Rheinische Post Krefeld Kempen
Seidenweberhaus: Verwaltung empfiehlt Neubau auf Theaterplatz oder Kesselhaus
Eine Sanierung des Seidenweberhauses wird von der Verwaltung als unverhältnismäßig teuer eingestuft. So empfehlen die Fachleute aus dem Rathaus: Neubau auf dem Theaterplatz oder Rückgriff auf das Kesselhaus. Nun muss die Politik entscheiden.
Das Papier der Verwaltung dient einer Grundsatzentschei
dung der Politik Das Thema jährliche Betriebskosten wird nahezu vollständig
ausgeblendet
STIMMEN
Heute stellt die Verwaltung ihre mit Spannung erwarteten Überlegungen zur Zukunft des Seidenweberhauses vor. Die Ergebnisse im Kern: Die Sanierung des Seidenweberhauses wird als nicht sinnvoll erachtet; die Variante des Unternehmers Gerald Wagener (Hotel plus Kongress) wird aus rechtlichen Gründen verworfen; verworfen wird auch die Idee eines Neubaus hinterm Bahnhof – als sinnvoll werden entweder Abriss und Neubau auf dem Theaterplatz oder der Ausbau des Kesselhauses eingestuft. Entscheiden muss die Politik – das Papier der Verwaltung soll eine Grundsatzentscheidung ermöglichen. Wir stellen die Ergebnisse vor und bewerten sie. Variante 1: Sanierung des Seidenweberhauses
Die Kosten für Sanierung, Modernisierung und ästhetische Aufwertung des Seidenweberhauses werden mit insgesamt 40 Millionen Euro beziffert; inbegriffen sind Ein- griffe ins Gebäude wie die Schaffung einer echten Eingangssituation, die Veränderung der Fassade und der Rückbau des nördlichen Teils (wo das Hexagon residierte), um die Sichtachse der Carl-Wilhelm-Straße wiederherzustellen. Nach Einschätzung der Verwaltung würde die Sanierung trotz der immensen Investitionssumme wesentliche Nachteile des Gebäudes nicht heilen; die Vorteile eines Neubaus oder des Kesselhauses würden überwiegen. Daher lautet das Fazit: „nicht sinnvoll“.
Bewertung: Auffällig ist, dass die früher genannte Simpel-Sanierung, die mit 20 Millionen Euro Kosten beziffert wurde, gar nicht mehr auftaucht. Politisch ist diese Lösung aber keineswegs tot – CDU-Fraktionschef Philibert Reuters hat schon vor Monaten zu bedenken gegeben, dass die Stadt sich einen Neubau möglicherweise nicht leisten kann und noch lange mit dem Seidenweberhaus in seiner heutigen Gestalt leben muss. Auffällig auch: Nur hier wird das Thema Betriebskosten berührt. Eine „Vermarktung“des Seidenweberhauses sei nur bei Generalsanierung mit Eingriffen ins Gebäude möglich. Später taucht das Thema Vermarktung nicht mehr auf; es ist aber von entscheidender Bedeutung im Vergleich der Wagener-Variante mit dem Kesselhaus oder einem Neubau durch die Stadt. Wageners zentrales ökonomisches Argument für sein Modell besteht darin, dass aus dem Verbund von Kongress und Hotel die Betriebskosten für die Kongresshalle niedrig ausfallen. Diese Frage wird in dem gesamten Papier nicht mehr diskutiert. Variante 2: Abriss und Neubau auf dem Theaterplatz
Die Kosten für einen Neubau auf dem Theaterplatz werden mit 50 Millionen Euro beziffert. Der Neubau soll auf der Ostseite des Platzes zum Ostwall hin entstehen. Zugleich werden der Neubau eines Hotels und die Errichtung eines kleineren Gebäudes entlang der Königstraße ins Gespräch gebracht, ohne dass klar wird, wer das Hotel bauen und wozu das zweite, kleine Gebäude dienen soll. Als Nachteil wird eine weiterhin schwierige Erschließungssituation genannt; der Kostenaufwand wird als „relativ hoch“eingestuft. Als ein baulicher Nachteil bei dieser Lösung wird genannt, dass die Veranstaltungsräume in allen Planvarianten im ersten Stock liegen. Dennoch empfiehlt die Verwaltung, diese Variante weiterzuverfolgen und zu konkretisieren.
Bewertung: Die Expertise wirft in diesem Punkt Fragen auf. Insbesondere wird das Thema Betriebskosten ausgeblendet. Indirekt wird eingeräumt, dass die von Gerald Wagener vorgeschlagene Kombination aus Hotel und Veranstaltungshalle wirtschaftlich sinnvoll wäre und die Betriebskosten drücken kann; wie und ob ein Hotel realisiert werden soll, bleibt aber unklar. Variante 3: Abriss des Seidenweberhauses und Rückgriff auf das Kesselhaus
Die Kosten für die Herrichtung des Kesselhauses in Höhe von 31,4 Millionen Euro würde Investor Wolf-Reinhard Leendertz tragen. Die Stadt müsste eine Pacht von 1,67 Millionen Euro jährlich plus Betriebskosten zahlen. Die Vorlage lobt das Ambiente, die Erreichbarkeit und den Umstand, dass die Veranstaltungsräume ebenerdig liegen. Betont wird die Variabilität des Kes- selhauses: Demnach gibt es Hallen für 1030 und 300 Personen sowie insgesamt sieben Veranstaltungsflächen. Die Verwaltung empfiehlt, diese Variante weiterzuverfolgen.
Bewertung: Auch in diesem Punkt ist das Thema Betriebskosten ausgeblendet – dieses Thema aber ist wichtig für den Vergleich mit dem Modell Hotel plus Kongress auf dem Theaterplatz. Das große Pfund des Kesselhauses ist ohne Zweifel das schöne Ambiente klassischer Industriearchitektur; wirtschaftlich aber dürften die laufenden Kosten höher sein als bei einer Kombination aus Hotel plus Kongresshalle. Variante vier: Abriss des Seidenweberhauses und Neubau hinterm Bahnhof
Die Kosten würden wie bei einem Neubau auf dem Theaterplatz bei 50 Millionen Euro liegen. Zu den gravierenden Nachteilen wird der Mangel an Ambiente im Vergleich zu Theaterplatz oder Kesselhaus genannt. Zudem wird die Planungszeit auf vier bis fünf Jahre taxiert, weil ein neuer Bebauungsplan auf den Weg gebracht werden müsste. Allerdings ist die Liste der Vorteile lang – dazu gehört auch die Schaffung eines großzügigen Theaterplatzes mit Blick auf Mediothek und Theater. Fazit der Stadt: Diese Variante sei „weniger zielführend“.
Bewertung: Die Variante wird mit einer vergleichsweise verhaltenen Formulierung abgelehnt – mit den Worten „weniger zielführend“. Das kann Zufall sein, kann aber auch aufschlussreicher Reflex auf die Vorteile sein: Die Stadt hätte dort genug Raum, genügend Freiheiten bei exzellenter verkehrlicher Anbindung. Eigentlich leuchtet nicht ganz ein, warum diese Variante entschieden weniger Vorteile bietet als Kesselhaus oder Neubau auf dem Theaterplatz. Die Wagener-Variante: Kongress plus Hotel auf dem Theaterplatz
Das Wagener-Modell wird vor allem aus rechtlichen Gründen verworfen. Der Unternehmer Gerald Wagener möchte seinen Hotel-Kongress-Komplex bekanntlich ohne europaweite Ausschreibung realisieren. Auf die Stadt käme eine Pacht von 1,5 bis zwei Millionen Euro zu, behauptet die Stadt; Wagener selbst hat immer nur von 1,5 Millionen Euro gesprochen. Die Stadt wirft dem Unternehmer indirekt mangelnde Transparenz vor. So habe Wagener weder Planungsgrundlagen noch Kostenansätze vorgelegt; auch sei die Fassadengestaltung zum Ostwall und zur St.- Anton-Straße nicht klar; Wagener hat im Gegenzug betont, man könne bei der Fassadengestaltung mit der Stadt zusammenarbeiten.
Bewertung: Es bleibt ein Ärgernis, dass die Variante, die am schnellsten umsetzbar wäre und für die Stadt in Sachen Betriebskosten die besten Aussichten bietet, aus juristischen Gründen wegfallen soll. Es bleibt eine Schwäche der Vorlage, das Thema Betriebskosten nicht benannt zu haben. Auffällig ist auch, dass beim Kesselhaus die Varianz der Räumlichkeit detailliert aufgelistet, beim Wagener-Entwurf aber nicht erläutert wird, dass sein Kongress auch für Gesellschaften bis 100 Personen geeignet wäre. Das eben ist die Stärke des Entwurfs. Das Tagesgeschäft aus Hotel plus Seminare / Feste/ Kongresse würde die Betriebskosten überschaubar halten; dieses Pfund hat nur Wageners Plan. Unklar ist auch, warum die Stadt von 1,5 bis zwei Millionen Euro Pacht spricht; Wagener hat immer von 1,5 Millionen gesprochen und läge damit unter der Pacht für das Kesselhaus. Zudem ist Wagener der Stadt entgegengekommen: Das Gebäude würde nach 30 Jahren in den Besitz der Stadt übergehen; er hat damit auf den Vorbehalt reagiert, dass die Stadt Grund und Boden aus der Hand geben würde. So kann man den Eindruck haben: Alles, was für Wagener als Partner spricht, bleibt unerwähnt.