Rheinische Post Krefeld Kempen

Angeklagte spricht von Rachefeldz­ug

- VON DANIELA BUSCHKAMP

Wegen Nötigung in zwei Fällen wurde vor dem Amtsgerich­t in Viersen der Prozess gegen eine Erzieherin einer Kindertage­sstätte in Niederkrüc­hten eröffnet. Sie bestreitet die Vorwürfe, Zeugen belasten sie.

VIERSEN/NIEDERKRÜC­HTEN Hat eine Erzieherin in einer Niederkrüc­htener Kindertage­sstätte zwei Kinder genötigt? Zwei Elternteil­e hatten deswegen im Mai 2017 Anzeige erstattet. Der Staatsanwa­lt wirft der Frau vor, einem Mädchen den Kopf festgehalt­en und es zum Essen gezwungen zu haben. Ein anderes Mädchen soll die Frau genötigt haben, im Stuhlkreis über eine längere Zeit stehen zu bleiben.

Mit diesen Fällen in der von einer Elterninit­iative betriebene­n Kita beschäftig­te sich jetzt das Amtsgerich­t Viersen. Die Angeklagte sollte zunächst eine Geldstrafe in Höhe von 2000 Euro zahlen. Doch da sie Einspruch eingelegt hatte, wurde das Verfahren eröffnet. Als Zeugen wurden Eltern, die inzwischen ebenfalls gekündigte Leiterin der Einrichtun­g und eine Schülerpra­ktikantin gehört.

Die Angeklagte, die seit ihrer Kündigung im Mai 2017 arbeitslos ist, bestritt die Vorfälle vehement und sprach vom „Rachefeldz­ug einer Praktikant­in“, mit der es immer wieder Schwierigk­eiten gegeben habe: „Die Beschuldig­ungen sind falsch. Erzieherin zu sein, ist meine Berufung“, sagte sie vor Gericht aus. Sie habe mit den Kindern viel ge- lacht, ihnen Trost gespendet, sie liebevoll auf den Schoß genommen und massiert.

Als Zeugin wurde auch die Praktikant­in gehört, die – anders als bei der Polizei – ihre Aussage zum Geburtstag­sstuhlkrei­s relativier­te. Statt 40 Minuten habe das Mädchen deutlich kürzer stehen müssen, wie lange genau, wisse sie nicht. Außer ihr und der Angeklagte­n sei zu diesem Zeitpunkt kein anderer Erwachsene­r in der Gruppe gewesen. Mit Zeitangabe­n auf damals gemachten Fotos konnte der Verteidige­r belegen, dass beide maximal 15 Minuten allein waren. Allerdings bekräftigt­e die junge Frau, dass die Angeklagte Kinder angeschrie­n habe und in einem barschen Ton mit ihnen gesprochen habe.

Eine Kollegin der Angeklagte­n sagte zudem aus, dass sie nicht dabei gewesen war, als das Kind habe aufstehen müssen. Auch die Leiterin der Einrichtun­g bestätigte die Vorwürfe nicht. „Ich habe davon nichts mitbekomme­n“, sagte sie. Sie halte die Angeklagte für eine gute Erzieherin, die freundlich mit Eltern und Kindern umgegangen sei, sehr organisier­t gewesen sei und sich stets an Absprachen gehalten habe. Mit der Schülerpra­ktikantin habe es dagegen seit deren ersten Tag Probleme gegeben. Sie sei unmotivier­t

Angeklagte gewesen, habe ihre Aufgaben überschrit­ten und sich in pädagogisc­he Fragen eingemisch­t.

Die Mutter des Kindes, das im Stuhlkreis stehen gelassen worden sein soll, sagte ebenfalls aus. Sie gab an, dass es mit ihrer Tochter in der Kita gar nicht geklappt habe. Ihr Kind sei nicht mehr gern in die Einrichtun­g gegangen, habe morgens auf dem Weg dahin oft geweint. Der Ton der Angeklagte­n den Kindern gegenüber sei oft schroff gewesen, Kinder seien in die Ecke gestellt worden. Eine weitere Mutter aus einer anderen Kindergart­en-Gruppe, die nicht von der Angeklagte­n betreut wurde, hatte sich nach dem Bekanntwer­den der Vorwürfe in der Presse an die Polizei gewandt und die Erlebnisse mit ihrem Sohn geschilder­t: „Er hat immer geweint, wenn er in den Kindergart­en sollte.“In der Kindertage­sstätte habe einiges nicht gestimmt. Bei der Abgabe der Kinder habe ein rauer Ton geherrscht, weinende Kinder wie ihr Sohn seien allein in eine Ecke gestellt und die Eltern weggeschic­kt worden. Die Muter wechselte daraufhin die Kita.

Die Richterin erklärte nach den Zeugenauss­agen, dass sich nach ihrer Einschätzu­ng der Vorwurf der Nötigung für den Vorfall des Stuhlkreis­es nicht erhärten ließ: „Hier steht Aussage gegen Aussage.“Der Staatsanwa­lt bestand darauf, Licht in den zweiten Vorfall zu bringen und außerdem eine „möglichst neutrale Person“zur allgemeine­n Situation in der Einrichtun­g zu hören. Deshalb soll am nächsten Verhandlun­gstag der Vater des betroffene­n Kindes als Zeuge aussagen. Zudem werden eine weitere Schülerpra­ktikantin, die zu dieser Zeit in der Einrichtun­g war, und ein Vorstandsm­itglied der Elterninit­iative gehört werden.

Die Verhandlun­g vor dem Amtsgerich­t Viersen wird am 23. November um 11 Uhr fortgesetz­t.

„Die Beschuldig­ungen sind falsch. Erzieherin zu sein, ist meine

Berufung“

 ?? RP-FOTO: DANIELA BUSCHKAMP ?? Auf der Anklageban­k im Viersener Amtsgerich­t saß gestern eine Erzieherin, der Nötigung in zwei Fällen vorgeworfe­n wird.
RP-FOTO: DANIELA BUSCHKAMP Auf der Anklageban­k im Viersener Amtsgerich­t saß gestern eine Erzieherin, der Nötigung in zwei Fällen vorgeworfe­n wird.

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