Rheinische Post Krefeld Kempen
Angeklagte spricht von Rachefeldzug
Wegen Nötigung in zwei Fällen wurde vor dem Amtsgericht in Viersen der Prozess gegen eine Erzieherin einer Kindertagesstätte in Niederkrüchten eröffnet. Sie bestreitet die Vorwürfe, Zeugen belasten sie.
VIERSEN/NIEDERKRÜCHTEN Hat eine Erzieherin in einer Niederkrüchtener Kindertagesstätte zwei Kinder genötigt? Zwei Elternteile hatten deswegen im Mai 2017 Anzeige erstattet. Der Staatsanwalt wirft der Frau vor, einem Mädchen den Kopf festgehalten und es zum Essen gezwungen zu haben. Ein anderes Mädchen soll die Frau genötigt haben, im Stuhlkreis über eine längere Zeit stehen zu bleiben.
Mit diesen Fällen in der von einer Elterninitiative betriebenen Kita beschäftigte sich jetzt das Amtsgericht Viersen. Die Angeklagte sollte zunächst eine Geldstrafe in Höhe von 2000 Euro zahlen. Doch da sie Einspruch eingelegt hatte, wurde das Verfahren eröffnet. Als Zeugen wurden Eltern, die inzwischen ebenfalls gekündigte Leiterin der Einrichtung und eine Schülerpraktikantin gehört.
Die Angeklagte, die seit ihrer Kündigung im Mai 2017 arbeitslos ist, bestritt die Vorfälle vehement und sprach vom „Rachefeldzug einer Praktikantin“, mit der es immer wieder Schwierigkeiten gegeben habe: „Die Beschuldigungen sind falsch. Erzieherin zu sein, ist meine Berufung“, sagte sie vor Gericht aus. Sie habe mit den Kindern viel ge- lacht, ihnen Trost gespendet, sie liebevoll auf den Schoß genommen und massiert.
Als Zeugin wurde auch die Praktikantin gehört, die – anders als bei der Polizei – ihre Aussage zum Geburtstagsstuhlkreis relativierte. Statt 40 Minuten habe das Mädchen deutlich kürzer stehen müssen, wie lange genau, wisse sie nicht. Außer ihr und der Angeklagten sei zu diesem Zeitpunkt kein anderer Erwachsener in der Gruppe gewesen. Mit Zeitangaben auf damals gemachten Fotos konnte der Verteidiger belegen, dass beide maximal 15 Minuten allein waren. Allerdings bekräftigte die junge Frau, dass die Angeklagte Kinder angeschrien habe und in einem barschen Ton mit ihnen gesprochen habe.
Eine Kollegin der Angeklagten sagte zudem aus, dass sie nicht dabei gewesen war, als das Kind habe aufstehen müssen. Auch die Leiterin der Einrichtung bestätigte die Vorwürfe nicht. „Ich habe davon nichts mitbekommen“, sagte sie. Sie halte die Angeklagte für eine gute Erzieherin, die freundlich mit Eltern und Kindern umgegangen sei, sehr organisiert gewesen sei und sich stets an Absprachen gehalten habe. Mit der Schülerpraktikantin habe es dagegen seit deren ersten Tag Probleme gegeben. Sie sei unmotiviert
Angeklagte gewesen, habe ihre Aufgaben überschritten und sich in pädagogische Fragen eingemischt.
Die Mutter des Kindes, das im Stuhlkreis stehen gelassen worden sein soll, sagte ebenfalls aus. Sie gab an, dass es mit ihrer Tochter in der Kita gar nicht geklappt habe. Ihr Kind sei nicht mehr gern in die Einrichtung gegangen, habe morgens auf dem Weg dahin oft geweint. Der Ton der Angeklagten den Kindern gegenüber sei oft schroff gewesen, Kinder seien in die Ecke gestellt worden. Eine weitere Mutter aus einer anderen Kindergarten-Gruppe, die nicht von der Angeklagten betreut wurde, hatte sich nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe in der Presse an die Polizei gewandt und die Erlebnisse mit ihrem Sohn geschildert: „Er hat immer geweint, wenn er in den Kindergarten sollte.“In der Kindertagesstätte habe einiges nicht gestimmt. Bei der Abgabe der Kinder habe ein rauer Ton geherrscht, weinende Kinder wie ihr Sohn seien allein in eine Ecke gestellt und die Eltern weggeschickt worden. Die Muter wechselte daraufhin die Kita.
Die Richterin erklärte nach den Zeugenaussagen, dass sich nach ihrer Einschätzung der Vorwurf der Nötigung für den Vorfall des Stuhlkreises nicht erhärten ließ: „Hier steht Aussage gegen Aussage.“Der Staatsanwalt bestand darauf, Licht in den zweiten Vorfall zu bringen und außerdem eine „möglichst neutrale Person“zur allgemeinen Situation in der Einrichtung zu hören. Deshalb soll am nächsten Verhandlungstag der Vater des betroffenen Kindes als Zeuge aussagen. Zudem werden eine weitere Schülerpraktikantin, die zu dieser Zeit in der Einrichtung war, und ein Vorstandsmitglied der Elterninitiative gehört werden.
Die Verhandlung vor dem Amtsgericht Viersen wird am 23. November um 11 Uhr fortgesetzt.
„Die Beschuldigungen sind falsch. Erzieherin zu sein, ist meine
Berufung“