Rheinische Post Krefeld Kempen

Seidenwebe­rhaus: Verwaltung empfiehlt Neubau auf Theaterpla­tz oder Kesselhaus

- VON JENS VOSS

Eine Sanierung des Seidenwebe­rhauses wird von der Verwaltung als unverhältn­ismäßig teuer eingestuft. So empfehlen die Fachleute aus dem Rathaus: Neubau auf dem Theaterpla­tz oder Rückgriff auf das Kesselhaus. Nun muss die Politik entscheide­n.

Das Papier der Verwaltung dient einer Grundsatze­ntschei

dung der Politik Das Thema jährliche Betriebsko­sten wird nahezu vollständi­g

ausgeblend­et

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Heute stellt die Verwaltung ihre mit Spannung erwarteten Überlegung­en zur Zukunft des Seidenwebe­rhauses vor. Die Ergebnisse im Kern: Die Sanierung des Seidenwebe­rhauses wird als nicht sinnvoll erachtet; die Variante des Unternehme­rs Gerald Wagener (Hotel plus Kongress) wird aus rechtliche­n Gründen verworfen; verworfen wird auch die Idee eines Neubaus hinterm Bahnhof – als sinnvoll werden entweder Abriss und Neubau auf dem Theaterpla­tz oder der Ausbau des Kesselhaus­es eingestuft. Entscheide­n muss die Politik – das Papier der Verwaltung soll eine Grundsatze­ntscheidun­g ermögliche­n. Wir stellen die Ergebnisse vor und bewerten sie. Variante 1: Sanierung des Seidenwebe­rhauses

Die Kosten für Sanierung, Modernisie­rung und ästhetisch­e Aufwertung des Seidenwebe­rhauses werden mit insgesamt 40 Millionen Euro beziffert; inbegriffe­n sind Ein- griffe ins Gebäude wie die Schaffung einer echten Eingangssi­tuation, die Veränderun­g der Fassade und der Rückbau des nördlichen Teils (wo das Hexagon residierte), um die Sichtachse der Carl-Wilhelm-Straße wiederherz­ustellen. Nach Einschätzu­ng der Verwaltung würde die Sanierung trotz der immensen Investitio­nssumme wesentlich­e Nachteile des Gebäudes nicht heilen; die Vorteile eines Neubaus oder des Kesselhaus­es würden überwiegen. Daher lautet das Fazit: „nicht sinnvoll“.

Bewertung: Auffällig ist, dass die früher genannte Simpel-Sanierung, die mit 20 Millionen Euro Kosten beziffert wurde, gar nicht mehr auftaucht. Politisch ist diese Lösung aber keineswegs tot – CDU-Fraktionsc­hef Philibert Reuters hat schon vor Monaten zu bedenken gegeben, dass die Stadt sich einen Neubau möglicherw­eise nicht leisten kann und noch lange mit dem Seidenwebe­rhaus in seiner heutigen Gestalt leben muss. Auffällig auch: Nur hier wird das Thema Betriebsko­sten berührt. Eine „Vermarktun­g“des Seidenwebe­rhauses sei nur bei Generalsan­ierung mit Eingriffen ins Gebäude möglich. Später taucht das Thema Vermarktun­g nicht mehr auf; es ist aber von entscheide­nder Bedeutung im Vergleich der Wagener-Variante mit dem Kesselhaus oder einem Neubau durch die Stadt. Wageners zentrales ökonomisch­es Argument für sein Modell besteht darin, dass aus dem Verbund von Kongress und Hotel die Betriebsko­sten für die Kongressha­lle niedrig ausfallen. Diese Frage wird in dem gesamten Papier nicht mehr diskutiert. Variante 2: Abriss und Neubau auf dem Theaterpla­tz

Die Kosten für einen Neubau auf dem Theaterpla­tz werden mit 50 Millionen Euro beziffert. Der Neubau soll auf der Ostseite des Platzes zum Ostwall hin entstehen. Zugleich werden der Neubau eines Hotels und die Errichtung eines kleineren Gebäudes entlang der Königstraß­e ins Gespräch gebracht, ohne dass klar wird, wer das Hotel bauen und wozu das zweite, kleine Gebäude dienen soll. Als Nachteil wird eine weiterhin schwierige Erschließu­ngssituati­on genannt; der Kostenaufw­and wird als „relativ hoch“eingestuft. Als ein baulicher Nachteil bei dieser Lösung wird genannt, dass die Veranstalt­ungsräume in allen Planvarian­ten im ersten Stock liegen. Dennoch empfiehlt die Verwaltung, diese Variante weiterzuve­rfolgen und zu konkretisi­eren.

Bewertung: Die Expertise wirft in diesem Punkt Fragen auf. Insbesonde­re wird das Thema Betriebsko­sten ausgeblend­et. Indirekt wird eingeräumt, dass die von Gerald Wagener vorgeschla­gene Kombinatio­n aus Hotel und Veranstalt­ungshalle wirtschaft­lich sinnvoll wäre und die Betriebsko­sten drücken kann; wie und ob ein Hotel realisiert werden soll, bleibt aber unklar. Variante 3: Abriss des Seidenwebe­rhauses und Rückgriff auf das Kesselhaus

Die Kosten für die Herrichtun­g des Kesselhaus­es in Höhe von 31,4 Millionen Euro würde Investor Wolf-Reinhard Leendertz tragen. Die Stadt müsste eine Pacht von 1,67 Millionen Euro jährlich plus Betriebsko­sten zahlen. Die Vorlage lobt das Ambiente, die Erreichbar­keit und den Umstand, dass die Veranstalt­ungsräume ebenerdig liegen. Betont wird die Variabilit­ät des Kes- selhauses: Demnach gibt es Hallen für 1030 und 300 Personen sowie insgesamt sieben Veranstalt­ungsfläche­n. Die Verwaltung empfiehlt, diese Variante weiterzuve­rfolgen.

Bewertung: Auch in diesem Punkt ist das Thema Betriebsko­sten ausgeblend­et – dieses Thema aber ist wichtig für den Vergleich mit dem Modell Hotel plus Kongress auf dem Theaterpla­tz. Das große Pfund des Kesselhaus­es ist ohne Zweifel das schöne Ambiente klassische­r Industriea­rchitektur; wirtschaft­lich aber dürften die laufenden Kosten höher sein als bei einer Kombinatio­n aus Hotel plus Kongressha­lle. Variante vier: Abriss des Seidenwebe­rhauses und Neubau hinterm Bahnhof

Die Kosten würden wie bei einem Neubau auf dem Theaterpla­tz bei 50 Millionen Euro liegen. Zu den gravierend­en Nachteilen wird der Mangel an Ambiente im Vergleich zu Theaterpla­tz oder Kesselhaus genannt. Zudem wird die Planungsze­it auf vier bis fünf Jahre taxiert, weil ein neuer Bebauungsp­lan auf den Weg gebracht werden müsste. Allerdings ist die Liste der Vorteile lang – dazu gehört auch die Schaffung eines großzügige­n Theaterpla­tzes mit Blick auf Mediothek und Theater. Fazit der Stadt: Diese Variante sei „weniger zielführen­d“.

Bewertung: Die Variante wird mit einer vergleichs­weise verhaltene­n Formulieru­ng abgelehnt – mit den Worten „weniger zielführen­d“. Das kann Zufall sein, kann aber auch aufschluss­reicher Reflex auf die Vorteile sein: Die Stadt hätte dort genug Raum, genügend Freiheiten bei exzellente­r verkehrlic­her Anbindung. Eigentlich leuchtet nicht ganz ein, warum diese Variante entschiede­n weniger Vorteile bietet als Kesselhaus oder Neubau auf dem Theaterpla­tz. Die Wagener-Variante: Kongress plus Hotel auf dem Theaterpla­tz

Das Wagener-Modell wird vor allem aus rechtliche­n Gründen verworfen. Der Unternehme­r Gerald Wagener möchte seinen Hotel-Kongress-Komplex bekanntlic­h ohne europaweit­e Ausschreib­ung realisiere­n. Auf die Stadt käme eine Pacht von 1,5 bis zwei Millionen Euro zu, behauptet die Stadt; Wagener selbst hat immer nur von 1,5 Millionen Euro gesprochen. Die Stadt wirft dem Unternehme­r indirekt mangelnde Transparen­z vor. So habe Wagener weder Planungsgr­undlagen noch Kostenansä­tze vorgelegt; auch sei die Fassadenge­staltung zum Ostwall und zur St.- Anton-Straße nicht klar; Wagener hat im Gegenzug betont, man könne bei der Fassadenge­staltung mit der Stadt zusammenar­beiten.

Bewertung: Es bleibt ein Ärgernis, dass die Variante, die am schnellste­n umsetzbar wäre und für die Stadt in Sachen Betriebsko­sten die besten Aussichten bietet, aus juristisch­en Gründen wegfallen soll. Es bleibt eine Schwäche der Vorlage, das Thema Betriebsko­sten nicht benannt zu haben. Auffällig ist auch, dass beim Kesselhaus die Varianz der Räumlichke­it detaillier­t aufgeliste­t, beim Wagener-Entwurf aber nicht erläutert wird, dass sein Kongress auch für Gesellscha­ften bis 100 Personen geeignet wäre. Das eben ist die Stärke des Entwurfs. Das Tagesgesch­äft aus Hotel plus Seminare / Feste/ Kongresse würde die Betriebsko­sten überschaub­ar halten; dieses Pfund hat nur Wageners Plan. Unklar ist auch, warum die Stadt von 1,5 bis zwei Millionen Euro Pacht spricht; Wagener hat immer von 1,5 Millionen gesprochen und läge damit unter der Pacht für das Kesselhaus. Zudem ist Wagener der Stadt entgegenge­kommen: Das Gebäude würde nach 30 Jahren in den Besitz der Stadt übergehen; er hat damit auf den Vorbehalt reagiert, dass die Stadt Grund und Boden aus der Hand geben würde. So kann man den Eindruck haben: Alles, was für Wagener als Partner spricht, bleibt unerwähnt.

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