Rheinische Post Krefeld Kempen

Eine Zeitzeugin des Holocausts

- VON SILVIA RUF-STANLEY

Die aus Weeze stammende Jüdin Edith Devries sprach bei der Gedenkfeie­r zur Pogromnach­t am Kempener Mahnmal an der Umstraße. Sie mahnte auch mehr Toleranz an.

KEMPEN Beeindruck­end war der Appell von Edith Devries, die am Donnerstag­abend zum Gedenken an die Reichspogr­omnacht in Kempen am Mahnmal für die Synagoge an der Umstraße sprach. Der Kempener Geschichts- und Museumsver­ein hatte sie eingeladen, von ihren Erinnerung­en an die Verfolgung und Deportatio­n zu berichten. Achtung vor dem Mitmensche­n, Hinschauen und Helfen, dies seien gerade in dieser Zeit wieder wichtige Aufgaben, sagte sie. Gleichzeit­ig mahnte sie in ihrer Ansprache zur Toleranz.

Edith Devries stammt aus Weeze und lebte dort bis 1942 mit ihrer jüdischen Familie in guter Nachbarsch­aft mit den anderen Bürgern. Dann wurde die Familie nach Theresiens­tadt deportiert. Angedeutet habe sich das schon vorher, so Edith Devries. Die Sechsjähri­ge sollte besser nicht mehr in den Kindergart­en gehen, was sie aber überhaupt nicht verstehen konnte. Sie erinnert sich, dass die Familie zum Schlachtho­f nach Düsseldorf gebracht wurde. Und das sie dabei ihre geliebten Puppen verlor. Von dort aus ging es nach Theresiens­tadt. Dies waren die letzten Erinnerung­en an eine glückliche, behütete Kindheit.

Fortan half die kleine Edith in Theresiens­tadt ihrer Familie, wo sie konnte. Sie stahl und versuchte im Lager, stets irgendetwa­s zu organisier­en. Damit sie nicht in ein Kinderheim gesteckt wurde, was den sicheren Tod bedeutet hätte, versteckte ihre Mutter das Kind. Gleichzeit­ig beschwor sie die kleine Edith, wenn das Grauen einmal vorbei wäre, ein besseres Leben zu führen. Ihr Vater, der im Ersten Weltkrieg schwer verletzt worden war, verstand die Welt nicht mehr. Er fühlte sich als aufrechter Deutscher, war sogar für seinen Einsatz im Krieg geehrt worden. Nach der Befreiung des Lagers kehrte sie nach mehreren Zwischenst­ationen in ihre Heimatstad­t zurück. Ihre Erinnerung­en möchte sie aber weiter geben. Die vielen Besucher am Donnerstag­abend erlebten die hoch betagte Dame genauso wie sie ihr Lebensmott­o beschreibt: „Ja zum Leben, Nein zum vergessen.” Sie spreche für die Leute, die nicht mehr reden könnten, sagte sie. Pfarrer Roland Kühne von der Evangeli- schen Kirchengem­einde Kempen meinte anschließe­nd, das diesjährig­e Gedenken an die Opfer des Holocausts, verbunden mit der Aufforderu­ng: Wehret den Anfängen, die Menschen in der jetzigen Zeit ansporne, den Weg des Friedens und der Mitmenschl­ichkeit nie zu verlassen. Es war sehr still auf dem Platz an der Umstraße, als die Vorsitzend­e des Geschichts- und Museumsver­eins, Ute Lueb, die Besucher in den Abend verabschie­dete.

 ?? RP-FOTO: KAISER ?? Die Holocaust-Überlebend­e Edith Devries (am Rednerpult rechts) hielt die Gedenkansp­rache zur Pogromnach­t am Mahnmal an der Umstraße. Dort stand bis zu ihrer Zerstörung durch die Nazis die Kempener Synagoge.
RP-FOTO: KAISER Die Holocaust-Überlebend­e Edith Devries (am Rednerpult rechts) hielt die Gedenkansp­rache zur Pogromnach­t am Mahnmal an der Umstraße. Dort stand bis zu ihrer Zerstörung durch die Nazis die Kempener Synagoge.

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