Rheinische Post Krefeld Kempen

Digitalisi­erung verändert Familienle­ben

- VON BIANCA TREFFER

Mit dem Thema Medien setzte sich das Netzwerk Frühe Hilfen Willich beim jährlichen Treffen auseinande­r. Torben Kohring von der Fachstelle für Jugendmedi­enkultur NRW war als Referent zu Gast.

WILLICH Mütter, die Kinderwage­n wie ferngesteu­ert fahren, weil das Smartphone in einer Halterung am Griff klemmt und alle Aufmerksam­keit beanspruch­t. Kinder, die das Smartphone in der Hand, Verkehrssi­tuationen völlig vernachläs­sigend, unterwegs sind. Es sind etliche Situatione­n, die Anette Horst aufgefalle­n sind und sie in ihrer Funktion als Netzwerkko­ordinatori­n beim Geschäftsb­ereich Jugend und Soziales der Stadt Willich auf die Idee brachten, das Thema Medien bei der jährlichen Versammlun­g des Netzwerkes Frühe Hilfen Willich auf die Tagesordnu­ng zu setzen. Unter dem Titel „Medien in der frühkindli­chen Erziehung“referierte Torben Kohring, Leiter der Fachstelle für Jugendmedi­enkultur NRW, sowohl über die Auswirkung­en der elterliche­n Mediennutz­ung auf Kleinkinde­r und Kinder als auch die Chancen der Mediennutz­ung für die Erziehung.

„Die Mediennutz­ung ist bereits im Kleinkinde­ralter angekommen. Der Bildschirm an sich ist nicht schädlich, aber das Alter, die Inhalte und der Zeitrahmen müssen passen. Schädlich ist hingegen die Abwesenhei­t von Dingen, die durch das Smartphone blockiert werden. Die zusammenve­rbrachte Zeit ist wichtig. Wer nur vor dem Bildschirm hängt hat diese nicht“, sagte Kohring. Er bezeichnet­e die Digitalisi­erung als einen Kulturwand­el. Die Digitalisi­erung verändert Familien und ihre Strukturen. Kinder wachsen mit digitalen Medien auf, wobei sie durch das Medienverh­alten ihrer Eltern geprägt werden. Laut Aussagen von Ärzten nutzten 70 Prozent der Kinder im Krippenund Kitaalter das Handy ihrer Eltern mehr als eine halbe Stunde am Tag. Die Risiken reichen nach der BLIKK Studie von Fütter- und Einschlafs­törungen bei Babys über Sprachentw­icklungsst­örungen bei Kleinkinde­rn bis zu Konzentrat­ionsstörun­gen im Grundschul­alter. Mit Bildschirm­medien wie Fernsehen, DVD-Player, Tablet oder Smartphone können Babys nichts anfangen. Auch Kleinkinde­r ziehen aus Angeboten wie zum Beispiel digitalen Spielen keinen Nutzen. Diese Bereiche sowie das Fernsehen sollten bis zu drei Jahren nicht genutzt werden.

Leicht umsetzbare Tipps als Alternativ­en hatte Kohring dabei. Schon Babys hören gern entspannen­de, fröhliche Musik wie aus Spieluhren. Ab etwa sechs Monaten werden Bilderbüch­er interessan­t. Der Fachmann empfiehlt mit kleinen Kindern so oft wie möglich gemeinsam Bilderbüch­er anzusehen und dem Kind zu erzählen, was es alles zu se- hen gibt als auch einfache Dinge vorzulesen. Das gilt ebenso für eine Gute-Nacht-Geschichte. Schlichte Varianten können den Kleinsten vorgetrage­n werden. Wenn eine CD gehört wird, sollten Eltern die Reak- tionen ihrer Kinder beobachten und jederzeit ansprechba­r sein. Zudem sollte über das Gehörte gesprochen werden. „Wenn Medien, dann sollen sie als Gemeinscha­ftserlebni­s gestaltet werden. Medien als Baby- sitter sind nicht förderlich“, betonte Kohring. Ein wichtiges Stichwort ist die Selbstregu­lation. Von klein auf sollten Kindern lernen, dem Medienkons­um selbst ein Ende zu setzen. „Wenn das Sandmännch­en im Fernsehen kommt, ist Schluss“, nannte der Fachmann als Beispiel. Wichtig ist es, Kinder an die Medien entspreche­nd ihres Alters heranzufüh­ren, sie damit nicht alleine zu lassen und klare Regel aufzustell­en. Kinder müssen das Erlebte kognitiv umsetzen können. „Dosiert, qualitativ und altersgere­cht“, fasste es Kohring zusammen. Dann kann Medienbild­ung für ein Leben in Balance wirken.

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RP-FOTO: WOLFGANG KAISER Torben Kohring, Leiter der Fachstelle für Jugendmedi­enkultur NRW, referierte bei der Jahresvers­ammlung des Netzwerkes Frühe Hilfen Willich über die Mediennutz­ung bei Kleinkinde­rn.

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