Rheinische Post Krefeld Kempen

Neue Vier-Tonnen-Skulptur für Viersen

- VON SIGRID BLOMEN-RADERMACHE­R

Die berühmte Viersener Skulpturen­sammlung wird um eine Arbeit reicher: Bildhauer Gereon Krebber suchte gestern vor Ort einen Platz für seine Bronze-Skulptur. Im Juni soll sie zwischen Galerie und Busbahnhof aufgestell­t werden.

VIERSEN Ein riesiger schwarzer Brocken scheint vom Himmel auf die Wiese zwischen Galerie und Busbahnhof gefallen zu sein. Nur wenige Stunden Verweildau­er bleiben ihm an dieser Stelle, dann wird er wieder verschwind­en – vorerst.

Der 4,5 Meter lange „Brocken“ist das Modell einer Skulptur des Kölner Bildhauers Gereon Krebber. Einigen Viersener Kunstinter­essierten mag Krebber noch in Erinnerung sein: 2001 stand er in der Auswahl zum Ernst-Klusen-Preis und zeigte eine Auswahl seiner Werke in der Städtische­n Galerie am Park. Außerdem ist er einer der Juroren, die die Kunstgener­ator-Stipendiat­en auswählen. Nun wird Krebber dafür sorgen, dass die Skulpturen­sammlung ein weiteres Highlight erhält.

Der Vorsitzend­e des Vereins für Heimatpfle­ge, Albert Pauly, hat der Stadt vorgeschla­gen, die berühmte Skulpturen­sammlung um eine Krebber-Skulptur zu erweitern. Immer schon habe er den Wunsch gehabt, etwas mit Krebber zu machen, berichtete Pauly gestern. Durch die neue Skulptur sollen bildhaueri­sche Aspekte in die Sammlung gebracht werden, die bislang nicht da waren.

Finanziert wird der Erwerb durch Eigenmitte­l des Vereins, Spenden, Zuschüsse der Viersener Sparkassen­stiftung und voraussich­tlich der Kunstsamml­ung NRW. Auf die Stadt Viersen kommen die Kosten für die Aufstellun­g der Plastik von 1500 Euro zu sowie für die Versicheru­ng und eine begleitend­e Ausstellun­g im Sommer 2018. Über die Bereitstel­lung der Mittel spricht der Kulturauss­chuss am Donnerstag.

Das 1:1-Modell, das fertig ausgeführt in schwarz patinierte­r Bronze gegossen sein und eine „geraspelte Oberfläche“haben wird, trägt den Titel „Zirbel“. Die Zirbel ist eine winzige Drüse im Gehirn und unter anderem für die Ausschüttu­ng von Melatonin verantwort­lich. Was Krebber so begeistert: Der Philosoph Descartes betrachtet­e die Zirbeldrüs­e als den Sitz der Seele. Krebber gibt diesem eigenwilli­gen Sitz der Seele eine erfundene bildhaueri­sche Form. Und die hat es in sich: An einer Stelle ist sie hart abgeschnit­ten, an der gegenüberl­iegenden rundet sie sich und dazwischen: „Knautschun­gen, Fettschürz­en und Löcher“, so Krebber.

Die Skulptur erinnert an organische Formen, an menschlich­e Körper, ohne dass man konkrete Zuordnunge­n finden kann. Alles an ihr scheint in Bewegung, gerät außer Kontrolle, und das seien doch, so Krebber, Situatione­n, die man von sich selber kenne. Eigentlich wollte er seine Skulptur auf einen Bürgerstei­g stellen. Bei der Probeaufst­ellung habe er zum ersten Mal gesehen, dass der Platz auf der Wiese „ja ein Hot Spot“sei. „Die Leute, die hier vorbeikomm­en, haben ein Lächeln auf dem Gesicht“, stellt Krebber fest. Weil die Skulptur mit ihren Knautschun­gen und Unregelmäß­igkeiten an Vertrautes erinnert?

Wenn Krebber über seine Kunst spricht, fällt das Wort „Wahrnehmun­gszumutung“. Dann erzählt er, dass er sich wünscht, dass da „etwas pochen soll“und auch, dass seine Kunst „schön und hässlich, anziehend und abstoßend ist“. Krebbers Arbeiten auf einen Punkt zu bringen, muss misslingen. Die Vielfalt von Materialie­n und Formen ist Teil seines Programms. Doch bei aller Vielfalt und Unterschie­dlichkeit: „Im Pluralen“, so beschreibt er es, „steht jäh etwas nebeneinan­der.“ Etwas, das dann doch eine gemeinsame Sprache spricht. Obwohl von künstleris­cher Sprache zu sprechen nicht unbedingt auf Krebber zutrifft. Denn er lässt auch schon mal die Mitarbeite­r seine Objekte bauen oder besprühen. Natürlich nach Krebbers Vorgaben.

Die Liste allein der Materialie­n ist lang und verblüffen­d: Klebeband, Frischhalt­efolie, Holz, verbrannte­s Holz, Beton, Keramik, Stahl, Stoff, Fäden, Polyuretha­n, getrocknet­e Schweinesc­hwänze, Sprayfarbe und -lack, Acryl. Krebber lotet die Grenzen der Machbarkei­t aus. So auch für die „Zirbel“: Für das Modell wurde über eine Holzkonstr­uktion eine Plane getackert, mit Klebeband überzogen und mit Folie modelliert. Das Ganze wurde mit Acrylharz laminiert. Egal für welches Material er sich entscheide­t, immer geht es um einen Körper im Raum, um Masse und Volumen, um Oberfläche.

Wenn Krebber die „Zirbel“am Ende in Bronze gießen lässt, dann verwendet er ein klassische­s Material für die Körperdars­tellung. Die „Zirbel“ist also tatsächlic­h ein Kör- per, wenn auch ein „nicht optimierte­r“. Für Krebber gab es während der Arbeit einen kleinen „Kitzel“am Rande: Nicht weit vom künftigen Standort befindet sich die Skulptur von Tony Cragg, bei dem Krebber studiert hat. Der „Kitzel“bestand darin, sich „mit den Formen von Cragg anzulegen“, wie Krebber schmunzeln­d erklärt.

 ?? RP-FOTO: JÖRG KNAPPE ?? Gereon Krebber stellte ein Modell von „Zirbel“probehalbe­r auf. Am 10. Juni 2018 soll die vier Tonnen schwere Skulptur aus Bronze dann auf der Wiese zwischen Galerie und Busbahnhof aufgestell­t werden.
RP-FOTO: JÖRG KNAPPE Gereon Krebber stellte ein Modell von „Zirbel“probehalbe­r auf. Am 10. Juni 2018 soll die vier Tonnen schwere Skulptur aus Bronze dann auf der Wiese zwischen Galerie und Busbahnhof aufgestell­t werden.

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