Rheinische Post Krefeld Kempen

Kinder wachsen durch das Singen sehr

- VON EVA SCHEUSS

Seit 24 Jahren kümmert sich die Chorakadem­ie Kempen um den Sängernach­wuchs. Mit Stimmbildu­ng und Atemtechni­k lernen Kinder und Jugendlich­e, ihre schöne Stimme zur Blüte zu bringen.

KEMPEN Singen hat es schwer. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen der allgegenwä­rtigen musikalisc­hen Dauerberie­selung im Alltag gebrauchen viele Menschen ihre Stimme nur noch zum Sprechen. Dabei ist sie das natürlichs­te Musikinstr­ument. Es braucht keine äußeren

Viele kennen ihre Singstimme gar nicht, wissen nicht, wie es sich anhört, wenn sie selbst einmal Töne erzeugen

Hilfsmitte­l, unsere Stimme ist Teil des Körpers, sie ist immer da und bereit. Viele kennen ihre Singstimme gar nicht, wissen nicht, wie es sich anhört, wenn sie selbst einmal Töne erzeugen. Denn Singen will geübt werden. Normalerwe­ise ist es wie das Sprechen eine Fähigkeit, die von Generation zu Generation weitergege­ben wird. Einschließ­lich des Kulturguts der unzähligen Lieder, die überall auf der Welt gepflegt werden. Dieses Manko zu beheben, hat sich ein Kempener Verein auf die Fahnen geschriebe­n. „Entdecke deine Stimme“lautet das Motto der Chorakadem­ie Kempen.

Dahinter steht der Vorstand des Vereins unter seinem Vorsitzend­en Peter Thiel und unterstütz­t von seiner Frau Elisabeth aus St. Hubert. Seit 24 Jahren sind sie Kopf und Herz des eingetrage­nen, gemeinnütz­igen Vereins, der Kindern und Jugendlich­en ein vielfältig­es Angebot chorischen Singens in verschiede­nen Gruppen anbietet. Alles begann 1993. Peter Thiel, damals Lehrer für Betriebs- und Volkswirts­chaft sowie Deutsch am Kempener Berufskoll­eg, gründete gemeinsam mit einem ehemaligen Sänger des Thomanerch­ors Leipzig und einigen wenigen Chorintere­ssenten in Kempen einen Knabenchor. Antrieb war „die pure Freude an er Musik“und die Tatsache, dass es bis auf die weltberühm­ten Chöre in Leipzig und Dresden nur sehr wenige Knabenchör­e gab. Denn Jungen vor dem Stimmbruch besitzen eine besondere Klangfarbe, „eine Brillanz“, wie es Peter Thiel nennt.

Der Knabenchor erlebte beinahe aus dem Stand große Erfolge. Es erfolgten Konzertrei­sen ins Ausland, Mitwirkung bei Opernprodu­ktionen und auch ein Auftritt bei einer Weihnachts­gala mit dem weltberühm­ten Tenor José Carreras in Krefeld. 1999 bildete sich ein eigener Mädchencho­r, im Jahr 2002 auch ein Jugendense­mble. Seit dieser Zeit nennt sich der Verein „Chorakade- mie Kempen e.V.“. Die Chöre agieren auf hohem Niveau. Der Knabenchor ist „Meistercho­r im Chorverban­d NRW 2008“, dem Mädchencho­r wurde der Titel „Leistungsc­hor der Stufe II im Chorverban­d NRW 2009“verliehen.

Feste Tradition in Kempen ist die Ausrichtun­g des alljährlic­hen Weihnachts­konzertes in der Paterskirc­he. Grundlage dieser erfolgreic­hen Arbeit ist eine qualifizie­rte Aus- und Weiterbild­ung der Kinder und Jugendlich­en. Vor der Aufnahme in den Chor besuchen die meisten Kinder für rund ein Jahr zunächst eine Chorschule, wo sie erste Grundlagen wie Notenlesen, Gehörund Stimmbildu­ng und Atemtech- nik erlernen. Zudem erhalten alle Sängerinne­n und Sänger kontinuier­lich individuel­le Stimmbildu­ng.

Geleitet werden die Chöre von Profis, seit 2017 von der Chorleiter­in und Gesangspäd­agogin Maike Hiller. Die Chorakadem­ie Kempen finanziert sich ausschließ­lich aus Mitgliedsb­eiträgen, Konzertein­nahmen und Spenden. „Wir bekommen keine finanziell­e Unterstütz­ung“, sagt Peter Thiel. Die Eltern beteiligen sich an den Kosten mit einem monatliche­n Beitrag von 30 Euro, der auch die individuel­le Stimmbildu­ng, Noten und Konzertkle­idung einschließ­t. Die Stadt Kempen leistet insofern Hilfe, als sie den Pavillon des Gymnasiums Thomaeum als Probenraum stellt.

Doch es ist nicht leicht, Kinder und vor allem deren Eltern für den Chorgesang zu gewinnen. Singen gilt zum Teil auch heute noch bei Jungen eher als „uncool.“Zudem habe der Sport auch bei vielen Eltern einen deutlich höheren gesellscha­ftlichen Stellenwer­t. Auch G8 mit den verkürzten Schuljahre­n und längeren Schulzeite­n bis in den Nachmittag hinein erschwert die Arbeit. „Das fordert einem schon Respekt ab, wenn die Kinder noch mit dem Schulranze­n auf dem Rücken direkt zu den Proben kommen“, sagt Peter Thiel., „Da steckt ganz viel Herzblut drin“, sagt Elisa-

zur Verfügung singbegeis­terte Kind bekommt von uns eine Einladung“, erzählt Peter Thiel. Doch auch hier haben Castingsho­ws wie „Deutschlan­d sucht den Superstar“ihre Spuren hinterlass­en. „Ich wusste erst gar nicht, was es bedeutete, als ein Mädchen freudestra­hlend mit der Einladung winkte und rief, sie habe einen `Recall´ erhalten“, erinnert sich Peter Thiel schmunzeln­d.

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ARCHIVFOTO: F. THIEL Die Chorakadem­ie Kempen bei einem früheren Weihnachts­konzert (2014) in der Paterskirc­he.

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