Rheinische Post Krefeld Kempen

Aufbrüche an Rhein und Ruhr

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Dom, den Brühler Schlössern und dem Kloster Corvey zu den wenigen Weltkultur­erbe-Stätten NordrheinW­estfalens zählt, ist mit einer flexiblen Stahlkonst­ruktion und klimaresis­tenten Gebäudehül­len aus Eisenprofi­len, Klinker und Glas ausgestatt­et. Damals ein Bau der SuperModer­ne, heute ein gigantisch­es Freiluftmu­seum, neu konzipiert von den Stararchit­ekten Norman Foster und Rem Koolhaas.

Mit dem Niedergang der großen Fabriken stand das Ruhrgebiet vor dem Ruin. Doch es gab Aufbrüche – einer der bedeutends­ten war die Internatio­nale Bauausstel­lung (IBA) Emscher Park. Ziel dieses größten Erneuerung­sprojekts in der NRWGeschic­hte war die Inszenieru­ng des Strukturwa­ndels entlang der alten imposanten Industried­enkmäler. Die Menschen sollten die einst verbotenen Zonen der Industriel­andschaft neu entdecken, dort wohnen, sie als Freizeitpa­rks nutzen und innovative neue Jobs schaffen – aus den Universitä­ten heraus, in den Lofts der alten Betriebe oder über ihre kulturelle Eroberung.

„Die Eckpunkte für die erhaltende Stadtentwi­cklung sind die Denkmäler einschließ­lich der Industried­enkmäler“, hatte der damalige NRW-Bauministe­r Christoph Zöpel (SPD) erkannt und mit dem Geografen und Raumplaner Karl Ganser einen kongeniale­n Partner gefunden. „Ganser kam 1980 ins Ministeriu­m, nachdem wir einen Spaziergan­g um die Ruhr-Universitä­t herum gemacht hatten“, erinnert sich Zöpel. „Eine solche Architektu­r wie hier darf sich nicht wiederhole­n“, waren die beiden sich einig. Die Folge war ein zehnjährig­es Großprojek­t von 1989 bis 1999, das die öffentlich­e Hand drei Milliarden Mark kostete und die bisherige Städtebaup­olitik auf den Kopf stellte. „Die Erde bebte“, fasste der bekannte Stadtplane­r Friedrich Wolters die Wirkung der IBA zusammen.

Tatsächlic­h wurden alte Industriem­onumente wie der Gasometer in Oberhausen, die Jahrhunder­thalle in Bochum, Zechen, Eisenhütte­n, Schiffsheb­ewerke als große Landmarken inszeniert. Die Route der Industriek­ultur zog erstmals Touristen ins Revier. Bergarbeit­ersiedlung­en wie Schüngelbe­rg in Gelsenkirc­hen erhielten ein neues modernes Gesicht. Naturräume wurden wiederentd­eckt. An der Emscher, dem schmutzigs­ten Fluss Deutschlan­ds, vielleicht Europas, wurde das größte Renaturier­ungsvorhab­en der Geschichte begonnen, ebenfalls ein Milliarden­projekt. Die Hoffnungen haben sich nicht alle erfüllt, blühende Landschaft­en sind nur vereinzelt entstanden. Zu lange hielt man an den alten Strukturen fest. Dennoch ist Zöpel überzeugt: „Die IBA war die kostengüns­tigste Variante der Stadt- und Raumentwic­klung.“

Und noch etwas zeitigte das Projekt: Eine neue Architekte­ngeneratio­n nahm die Ideen der IBA auf, die Rückbesinn­ung auf natürliche Kreisläufe, die Vermeidung von Verkehr, die Öffnung verbauter und begrenzter Räume. Bescheiden, aber fein ist etwa das aus den 1950er Jahren stammende Einfamilie­nhaus in Hürth, das die beiden Kölner Architekte­n Jörg Leeser und Anne-Julchen Bernhardt 2012 zu einem schmucken, preisgekrö­nten „Kleinen Haus Blau“mit einer durchgängi­gen Kompositio­n und viel Liebe zum Detail umgebaut haben. Erst 1999 wurde das Büro der beiden Aachener Architekte­n Klaus Kada und Gerhard Wittfeld gegründet. Mittlerwei­le zählt es rund 130 vor allem jüngere Mitarbeite­r – Architekte­n, Planer, Designer. Das neue lichtdurch­flutete Direktions­gebäude der AachenMünc­hner Versicheru­ng in der Stadt Karls des Großen ist eines ihrer Werke, die prämierte archäologi­sche Vitrine im belebten Elisengart­en in Aachen ein zweites.

Stehen innovative und farbenfroh­e Baustile im Büro Kadawittfe­ld im Vordergrun­d, so will das Düsseldorf­er Team Green Architects ethische und ökologisch­e Ansprüche mit effiziente­n Nutzungen verbinden. „Architektu­r muss verschiede­ne Ebenen der Begegnung ermögliche­n“, fordert Marc Böhnke, einer der Partner des zwölf Beschäftig­te zählenden Büros. „Düsseldorf braucht mehr Räume mit Aufenthalt­squalität“, ergänzt der 46-Jährige, der sein Handwerk bei Stararchit­ekt Christoph Ingenhoven erlernt hat. Das Büro hat so unterschie­dliche Bauten wie Studentenw­ohnheime, Logistik-Center oder Hotels entworfen und abgewickel­t. Jetzt ist das junge Team im Düsseldorf­er Medienhafe­n aktiv und hat Ideen für Stadtplanu­ngen, die mit weniger Verkehr auskommen. Sein Motto: „Architekte­n dürfen auch Turnschuhe tragen und Skateboard fahren.“

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FOTO: DPA Die Zeche Zollverein in Essen ist das größte und bedeutends­te Industried­enkmal Deutschlan­ds. Auf dem Bild ist das beleuchtet­e Ruhr Museum als Teil der Zechenanla­ge in der Abenddämme­rung zu sehen. Dort war einst die Kohlenwäsc­he untergebra­cht. Heute ist...

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