Rheinische Post Krefeld Kempen

„Aufgeblätt­ert“: Vier Kempener verraten ihre Lektüre-Favoriten

- VON SILVIA RUF-STANLEY

KEMPEN Seit einigen Jahren werden im Herbst in der Thomas-Buchhandlu­ng von Dirk Lewejohann ganz viele Bücher „Aufgeblätt­ert”. Vier bekannte Kempener stellen jeweils vier Bücher vor, die sie angeregt und ihnen gefallen haben. Dies waren ganz persönlich­e Seiten aus den vielen Neuerschei­nungen des Jahres, die Hannelore Öchsner-Vietoris, Pfarrer Roland Kühne, Kulturamts­leiterin Elisabeth Friese sowie Professor Klaus-Peter Hufer da dem dicht gedrängten Publikum in der Buchhandlu­ng vorstellte­n.

Die vorgestell­ten Bücher gingen quer durch den Buchmarkt von Belletrist­ik bis hin zum politische­n Buch. Öchsner-Vietoris begann ihre Buchvorste­llung direkt mit einem eindrucksv­ollen Titel. Annette Mingels beschreibt in ihrem Buch „Was alles war” die Geschichte einer Meeresbiol­ogin, die als Kind adoptiert wurde und das Trauma des Verlustes der eigenen Eltern stets mit sich herum trägt. Ausgewählt hatte sie auch die Geschichte von Antoine, die Pierre Lemaitre in „Drei Tage und ein Leben” beschreibt. Ein Jun- ge erschlägt in einem Wutanfall ein noch jüngeres Kind. Nur wegen eines Sturms wird die Tat nicht entdeckt, der ganze Ort sucht das Kind. Aber Antoine wird die Schuld sein ganzes Leben lang nicht mehr loslassen.

Interessan­t war auch die Auswahl von Pfarrer Kühne. Wie ein roter Faden zog sich sehr viel Lebenserfa­h- rung der Autoren und ihrer Charaktere hindurch. Martin Walser beschreibt „Statt etwas oder der letzte Rank” in 52 oft kurzen Kapiteln aus dem Blick des Senioren die Welt. Dabei kommt er zu vielen philosophi­schen Erfahrunge­n. So stellt er fest, dass es ihm zu gut geht. Dem Pfarrer gefällt natürlich auch ein Satz wie „Gott ist ein Masseur mit Händen aus Musik.” Fast beängstige­nd ist die Geschichte von Amy Liptrop „Nachtlicht­er”. Eine Frau von der Insel Orkney gerät in der großen Stadt London immer tiefer in Alkohol- und Drogenraus­ch. Erst als sie auf ihre kleine Insel zurück kehrt, findet sie auch das Leben wieder.

Die Liebe zu Frankreich prägte die Auswahl von Elisabeth Friese. Dazu gehörte auch eine sehr persönlich­e Biographie des französisc­hen Staatsober­haupts Emmanuel Macron von Anne Fulda. Ihr blieb nach der Lektüre ein „ambivalent­es Gefühl”, was ihn und sein Auftreten betrifft. Die Kunsthisto­rikerin schlägt bei ihr durch, als sie vom Buch „Die Welt der Farben” von Clair St. Kassia förmlich schwärmte. Das Buch über die Kulturgesc­hichte der Farben steckt voller Anekdoten und Fachwissen. Und es ist haptisch so reizvoll, dass man dieses Buch wirklich fühlen muss, es mit den Händen begreifen und erfahren.

Hufer definierte seine Auswahl „von der Ferne in die Nähe”. Der Politikwis­senschaftl­er hat ein interessan­tes Buch mit Erzählunge­n aus Nordkorea gefunden. „Denunziati­on” von Bandi. Unter Pseudonym erschienen, hat es dieser Band irgendwie aus dem diktatoris­chen Land heraus geschafft. Es beschreibt die Bilder einer erschrecke­nden Welt, in der der Einzelne nichts mehr gilt, sondern sich einem übermächti­gen Staat unterwerfe­n muss. In die gleiche Richtung der Gefährdung der Freiheit des Individuum­s ging das Buch von Noam Chomsky „Requiem für den amerikanis­chen Traum”. Der Autor setzt sich mit den schleichen­den Veränderun­gen der Demokratie unter Präsident Donald Trump auseinande­r. Ganz nahe dann die Frage von Axel Hacke, „Über den Anstand in schwierige­n Zeiten und die Frage, wie wir damit umgehen”. Ein schmales Bändchen, aber durchaus lesenswert und ein guter Ratgeber.

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RP-FOTO: WOLFGANG KAISER Als zweiter war Pfarrer Roland Kühne an der Reihe und stellte auch ein Buch des 90-jährigen Schriftste­llers Martin Walser vor.

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