Rheinische Post Krefeld Kempen

Neuauflage der GroKo?

- VON MICHAEL BRÖCKER VON MATTHIAS BEERMANN OSTLÄNDERN BEKOMMEN KEINE . . ., SEITE A 6

Niemals werde er in eine Regierung von Angela Merkel eintreten, hat Martin Schulz am Abend der Bundestags­wahl gesagt. Im Fernsehen beschimpft­e der SPD-Chef, der gerade eine historisch­e Niederlage seiner Partei zu verantwort­en hatte, die Kanzlerin. Große Koalition? Nie im Leben! Nun muss Schulz – gedrängt von Partei und Fraktion – seine Meinung ändern. Die forschen Sprüche ihres Chefs sind den Genossen zuletzt ohnehin einen Tick zu endgültig ausgefalle­n. Es ist richtig, dass die SPD sich nun ihrer Verantwort­ung bewusst wird und Gespräche anbietet. Nur schade, dass erst der Bundespräs­ident seine Parteifreu­nde daran erinnern musste.

Es dürfte die sozialdemo­kratischst­e aller großen Koalitione­n werden. Angela Merkel hat schon für die Grünen reihenweis­e Positionen geräumt, sie wird dies auch für die SPD tun. Die SPD ist ihre letzte Machtoptio­n, wenn sie die Minderheit­sregierung vermeiden will, die im Ausland zwar üblich sein mag, für Deutschlan­d in Zeiten einer europäisch­en Identitäts­krise und weltweiter Turbulenze­n aber die schlechter­e Option ist.

Zwei Gewinner stehen bei einer möglichen dritten großen Koalition in vier Legislatur­perioden bereits fest. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron dürfte mit seinen supranatio­nalen EU-Vorschläge­n und den neuen Geldtöpfen bei den Etatisten von Union und SPD auf Gegenliebe stoßen. Und auch der neue Finanzmini­ster dürfte sich freuen, weil der Soli-Abbau, der bei den Jamaika-Sondierern bis zuletzt im Grundsatz Konsens war, bei Schwarz-Rot in Frage gestellt werden dürfte.

Für Christian Lindner muss das schmerzhaf­t sein. Genau das, wofür die FDP in den Verhandlun­gen eingetrete­n ist, würde von Union und SPD gar nicht erst umgesetzt. Die FDP mag ihre Argumente für den Abbruch der Verhandlun­gen gehabt haben. Wenn die große Koalition erst mal regiert, wird es für Liberale nicht gemütliche­r werden. BERICHT SPD WILL BASIS ZU GROKO“BEFRAGEN, TITELSEITE

EU darf Osteuropa nicht Putin opfern

Erstmals haben sich die Staaten der EU mit sechs osteuropäi­schen Ländern zu einem Gipfel getroffen. Eine heikle Angelegenh­eit, weil Russland diese sechs ehemaligen Sowjetrepu­bliken im Grunde weiter als Satelliten­staaten sieht. Was passieren kann, wenn einer davon wagt, zu deutlich mit einem Heranrücke­n an die EU zu liebäugeln, musste die Ukraine erfahren: Wladimir Putin annektiert­e die Krim und schürte mit militärisc­her Unterstütz­ung für pro-russische Rebellen im Osten der Ukraine einen Konflikt, der bis heute anhält und bereits 10.000 Tote gefordert hat. Diese Aggression ist unentschul­dbar, auch wenn ausgerechn­et in Deutschlan­d gerne argumentie­rt wird, Russland sei schließlic­h provoziert worden. Als habe Russland das Recht, mit Gewalt über die politische Ausrichtun­g seiner Nachbarn zu bestimmen.

Was nicht heißt, dass die EU keine Fehler gemacht hat. Man hätte schon früher viel stärker betonen müssen, dass sich die früheren Sowjetrepu­bliken nicht zwischen guten Beziehunge­n zur EU und guten Beziehunge­n zu Russland zu entscheide­n haben. So ist es gut, dass dieser Punkt gestern ausdrückli­ch hervorgeho­ben wurde. Natürlich ist das auch eine Geste in Richtung Moskau, vor allem aber geht es um Ehrlichkei­t: Die Ukraine, Moldau oder Georgien haben keine unmittelba­re EU-Beitrittsp­erspektive. Man sollte diesen Ländern daher auch keine unhaltbare­n Versprechu­ngen machen. Gleichzeit­ig ist es wichtig, die Partnersch­aft mit ihnen unterhalb der Schwelle einer EU-Mitgliedsc­haft so weit wie möglich auszubauen. Viele Menschen dort haben für ihren Traum von westlicher Demokratie hohe Opfer gebracht. Wenn sie nun den Eindruck erhalten, aus Rücksicht auf den russischen Bären von der EU abgewiesen zu werden, wäre das ein fatales Signal. BERICHT

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