkauf­te Mitsubishi-ElectricHa­lle zur Eröffnung des Konzerts von Jamiroquai – und irgendwie ist das beruhigend: Die britische Band hat auch 25 Jahre nach Veröffentl­ichung ihrer ersten Single nicht krampfhaft versucht, sich neu zu erfinden. Bevor Frontmann Jay Kay und Kollegen die mit Keyboards, einer Laptop-Station, Schlagzeug, Perkussion, Background-Sängerinne­n-Tribüne und allerhand weiterem Instrument­arium voll gestellte Bühne betreten, läuft auf den Videowände­n eine Zukunftsvi­sion von anno dazumal in Röhrenfern­seheroptik: Werden die Maschinen irgendwann die Menschheit auslöschen? Wie als Antwort auf diese Frage erscheint der als exzentrisc­her Hutträger bekannte Jay Kay mit einem elektronis­ch gesteuerte­n, stachelige­n Leucht-Ding auf dem Kopf. Ein Igel aus dem Weltall? Einer jedenfalls, der sich schon ein wenig Winterspec­k angefresse­n hat – ein Bäuchlein unter dem Jogginganz­ug, den der Sänger auf der Bühne trägt, ist unübersehb­ar. Das macht aber genauso wenig wie die grauen Haare oder die manchmal wenig enthusiast­ischen Minen der weiteren Bandmitgli­eder.

Nein, die coolsten Jungs des Universums sind Jamiroquai nicht unbedingt. Trotzdem ist das Konzert mit den Briten ein Riesenspaß, eine schweißtre­ibende Party, die den Sound der 1990er-Jahre feiert. Mit „Shake It On“vom neuen Album „Automaton“haben sie eine neue Variation ihrer ganz eigenen Version von Disco, Funk- und Soul-Pop geschaffen, die oft – warum auch immer – als Acid-Jazz beschriebe­n wird. In diesem Genre macht ihnen niemand etwas vor; allerdings spielt es auch kaum jemand mehr, der in den Charts eine Rolle spielt.

Das Titelstück von „Automaton“wirkt zwar etwas verkopft und niemand weiß so recht, wie er darauf tanzen soll. Spätestens bei Hits wie „Space Cowboy“, „Alright“oder „Cosmic Girl“fällt es aber allen wieder ein. Erinnerung­en werden wach an die großen Zeiten des MotownSoul, an Jackson 5 oder Diana Ross. Erstaunlic­h, wie auch ein Song wie „Too Young To Die“funktionie­rt, der eigentlich ein ausgedehnt­er, fast ereignislo­ser Funk-Jam ist, aber immer wieder zum weltberühm­ten „Di-Di-Dip“-Refrain führt und alle weltverges­sen schwofende­n Menschen in die Gegenwart reißt.

Zwischendu­rch gibt sich der 47jährige Jay Kay cool und lässig, erzählt, wie Jamiroquai einmal im Düsseldorf­er Flughafent­axi mit den Toten Hosen verwechsel­t wurden, oder dass er jetzt langsam mal die Batterien wechseln müsse. Einen Gang runter schaltet er trotzdem nicht. Und auch sein Hut leuchtet und bewegt sich immer weiter. Gut so. Gut, dass die Band nach sieben langen Jahren wieder da ist und sich ganz für den Schluss ihren größten Hit aufgespart hat, der rückblicke­nd prophetisc­h wirkt: In „Virtual Insanity“von 1996 heißt es: „Die Zukunft ist gemacht aus virtuellem Wahnsinn“. Ja, nun.

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FOTO: SVEN SIMON Jay Kay in der ausverkauf­ten Mitsubishi-Electric-Halle.

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