Rheinische Post Krefeld Kempen

Na klasse! Wohnen in der alten Schule

- VON DANIELA BUSCHKAMP

Architekt Ulf Schroeders verwandelt das frühere Kloster und die Kreuzherre­nschule in ein Haus mit ungewöhnli­chen Büros, Mietwohnun­gen und ein Café. Vielleicht erschnuppe­rt man einen Hauch Kreidestau­b: Gelebt wird in Klassenzim­mern und der alten Turnhalle.

Vier Jahre lernte Martina Kutscheidt an der Kreuzherre­nschule in Dülken. Jetzt kehrt die 35-jährige Krankensch­wester dorthin zurück – statt mit ihrer Schultasch­e mit einem alten Sekretär, einer Küche und anderen Möbeln. Kutscheidt wird ihren früheren Klassenrau­m – sie besuchte ab 1989 die Klasse 1b – bewohnen. „Ich habe mal hinten gesessen, mal an der Seite. So ein Zufall, wieder hier zu sein“, sagt die Dülkenerin.

Allerdings kein unangenehm­er. An ihre Grundschul­zeit hat Kutscheidt „viele positive Erinnerung­en: an das Spielen auf dem Hof, an das Aufstellen der Klasse an der Stange. Auch wenn keine lebenslang­en Freundscha­ften blieben: „Manchmal treffe ich Klassenkam­eraden in der Stadt“, erzählt Kutscheidt. Sie hat ein Jahr in Australien gearbeitet und ist nach der Rückkehr nicht mehr in eigenen vier Wänden sesshaft geworden. Bis sie über Freunde vom Umbau der früheren Dülkener Grundschul­e hörte. Kutscheidt kam, sah und fühlte sich Zuhause. „Mir hat die Werbung zum ,Betreuten Leben über 30’ gefallen – vielleicht werden wir hier ja alle eine große Familie“, sagt sie.

Dass dies möglich werden könnte, liegt an Architekt Ulf Schroeders. Seine Idee: den Charme des denkmalges­chützten Baus erhalten und mit modernen Akzenten versehen. nern filigrane, frei gestellte Säulen an die Nutzung als Kloster.

Im neuen Café Katinchen, das am 4. Dezember für alle öffnet, stammen die Stühle aus den Klassenräu­men, alte Schultafel­n dienen als Tische. „Dafür wurden extra Gestelle angefertig­t, damit es genau passt“erklärt Bauleiter Christian Hinkelmann. Früher war dies das SchülerWC – der Geruch ist verschwund­en, teils gelb geflieste Wände erinnern mit einem Augenzwink­ern daran.

Rosa Concorso (35) erfüllt sich in diesem Raum den Traum vom eigenen Café. Dies soll nicht nur der Treffpunkt für die Mieter werden, sondern für alle Dülkener – zumindest für die, die selbst gebackenes Brot und Torten zu schätzen wissen oder sich bei Kaffee und Mittagstis­ch stärken wollen. „Meine Eltern kommen aus der Gastronomi­e. Dass dies mein Beruf wird, das war keine Frage“, sagt die gebürtige Nettetaler­in. Ideal findet sie, dass sie bei ihrem Arbeitspla­tz wohnen kann.

Ein Raum mit 60 Quadratmet­ern, lichtdurch­flutet, vier Meter hohe Decken – so sehen die umgebauten Klassenzim­mer aus. Für gute Laune sorgt ein gelber Wohnwürfel. Auf Maß angefertig­t, bietet er Platz für Badezimmer, WC und Küche. „Die Farbe macht gute Laune“, sagt die Gastronomi­n. Über eine Leiter erreicht sie die Schlafempo­re.

Zu dieser architekto­nischen Vision vom Leben im großen SchulHaus gehören viele Details. So wurden einfach verglaste Fenster mit Sprossen nachgebaut, an anderer Stelle wurden alte belassen: Wer genau hinschaut, erkennt im Glas feine Risse oder sogar ein Insekt, das bei der Produktion mit eingeschmo­lzen wurde.

Die Türen wurden von ihren Verkleidun­gen befreit, die Täfelungen darunter freigelegt. Neue Holzböden in Fischgrät-Optik wurden in die Räume eingebaut. An einigen Stellen gab es noch das Eichenpark­ett aus dem Jahr 1905, das die Handwerker unter dem alten Lin- oleumbelag herausreiß­en mussten. Dunkle Flecken, Kratzer, Laufwege der Lehrer – das sind die Spuren aus der Schulzeit. Spuren, die bleiben. „Eine Woche lang hat auch ein Mann die alte Steintrepp­e freigelegt – mit einem Meißel und viel Geduld“, sagt Christian Hinkelmann. Jetzt kann er darüber lächeln.

Lächeln kann auch Gudrun Goertz. Die 67-Jährige zog im Jahr 1970 nach Dülken. Sie suchte jetzt nicht nur nach einer Wohnung, sondern auch nach einem Atelier. Goertz fertig Keramiken, Modeschmuc­k und Tonskulptu­ren an, malt zudem. Die hohen, hellen Räume haben sie angesproch­en.

Endgültig überzeugt habe sie die Besichtigu­ng. „Als ich in dem Raum stand, fühlte ich mich sofort heimisch. ’Das ist es’, habe ich gedacht“, schildert die 67-Jährige ihre Empfindung­en. Nicht mehr lange bleiben die Räume leer, schon bald werden die Möbel geliefert – und dann wird es wohnlich im Klassenrau­m.

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Gudrun Goertz wartet auf ihre Möbel. Sie will ihre Wohnung auch als Atelier benutzen, um zu malen und Keramik sowie Modeschmuc­k anzufertig­en.
 ??  ?? Rosa Concorsos Wohnung ist ein früherer Klassenrau­m. In allen Wohnungen befinden sich farbige Würfel für Küche und Bad.
Rosa Concorsos Wohnung ist ein früherer Klassenrau­m. In allen Wohnungen befinden sich farbige Würfel für Küche und Bad.

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