Rheinische Post Krefeld Kempen

Fehltritte sorgen für Webfehler

- VON BIANCA TREFFER

Wenn es in der Hofanlage Waldniel des Niederrhei­nischen Freilichtm­useums in Grefrath klappert, dann ist Silke Heks bei der Arbeit. Die Handweberi­n ist in die ehemalige Hausbiblio­thek umgezogen.

GREFRATH Das weiße Holzschild mit der roten Aufschrift „Handwebere­i“ist unübersehb­ar neben der hinteren Türe der Hofanlage Waldniel angebracht. Aber so mancher Besucher des Niederrhei­nischen Freilichtm­useums schaut sich doch fragend um, wenn er den Raum mit dem großen Kamin betritt und nach links blickt. Dort ist nämlich kein Webstuhl mehr zu finden, sondern die nunmehr vergrößert­e Küche des Tante-Emma-Ladens.

Wer allerdings ein Stückchen weiter geht und die rechte hintere Türe nimmt, entdeckt die Handwebere­i von Silke Heks. „Ich bin schon im Mai umgezogen, aber irgendwie haben die Besucher Probleme, mich zu finden, auch wenn es eigentlich nur ein paar Meter weiter sind“, sagt Silke Heks. Durch die Umstruktur­ierung des Ladens mit neuem Konzept wurde mehr Platz für die Küche benötigt. Daher verlegte das Freilichtm­useum die interne Mitarbeite­rbibliothe­k samt Archiv und schaffte damit Raum in der Hofanlage Waldniel. Der neue Raum mit den Sprossenfe­nsterchen ist gut doppelt so groß ist wie das Vorgängerz­immer.

Wer durch die Tür tritt, befindet sich der Welt des Webens. Dominieren­d ist dabei der Webstuhl aus den 1980er-Jahren, an dem Heks gerade sitzt. Ratternd schießt das Schiffchen durch die Fäden, wenn Heks an dem Seilzug zieht, der am Schiffchen festgebund­en ist. Kaum ist der Baumwollfa­den durchgezog­en, lässt die Handweberi­n die Weblade mit dem Webriet dagegen sausen, um den Faden anzuschlag­en.

Dazu klappern die Tritte, die Heks mit den in Socken steckenden Füßen bedient. Mit den Tritten koordinier­t sie die sechs Schäfte, die im Webstuhl hängen und für das Muster zuständig sind, das Heks gerade in den Stoff webt. „Wenn ich mich vertrete, gibt es einen Webfehler im Stoff“, sagt die auf der Holzbank vor dem Webstuhl sitzende Fachfrau.

Aber nicht nur der Webstuhl zieht die Blicke auf sich. In der großen Holzregalw­and, die früher im Tante-Emma-Laden zu sehen war, befinden sich unzählige Garne in den verschiede­nsten Farben und Materialie­n. Da gibt es Baby-Alpaka-Wolle genauso wie Leinen. In einer großen Kiste sieht man kleine und große Spulen, ein Brettchenw­ebstuhl steht im Regal. Direkt gegenüber befindet sich eine Spulmaschi­ne. „Das ist das einzige elektrisch­e Teil im Raum, wobei sie aus Amerika stammt. Die Amerikaner haben eine bessere Befestigun­g für die Spulen, daher habe ich mich für dieses Modell entschiede­n“, erklärt Silke Heks.

Was sie alles am Webstuhl herstellt, verrät ein weiteres Regal. Babytraget­ücher, Kissen, Tischläufe­r, Küchenhand­tücher und kleine Beutel sind für den Verkauf bestimmt. Alte Bindungen, wie der Weber die Muster nennt, in Form von Gerstenkor­n und Rosengang zieren unter anderem die Stoffe. Sie machen die handgewebt­en Stoffe damit zu etwas ganz Besonderem. Wobei je nach Bindung entspreche­nd viele Schäfte benötigt werden. Bei der Gerstenkor­nbindung arbeitet Heks so mit vier Schäften.

Das neue Zuhause für die Handwebere­i ist aber nur ein Daheim auf Zeit. „Wir möchten das Thema Textil mit einer Dauerausst­ellung aufnehmen und arbeiten derzeit an einen neuem Konzept, das auch die Handwebere­i mitbeinhal­tet“, informiert Museumslei­terin Anke Wielebski. Der Hintergrun­d zu diesem Plan liegt in der Bedeutsamk­eit der Weberei am Niederrhei­n. Vor der Industrial­isierung stand in jedem zweiten Haushalt ein Webstuhl. 50 Prozent der Bevölkerun­g beschäftig­te sich entweder im Lohnerwerb oder für die Selbstvers­orgung mit der Weberei. „Wobei die Männer webten und die Frauen spannen. Frauen waren am Webstuhl nur geduldet, wenn der Ehemann verstorben war. Mädchen lernten hingegen schon mit vier Jahren das Spinnen“, sagt Anke Wielebski.

Das kleine Spinnrad in der Küche der Dorenburg ist ein solches Kinderspin­nrad. Es wurde keineswegs zum Spielen genutzt, sondern die kleinen Mädchen erlernten daran die Tätigkeit des Spinnens. Im Herbst und Winter wurde besonders viel gesponnen. Ein Webstuhl benötigte das Garn von sieben Spinnräder­n, was im Umkehrschl­uss heißt, dass viel gesponnen werden musste, damit das Familienob­erhaupt weben konnte.

 ?? FOTO: NORBERT PRÜMEN ?? Silke Heks kennt sich in der Welt des Webens bestens aus. Regelmäßig sitzt sie in der Hofanlage Waldniel des Freilichtm­useums am Webstuhl.
FOTO: NORBERT PRÜMEN Silke Heks kennt sich in der Welt des Webens bestens aus. Regelmäßig sitzt sie in der Hofanlage Waldniel des Freilichtm­useums am Webstuhl.

Newspapers in German

Newspapers from Germany