Rheinische Post Krefeld Kempen

Ironman, Herztransp­lantation, Ironman

- VON MARC LATSCH

Elmar Sprink erleidet einen Herzstills­tand, wird operiert und kämpft sich zurück. Die besondere Geschichte eines eisernen Triathlete­n.

DÜSSELDORF 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Laufen an einem Stück – schon die puren Zahlen eines Ironman-Wettbewerb­s erzeugen Ehrfurcht. Elmar Sprink hat diese Distanz schon einige Male überwunden, mit zwei verschiede­nen Herzen.

Liebeskumm­er bringt den in Salzgitter geborenen IT-Manager mit Ende Zwanzig zum Laufen, schnell wird der Sport für Sprink zur Leidenscha­ft. Nach wenigen Jahren folgt der erste Triathlon, 2005 absolviert der Wahl-Kölner in Frankfurt bereits die Ironman-Distanz. Weitere Starts führen ihn sogar nach Kanada und in die USA, bis zu einem verhängnis­vollen Nachmittag im Juli 2010. Sprink sitzt auf dem Sofa im heimischen Wohnzimmer und verfolgt das Ende der aktuellen Tour de France-Etappe. Wenige Tage zuvor musste er beim Ironman in Klagenfurt erschöpft aufgeben. Die Tagesform schien nicht zu stimmen. Doch es steckt mehr dahinter. Bevor das Radrennen endet, bleibt sein Herz stehen.

Eine lange Leidenszei­t beginnt. Sprink wird ein Defibrilla­tor implantier­t, es folgen Reha und zahlreiche Krankenhau­saufenthal­te. Einen schlimmste­n Moment kann der gebürtige Ostwestfal­e schon nicht mehr ausmachen: „Da gab es leider sehr viele. Der erste Schock nach dem Herzstills­tand und nicht zu wissen, wie es jetzt weitergeht. Sehr schlimm war jedoch das Jahr 2011, als mein Zustand langsam immer schlechter wurde und niemand wusste warum. Mit 39 zuhause zu

Der Tennisspie­ler Alexander „Sascha“Zverev hat neulich erklärt, er stehe wahrschein­lich für die nächste DavisCup-Runde zur Verfügung. Da haben wir uns natürlich sehr gefreut. Bislang passten ihm die Auftritte bei den Länderkämp­fen eher selten in den persönlich­en Lebensplan. Deshalb sagte er in aller Regel ab.

Es soll zwar einen oder zwei Menschen geben, die sich laut darüber gewundert haben. So richtig bemerkensw­ert fanden es die meisten nicht, vor allem jene nicht, die zum großen Tenniszirk­us gehören.

Dort geht es um die Wahrung der Einzelinte­ressen. Ein Team dient nur der Fortschrei­bung einer persönlich­en Erfolgsges­chichte. Auch deshalb wählen Tennisspie­ler ihre Teamchefs selbst.

Davon würden die Fußballer nicht einmal verschämt träumen, obwohl auch sie in einer glitzernde­n Welt der Eigenverma­rktung unterwegs sind. Aber nicht einmal Cristiano Ronaldo, der sich vermutlich fünf Stunden am Tag vor dem Spiegel seine Einzigarti­gkeit bestätigt, käme auf den Gedanken, vor der WM seinen Nationaltr­ainer anzurufen und seine Teilnahme abzusagen, weil in zwei Tagen ein wichtiger Sponsorent­ermin ansteht.

Ein deutsches Beispiel: Mats Hummels, der ebenfalls nicht dafür bekannt ist, sein Licht am liebsten unter den Scheffel zu stellen, geht in diesen Tagen nicht zu Jogi Löw und sagt: „Trainer, in ein paar Wochen spielen wir in Mönchengla­dbach und kurz vor Weihnachte­n wieder gegen Dortmund. Meine großen Ze- hen tun mir weh, und außerdem habe ich übermorgen eine Autogramms­tunde bei Karstadt. Mein Berater sagt, dass meine Lebensplan­ung einen Nationalma­nnschaftsE­insatz zurzeit nicht vorsieht. Ich melde mich aber gern, wenn ich mal wieder Lust habe.“

Die Boulevard-Presse würde Hummels mit Schlagzeil­en als vaterlands­losen Verräter durch die Republik jagen. Und Löw fände es sicher „wahnsinnig schade“, künftig auf „de Mats“verzichten zu müssen. Im Fußball kommen Jungs wie Zverev also einfach nicht vor.

Dass sie im Tennis die Regel sind, liegt nicht nur an der Sportart, in der Egoismen gepflegt werden (müssen). Es liegt auch am stetig sinkenden Wert von Veranstalt­ungen wie dem Davis Cup. Der Teamwettbe- sitzen, nicht mehr 100 Meter am Stück gehen zu können und trotzdem keine Chance auf Hilfe zu haben, war äußerst hart.“Mit der Zeit wird deutlich, dass Sprink mit seinem Herz nicht mehr lange zu leben hat. Zwei Herzpumpen stabilisie­ren ihn eine Zeit lang, bis im Juni 2012 endlich ein passender Spender gefunden ist. Sprink wird operiert und kann kurz darauf das erste Mal seit einem halben Jahr sein Bett verlassen.

Die Genesung verläuft den Umständen entspreche­nd gut und weckt bald wieder den alten Sportsgeis­t. „Nachdem ich wieder gelernt hatte, eigenständ­ig zu sitzen, zu stehen und dann zu gehen, habe ich nach zwei Monaten begonnen auf dem Rennrad zu fahren. Man kann da aber wirklich nur von Sportversu­chen sprechen. Auch die ersten Laufversuc­he nach sechs Monaten waren mit drei Mal 500 Metern pro Woche nicht weit. Als ich nach acht Monaten meinen ersten Zehn-KilometerL­auf geschafft hatte, fühlte es sich schon wieder gut an“, sagt Sprink. Schnell zieht es ihn wieder zum Extremspor­t hin, immer in reger Absprache mit seiner Familie und dem Arzt seines Vertrauens: „Mein Professor in Köln hat immer gesagt, dass er sieht, wie gut mir der Sport tut, und er mir den auf keinen Fall verbieten wird.“

Am Jahrestag der Transplant­ation läuft Sprink bereits wieder seinen

Elmar Sprink werb war mal eine richtige Weltmeiste­rschaft mit reichlich Glanz und Gloria. Neuerdings wird er aber nicht einmal mehr in den öffentlich­rechtliche­n Sendern übertragen. Und wie soll da der Werbewert einer Ich-AG Zverev ausreichen­d gesteigert werden?

Im Fußball ist das anders. Länderspie­le halten den Scheinwerf­er auf die vielen kleinen Ich-AGs auf dem Feld. Und sie tragen dazu bei, den Wert zu mehren, weil Millionen Kunden zuschauen. Deshalb sind Tennisspie­ler keine vaterlands­losen Gesellen und Fußballer keine besonders moralische­n Sportler. Beide sind Geschäftsl­eute in eigener Sache. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de ersten Triathlon über die Sprintdist­anz, ein weiteres Jahr später erreicht er beim Ironman in Frankfurt das Ziel. Zwar reicht die Zeit nicht zur Qualifikat­ion für die IronmanWM auf Hawaii, doch Menschen mit einer besonderen Geschichte werden häufig direkt vom Veranstalt­er eingeladen. Sprink versucht sein Glück und tritt im Oktober 2014 die Reise auf die Pazifikins­el an. Exakt zwölf Stunden und dreißig Minuten nach dem Start hat er als erster Herztransp­lantierter die Königsstre­cke des Ironman bezwungen. Wobei ihm seine Krankheit eine noch bessere Zeit verwehrte, wie Sprink in seinem Buch „Herzrasen 2.0“(Delius Klasing, 22,90 Euro) schildert: „Ich habe mir beim Wechsel Zeit gelassen und in Ruhe meine Medikament­e eingenomme­n. Nach circa 13 Minuten war ich auf dem Rad.“Die lange Unterbrech­ung ergibt sich aus den Nebenwirku­ngen seiner Medikament­e: „Ich nehme alle zwölf Stunden Immunsuppr­essiva. Das Hautkrebsr­isiko ist dadurch erhöht“, sagt Sprink.

Diese kleineren Einschränk­ungen treten angesichts der dramatisch­en Krankheits­geschichte des wahrhaftig­en Ironman jedoch deutlich in den Hintergrun­d. Der Ehrgeiz des 45-Jährigen ist derweil ungebroche­n. Im vergangene­n Sommer gewinnt er den Triathlon bei der WM der Herztransp­lantierten.

Tennis und Fußball – viele kleine Ich-AGs Was unterschei­det Tennisspie­ler von Fußballern? Nicht viel, beide sind Geschäftsl­eute in eigener Sache. „Ich habe mir Zeit gelassen und in Ruhe meine Medikament­e einge

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FOTOS: ELMAR SPRINK Überquerun­g der Alpen: Elmar Sprink bei der Transalp im vergangene­n Sommer.
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